VwGH Ra 2022/17/0072

VwGHRa 2022/17/007213.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des N N in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2022, W123 2161376‑2/12E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170072.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juni 2021 wurde ein Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Republik Indien, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ‑ wegen einer gegen ihn vorliegenden rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ‑ gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 und ‑ wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht ‑ gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 leg.cit. zurückgewiesen. Unter einem wurde sein Antrag auf Heilung des Mangels der Vorlage näher bezeichneter Dokumente gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Asylgesetz‑Durchführungsverordnung 2005 abgewiesen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Eine Verhandlung - so das Verwaltungsgericht - habe angesichts des aus der Aktenlage geklärten Sachverhalts gemäß § 21 Abs. 7 BFA‑VG unterbleiben können.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Demgemäß erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2017/17/0681 bis 0684; 17.1.2022, Ra 2021/20/0465, jeweils mwN).

9 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210; 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, jeweils mwN).

10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0304; 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, jeweils mwN). Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. wieder VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).

11 Dieser Anforderung wird die Darlegung der Zulässigkeitsgründe der Revision nicht gerecht. Denn es werden allgemein Verfahrensfehler - insbesondere Verletzungen des rechtlichen Gehörs - ins Treffen geführt, jedoch ohne konkret anzugeben, welche Tatsachen bei deren Vermeidung erwiesen worden wären und weshalb ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 7.1.2019, Ra 2017/17/0732; 4.5.2022, Ra 2021/01/0300 bis 0301, jeweils mwN).

13 Mit seiner allgemein gehaltenen Kritik an Aufbau und Gliederung des angefochtenen Erkenntnisses, ohne konkret auszuführen, inwiefern das Verwaltungsgericht gegen die Begründungspflicht gemäß § 29 VwGVG verstoßen hat, gelingt es dem Revisionswerber nicht, die Zulässigkeit der Revision iSd vorzitierten Rechtsprechung darzulegen.

14 Ferner verweist der Revisionswerber zur Darlegung der Zulässigkeit der Revision darauf, dass das Verwaltungsgericht von der Abhaltung einer Verhandlung nicht hätte absehen dürfen.

15 Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung ist die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht einschlägig, sondern die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (u.a.) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist (vgl. etwa VwGH 29.3.2021, Ra 2017/22/0196; 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, jeweils mwN).

16 Insofern legt der Revisionswerber mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen, die Zulässigkeit der Revision nicht dar, zumal er auch keine hinreichend konkreten Ausführungen dazu tätigt, weswegen es von der Abhaltung einer Verhandlung nicht hätte absehen dürfen.

17 Schließlich will der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision damit begründen, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung seines Privat‑ und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG nicht berücksichtigt hätte, dass bloß ein Viertel seines Aufenthalts von insgesamt sieben Jahren im Bundesgebiet unrechtmäßig gewesen seien. Damit wird die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht aufgezeigt, weil das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ‑ insoweit inhaltlich mit dem Revisionswerber übereinstimmend ‑ davon ausgeht, dass sich dieser seit insgesamt sieben Jahren im Bundesgebiet aufhält und erst seit 20. Juli 2020 zur Ausreise verpflichtet ist.

18 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juli 2022

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