Normen
B-VG Art133 Abs4
StbG 1985 §27 Abs1
StbG 1985 §28
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
62017CJ0221 Tjebbes VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010203.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass die Revisionswerberin die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 31. Mai 2007 ex lege verloren habe (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ fest, die Revisionswerberin lebe seit Oktober 1989 in Österreich, sei mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet, habe fünf Kinder und zahlreiche Enkelkinder, die alle die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Die Revisionswerberin habe keine Schulausbildung genossen und könne nur ihren Namen schreiben und mit diesem unterschreiben. Sie spreche und verstehe nur einzelne Wörter auf Deutsch. Türkisch könne sie hingegen fließend sprechen und verstehe sie ohne Probleme.
3 Nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft (mit 29. Mai 2001) und der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband habe die Revisionswerberin bei der türkischen Botschaft in Wien einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit unterschrieben.
4 Anlässlich eines Antrags auf Neuausstellung eines österreichischen Reisepasses bei der Österreichischen Botschaft in Ankara habe die Revisionswerberin einen türkischen Personenstandsregisterauszug vorgelegt, wonach sie mit 31. Mai 2007 nach Art. 8 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben habe. Die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei von ihr zuvor weder beantragt noch bewilligt worden. „Derzeit“ sei die Revisionswerberin (nach nochmaliger Zurücklegung ihrer türkischen Staatsangehörigkeit) staatenlos.
5 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die Rechtfertigung der Revisionswerberin für die damalige Unterschriftleistung vor der türkischen Botschaft sei nicht hinreichend schlüssig. Selbst wenn die Revisionswerberin nur ihren Namen schreiben könne, habe sie in der Verhandlung nicht den Eindruck hinterlassen, dass sie einem Gespräch auf Türkisch nicht folgen könne. Weiters sei die Revisionswerberin zwischen 2003 und 2008 gewerberechtliche Geschäftsführerin bzw. Gewerbeinhaberin gewesen und habe dort im Geschäftsverkehr Unterschriften leisten müssen. Die Revisionswerberin habe in der Verhandlung selbst angegeben, dass sie sich normalerweise erkundige, bevor sie ein Schriftstück unterfertige. Dass sie ausgerechnet bei dem Termin vor der türkischen Botschaft, wo sie laut ihrer Aussagen alleine vorgesprochen habe, nicht nachgefragt habe, was sie unterschreibe, sei für das Verwaltungsgericht nicht „glaubhaft“.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe vorliegend nicht bestritten, einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit unterzeichnet zu haben. Ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit vermöge die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen. Daher habe die Revisionswerberin mit 31. Mai 2007 die österreichische Staatsbürgerschaft ex lege verloren.
7 Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 12.3.2019, C‑221/17, Tjebbes u.a., führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die unterlassene Stellung eines auf § 28 StbG gestützten Antrags auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Wiedererwerb der fremden Staatsangehörigkeit habe Berücksichtigung zu finden (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes [VfGH]).
8 Aufgrund des näher bezeichneten Aufenthaltstitels ihres Ehegatten könne die Revisionswerberin von diesem einen näher bezeichneten Aufenthaltstitel nach dem NAG mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang ableiten, wobei auch eine Inlandsantragstellung zulässig sein werde. Alternativ könne die Revisionswerberin auch einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nach einer näher bezeichneten Bestimmung des AsylG 2005 stellen. Eine Trennung der Revisionswerberin von ihrer Kernfamilie in Österreich werde nicht eintreten, sodass die Revisionswerberin trotz des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft keine familiären oder beruflichen Nachteile erfahren werde. Die Revisionswerberin könne auch wieder einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nach Art. 13 des Türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 29. Mai 2009 stellen, um ihre Staatenlosigkeit zu beenden und in weiterer Folge Rechte aus dem Assoziationsabkommen EWG‑Türkei ableiten. Bis dahin könne sie einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses (nach einer näher bezeichneten Bestimmung des FPG) stellen, sodass ihre Reisefähigkeit nicht eingeschränkt wäre. Zudem stehe der Revisionswerberin die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a StbG zu stellen. Somit bringe der Verlust der Unionsbürgerschaft der Revisionswerberin nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes für diese keine unverhältnismäßigen Nachteile mit sich.
9 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder des EuGH abweiche noch es an einer Rechtsprechung fehle. Weiters sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen und sei die Beweiswürdigung in der Regel nicht revisibel. Auch sonst lägen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
10 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den VfGH. Mit Beschluss vom 10. März 2020, E 634/2020‑5, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Diesen Beschluss begründete der VfGH (unter anderem) wie folgt:
“Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht Wien zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Verlust der Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG ausgeht und ob das Verwaltungsgericht Wien eine unionsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung (siehe VwGH 30.9.2019, Ra 2018/01/0477) zutreffend vorgenommen hat, insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als im Hinblick auf eine gebotene Einzelfallprüfung der Folgen des Verlustes der Staatsbürgerschaft ein Verstoß der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschrift des § 27 Abs. 1 StbG gegen Art. 8 EMRK und Art. 7 GRC behauptet wird, lässt ihr Vorbringen angesichts dessen, dass § 27 Abs. 1 StbG den Verlust der Staatsbürgerschaft nur dann an den Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit knüpft, wenn diese auf Initiative des Betroffenen erworben wird, und § 28 StbG die Möglichkeit eröffnet, die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen des Privat- und Familienlebens zu beantragen, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 17.6.2019, E 1832/2019 und VfGH 17.6.2019, E 1302/2019) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.“
11 Sodann erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 In der (alleine maßgeblichen) Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision werden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
16 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann nicht entsprochen wird, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 26.11.2018, Ra 2018/11/0228, und VwGH 2.4.2020, Ra 2020/08/0019, jeweils mwN).
17 Die Revision behauptet das Fehlen von Rechtsprechung für Fälle „irrtümlicher Beantragung einer fremden Staatsbürgerschaft ohne Abgabe einer darauf gezielten ‚positiven Willenserklärung‘ “. Mit dieser Behauptung entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, nach dem die Revisionswerberin eine derartige positive Willenserklärung abgegeben hat (vgl. zur „positiven“ Willenserklärung und zum Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit etwa VwGH 12.12.2019, Ra 2018/01/0378, Rn. 11, mwN). Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG zu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 18.2.2020, Ra 2020/01/0037, mwN).
18 Die Revision behauptet weiter, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes zur gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung (nach dem Urteil des EuGH C‑221/17, Tjebbes u.a.) abgewichen. Das Verwaltungsgericht habe zwar eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt, jedoch liege „mangels Unschlüssigkeit“ der Beweiswürdigung und der mangelnden Begründung der tatsächlichen Folgen des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft eine krasse Fehlbeurteilung vor, welche zu einer unvertretbaren einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geführt habe. Aus diesem Grund liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Beweiswürdigung vor.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ausgehend vom festgestellten Vorliegen der Voraussetzungen für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG und einem damit verbundenen gleichzeitigen Verlust des Unionsbürgerstatus nach der Rechtsprechung des EuGH vom 12. März 2019 in der Rechtssache C‑221/17, Tjebbes u.a., von der zuständigen nationalen Behörde und gegebenenfalls dem nationalen Gericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.
Zu den Kriterien einer solchen unionsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung kann gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2020, Ra 2020/01/0022, Rn. 21 ‑ 26, verwiesen werden. Demnach hält der Verwaltungsgerichtshof neben der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. Juni 2019, E 1302/2019, vertretenen verfassungsrechtlichen Sicht (weiterhin) eine derartige Verhältnismäßigkeitsprüfung nach den Kriterien des EuGH in der Rechtssache Tjebbes u.a., für unionsrechtlich geboten. Eine solche unionsrechtlich gebotene Prüfung erfordert eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles durchgeführte Gesamtbetrachtung. Bei einer solchen Gesamtbetrachtung wird jedoch regelmäßig der vom Verfassungsgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht angeführte Umstand, dass der Betroffene die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft (nach § 28 Abs. 1 StbG) nicht wahrgenommen hat, von maßgeblicher Bedeutung sein. Dieser Umstand entbindet das Verwaltungsgericht aber nicht von der unionsrechtlich gebotenen Gesamtbetrachtung, ob fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist (vgl. zu allem etwa VwGH 20.5.2020, Ra 2019/01/0057, mwN).
20 Im Hinblick auf das vorliegende Zulässigkeitsvorbringen ist (neuerlich) hervorzuheben, dass nach den Vorgaben des EuGH im Urteil Tjebbes u.a. zu prüfen ist, ob fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der österreichischen Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist. Dies bedeutet, dass das Unionsrecht dem ex lege eintretenden Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 Abs. 1 StbG nur bei Vorliegen besonders gewichtiger bzw. außergewöhnlicher Umstände (des Privat- und Familienlebens des Betroffenen) entgegen steht.
Eine (derartige) unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG und daher vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell nur aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten hat oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat bzw. die Entscheidung auf einer verfahrensrechtlich nicht einwandfreien Grundlage erfolgte (vgl. zu allem VwGH 29.4.2020, Ra 2020/01/0043, mwN).
21 Eine derartige krasse Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht dargetan:
22 So entfernt sich die Revision mit der Behauptung, das Verwaltungsgericht habe den irrtümlichen Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nicht berücksichtigt, wiederum vom festgestellten Sachverhalt (vgl. nochmals VwGH Ra 2020/01/0037, mwN). Soweit sich die Revisionswerberin auf den unionsrechtlichen Vertrauensschutz beruft, weil ihr seit der Einleitung des staatsbürgerschaftsrechtlichen Feststellungsverfahrens zweimalig ein österreichischer Reisepass ausgestellt worden sei, so ist sie darauf hinzuweisen, dass es an ihr gelegen wäre, als Antragstellerin die Passbehörde von dem (ihr bekannten) Feststellungsverfahren der Staatsbürgerschaftsbehörde in Kenntnis zu setzen (vgl. zu dieser in diesem Fall von der Landesregierung als Hauptfrage zu entscheidenden Rechtsfrage im Hinblick auf § 4 Passgesetz 1992 VwGH 25.10.2017, Ra 2017/22/0050).
23 Weiters bringt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung für die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn die Betroffenen seinerzeit kein Antragsrecht auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 28 Abs. 2 StbG gehabt hätten. So stehe das Antragsrecht nach § 28 Abs. 2 StbG erst aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des VfGH (Verweis auf VfGH 17.6.2019, E 1832/2019) zu und hätten die Betroffenen davor aufgrund des klaren Wortlauts des § 28 Abs. 2 StbG (bis zur jüngsten Rechtsprechung des VfGH) kein Antragsrecht auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gehabt.
24 Zu diesem Vorbringen ist auf die (oben unter Rn. 10 wiedergegebene) Begründung des in der vorliegenden Revisionssache ergangenen Beschlusses des VfGH vom 10. März 2020, E 634/2020‑5, hinzuweisen. Nach dieser Rechtsprechung des VfGH ist davon auszugehen, dass § 28 StbG auch nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles die Möglichkeit eröffnete, die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen des Privat‑ und Familienlebens zu beantragen. Daher sieht der Verwaltungsgerichtshof auch keinen Anlass, von seiner Rechtsprechung abzugehen, wonach bei einer (im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung) durchzuführenden Gesamtbetrachtung regelmäßig der vom VfGH aus verfassungsrechtlicher Sicht angeführte Umstand, dass der Betroffene die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht wahrgenommen hat, von maßgeblicher Bedeutung ist.
25 Wenn die Revision weiter zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Verwaltungsgerichte sei nicht einheitlich, so genügt es darauf hinzuweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfüllt, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH 10.12.2019, Ra 2016/15/0054, mwN).
26 Soweit die Revision zuletzt ein Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verfahrensrechtlichen Grundsätzen behauptet, weil das Verwaltungsgericht keine eingehenden Ermittlungen zur Frage, ob die Revisionswerberin eine positive Willenserklärung beim Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit abgegeben habe, getätigt habe, ist auf die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen.
27 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 20.5.2020, Ra 2019/01/0057, mwN). Eine derartige krasse Fehlbeurteilung wird nicht aufgezeigt.
28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
29 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 10. Juli 2020
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