VwGH Ra 2022/06/0213

VwGHRa 2022/06/02135.12.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der G S in G, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, LL.M. und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 20. Juli 2022, LVwG‑2022/38/0862‑21, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Going am Wilden Kaiser; mitbeteiligte Partei: Tgesellschaft in R; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2018 §34
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060213.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 31. Jänner 2021, mit welchem der mitbeteiligten Partei die baurechtliche Bewilligung für den Neubau einer Wohnanlage mit Tiefgarage und überdachten Autoabstellplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht ‑ soweit für den Revisionsfall von Interesse ‑ fest, dass der ursprünglich im Mindestabstand zur Revisionswerberin gelegene Abluftschacht auf Grund der Planänderung vom 21. Juni 2022 nunmehr in die südseitige Außenwand auf Niveau des Erdgeschoßes des als Haus West bezeichneten Baukörpers integriert werde.

6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zum Vorbringen der Revisionswerberin, wonach der Grenzverlauf in den Planunterlagen nicht ordnungsgemäß wiedergegeben sei, unter Hinweis auf die hg. Judikatur aus, dass dem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ein von den Abstandsbestimmungen losgelöstes, gleichsam abstraktes Recht auf Feststellung des Grenzverlaufes nicht zustehe (Hinweis auf VwGH 22.12.2010, 2010/06/0208). Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Grenzverlauf hin zum Grundstück der Revisionswerberin nicht geändert worden sei. Der südwestliche Eckpunkt des Vorbaus, der den nächstgelegenen Punkt gegenüber dem Grundstück der Revisionswerberin darstelle, habe einen Abstand von 7,62 m, wobei nur ein Mindestabstand von 4,94 m erforderlich wäre. Im Hinblick auf die nunmehr vorliegende Planänderung vom 21. Juni 2022 betreffend die Änderung der Positionierung des Abluftschachtes, welcher demnach nicht mehr im Mindestabstandsbereich zur Revisionswerberin positioniert sei, komme der sich darauf beziehenden Einwendung der Revisionswerberin keine Berechtigung mehr zu.

7 In den zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision vorgetragenen Gründen bringt die Revisionswerberin vor, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege in Bezug auf den „Genehmigungsumfang des geänderten Projektes“ vor. Es sei eine „Abkehr“ von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegeben und es liege eine unrichtige Sachentscheidung vor, weil die Sache, wenn auch im Umfang des § 13 Abs. 8 AVG, aber doch durch entsprechende Antragsmodifikation abgeändert worden sei, wodurch zwar die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes gewahrt worden sei, sich aber das Meritum verändert habe. Es wäre daher eine Abweisung mit einer sich auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geänderte Sach- und Rechtslage beziehenden Maßgabe erforderlich gewesen (Hinweis auf VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0420), dies mit der Vidierung der geänderten Pläne und Planunterlagen durch das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die getroffene Sachentscheidung. Es sei eine Abkehr von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „bei Änderung der Sach ‑ und Rechtslage im Beschwerdeverfahren“ erfolgt, die konkret dazu geeignet sei, zum Nachteil der Revisionswerberin auszuschlagen (Hinweis auf VwGH 11.3.2016, Ra 2014/06/0043). Nach der ständigen Rechtsprechung wäre „in einem Verfahren wie dem hier vorliegenden ohne jeden Zweifel im Einklang mit dieser“ die Baubewilligung nur nach Maßgabe der neuen und auch vidierten Pläne zu erteilen gewesen, nicht aber ohne diese. Damit liege eine Rechtsfrage vor, die über die Bedeutung des Falles hinausgehe, in eventu werde auch das Fehlen einer konkreten höchstrichterlichen Rechtsprechung „zu der Frage“ geltend gemacht. Auch die gesetzlich vorgesehene Vidierung der Pläne fehle hier, wie auch der Spruch, der sich mit der Sache befasse bzw. über diese ergänzte Sache abspreche.

8 Weiters sei in Bezug auf den Grenzverlauf nicht berücksichtigt worden, dass ein Urteil vorliege, auf dessen Grundlage eine Grenzberichtigung habe erfolgen müssen. Die Planunterlagen seien im Hinblick auf diese zivilrechtliche Frage unvollständig geblieben.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Erkenntnissen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen VwGH 24.1.2017, Ra 2016/05/0117, mwN).

10 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung mit der (auszugsweisen) Zitierung von zwei Rechtssätzen zu Entscheidungen des Verwaltungsgerichthofes nicht gerecht, zumal darin ohnehin von der Zulässigkeit innerhalb der Sache gelegener Modifikationen des Beschwerdebegehrens bzw. der Modifikation eines Antrages durch Vorlage geänderter Pläne ausgegangen wird; dass bzw. inwiefern das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis von der von der Revisionswerberin zitierten hg. Judikatur abgewichen sein soll, wird nicht dargelegt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.

11 Soweit die Revisionswerberin „in eventu“ das Fehlen einer konkreten höchstgerichtlichen Rechtsprechung „zu der Frage“ geltend macht, legt sie nicht offen, welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.

12 Unabhängig davon ist festzuhalten, dass der Inhalt der Baubewilligung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den eingereichten und allenfalls im Zuge des Bauverfahrens geänderten, dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde gelegten Plänen und der Baubeschreibung zu entnehmen ist und die von der Behörde mit dem „Genehmigungsvermerk“ versehenen Pläne und Baubeschreibungen einen wesentlichen Bestandteil der Baubewilligung bilden (vgl. etwa VwGH 22.10.2008, 2005/06/0114, mwN). Weiters ist ein Erkenntnis, mit dem das Verwaltungsgericht die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abweist und den Bescheid unverändert lässt, derart zu werten, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlässt (vgl. VwGH 27.1.2017, Ra 2016/06/0054, mwN). Dazu wird bemerkt, dass nach Ausweis der Verfahrensakten die im landesverwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten, geänderten Pläne ‑ entgegen der Behauptung der Revisionswerberin ‑ mit einem das Datum und die Geschäftszahl des Verwaltungsgerichtes enthaltenden Genehmigungsvermerk des Verwaltungsgerichtes versehen sind.

13 In Bezug auf das Vorbringen zur Unvollständigkeit der Planunterlagen ist auszuführen, dass bei Verfahrensmängeln nach der ständigen hg. Rechtsprechung in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für die revisionswerbende Partei günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 3.10.2022, Ra 2022/06/0081 und 0082, mwN). Mangels Relevanzdarstellung genügt die vorliegende Revision diesen Anforderungen nicht.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 5. Dezember 2022

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