VwGH Ra 2018/01/0378

VwGHRa 2018/01/037812.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Mag. Eder, Mag. Brandl sowie Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der D T in K, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 4. Dezember 2017, Zl. E 164/07/2017.001/002, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Burgenländische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018010378.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Den insoweit unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zufolge hatte die Revisionswerberin mit ihrer Geburt am 3. Oktober 1975 kraft Abstammung von ihren Eltern die österreichische Staatsbürgerschaft erworben.

2 Vor Beantragung der Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft stellte die Revisionswerberin im Jahr 2015 den Antrag auf Erwerb der dänischen Staatsangehörigkeit. Trotz ihres Gesuchs vom 15. November 2016 an die dänischen Behörden, das Verfahren auszusetzen, wurde ihr der Erwerb der dänischen Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom 27. Dezember 2016 bewilligt. Mit Bescheid vom 17. Jänner 2017 bewilligte die Burgenländische Landesregierung (Staatsbürgerschaftsbehörde) der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) mit Wirksamkeit 2. Februar 2017 (Übernahme des Bescheides durch die Revisionswerberin) die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbs der dänischen Staatsangehörigkeit.

3 Mit Bescheid vom 22. August 2017 stellte die Staatsbürgerschaftsbehörde nach Antrag der Revisionswerberin vom 2. Juni 2017 "auf Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft" gemäß § 42 Abs. 1 iVm § 39 Abs. 2 und § 49 Abs. 2 lit. b StbG fest, dass die Revisionswerberin die österreichische Staatsbürgerschaft (gemäß § 27 Abs. 1 StbG) mit 27. Dezember 2016 verloren habe.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe zwar mit ihrem Mitte November 2016 gestellten Antrag auf Aussetzung der Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit von der vorherigen "Verleihung" (wohl gemeint: Beibehaltung) der österreichischen Staatsbürgerschaft abhängig gemacht und es sei ihre Intention gewesen, die dänische Staatsangehörigkeit nicht zu einem Zeitpunkt verliehen zu bekommen, der vor der Entscheidung der österreichischen Behörde auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft liege. Die Revisionswerberin habe somit nicht gewollt, dass der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall eintrete, dass sie die dänische Staatsbürgerschaft vor der Entscheidung über die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft erlange.

Dem sei der eindeutige Wortlaut des § 27 Abs. 1 StbG entgegen zu halten, wonach die Staatsbürgerschaft verliere, wer auf Grund eines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwerbe. Die Revisionswerberin habe die Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit beantragt und diesen Antrag trotz Belehrung der österreichischen Behörden über die Rechtslage, insbesondere der österreichischen Botschaft in Kopenhagen, "dass die Verleihung von Staatsbürgerschaften in Dänemark zweimal im Jahr (Juni und Dezember) stattfindet, es deshalb im gegenständlichen Fall zu Schwierigkeiten kommen kann und sich die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft mit der Verleihung der dänischen überschneiden" werde, nicht zurückgezogen, sondern "(lediglich)" dessen Aussetzung beantragt und in der Folge, "nachdem die Aussetzung (wenn auch aufgrund eines Fehlers der dänischen Behörden) nicht vorgenommen worden" sei, "die Verleihung auch angenommen". Der Annahme komme die "ausdrückliche Zustimmung zu einer fremden Staatsbürgerschaft gleich".

Ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit vermöge die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrags iSd § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen. Der Verlust der Staatsbürgerschaft trete unabhängig davon ein, ob er beabsichtigt gewesen sei, somit auch dann, wenn der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten habe wollen.

Letztlich sei eine Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach deren Verlust nicht mehr möglich. Eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung gehe ins Leere und vermöge den bereits eingetretenen Verlust nicht mehr rückgängig zu machen.

Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts kostenpflichtig aufzuheben. Die Staatsbürgerschaftsbehörde beantragte in ihrer nach Einleitung des Vorverfahrens erstatteten Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin, dass sie während des Verfahrens über die Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft und gleichzeitig die Unterbrechung des Verleihungsverfahrens vor den dänischen Behörden bis zur Entscheidung über den Beibehaltungsantrag beantragt habe, dem Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft stattgegeben worden sei und der Revisionswerberin erst danach seitens des dänischen Ministeriums mitgeteilt worden sei, dass ihr rückwirkend die dänische Staatsangehörigkeit verliehen worden sei. Es stellten sich die Rechtsfragen, wie die Erklärungen der Revisionswerberin in den beiden Verfahren auszulegen seien und ob zum Zeitpunkt der Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit der positive Wille der Revisionswerberin auf die Verleihung gerichtet gewesen sei. In Anbetracht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten "positiven Willenserklärung" als Voraussetzung für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG könne diese Rechtsfolge nicht eintreten, wenn eine ursprünglich "positive" Willenserklärung widerrufen werde und die fremde Staatsangehörigkeit unter Missachtung dieser Willenserklärung irrtümlich verliehen werde.

11 Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die österreichische Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. 12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsangehörigkeit infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. etwa zuletzt VwGH 30.9.2019, Ra 2018/01/0477, Rn. 8, mwN). 13 Ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit - selbst wenn er unverschuldet wäre - vermag die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen. Vielmehr tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon ein, ob er beabsichtigt war, auch wenn der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0040, mwN).

14 Eine primär auf ein anderes Ziel gerichtete Willenserklärung (z.B. Antritt eines Lehramtes an einer ausländischen Hochschule, Eheschließung) bewirkt hingegen nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft, auch wenn dem Betroffenen bekannt ist, dass damit der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft verbunden ist (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0331, mwN). 15 Ebenso wenig tritt der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft in dem Fall ein, dass jemand eine fremde Staatsbürgerschaft ohne "Erwerbswillen" infolge eines einseitigen Aktes des fremden Staates erlangt (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0040, mwN).

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus dem Gesetz, dass mit dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf Grund einer "positiven" Willenserklärung der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden ist, ausgenommen im Fall der Bewilligung ihrer Beibehaltung, und es entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch und den Denkgesetzen, dass die "Beibehaltung" der Staatsbürgerschaft nach einem Verlust nicht mehr möglich ist. Eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung geht somit ins Leere und vermag den bereits eingetretenen Verlust der Staatsbürgerschaft nicht rückgängig zu machen (vgl. VwGH 24.6.2003, 2001/01/0588, mwN).

17 Allein der Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft vor Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit kann demnach den Verlust der Staatsbürgerschaft nicht verhindern, wenn nicht auch die beantragte Beibehaltung vor Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit bewilligt wurde.

18 Konkret hat die Revisionswerberin (nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes) während des Verfahrens über die Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft und gleichzeitig die Aussetzung des Verleihungsverfahrens vor den dänischen Behörden bis zur Entscheidung über den Beibehaltungsantrag beantragt. Damit hat die Revisionswerberin den Antrag auf Verleihung der dänischen Staatsangehörigkeit, somit die auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichtete "positive" Willenserklärung gegenüber der fremden Behörde, gerade nicht zurückgenommen bzw. widerrufen und infolge ihres Verleihungsantrags letztlich die dänische Staatsangehörigkeit unstrittig mit Wirkung vom 27. Dezember 2016 vor Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft erworben.

19 Daher ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG bei der Revisionswerberin vorgelegen sind. 20 Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof zu § 27 Abs. 1 StbG aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hätte (vgl. zur Leitfunktion des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsmodell in Bezug auf Einzelfallentscheidungen der Verwaltungsgerichte VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0040, mwN).

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 48 Abs. 2 Z 1 und § 51 zweiter Fall VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Dezember 2019

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