Normen
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei beantragte am 8. November 2002 als Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstücks in Graz die Erteilung einer Baubewilligung für einen Um- und Zubau bei ihrem bestehenden Wohnhaus und Einbau einer Kleingarage für zwei PKW im Bereich des Zubaues zum Kellergeschoß.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des in östlicher Richtung direkt an die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei angrenzenden Grundstückes. Sie wurden als Nachbarn zur Bauverhandlung am 7. Oktober 2003 geladen und nahmen an dieser teil. In der Verhandlung erhoben sie keine Einwendungen. Die Baubewilligung wurde mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und erwuchs am 5. November 2003 in Rechtskraft.
Mit Bauansuchen vom 20. Jänner 2004 suchte die mitbeteiligte Partei um baurechtliche Bewilligung folgender Änderungen des mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 bewilligten Objektes an:
Vergrößerung des Kellergeschoßes, Auskragung der Kellerdecke zur Straße hin, Wegfall der straßenseitigen Anschüttung, Lageverschiebung der Außenstiege. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 29. Jänner 2004 entsprochen. Der Bescheid wurde den Beschwerdeführern nachträglich am 21. Juli 2004 zugestellt und von diesen mit Berufung vom 4. August 2004 bekämpft. Darin führten die Beschwerdeführer unter Anderem aus, dass der errichtete Baukörper den gesetzlichen Mindestabstand zu ihrem Grundstück nicht einhalte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 2005 wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 26 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (in der Folge: Stmk BauG) der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben könne, wenn diese sich auf Bauvorschriften bezögen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienten (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Diese Bestimmungen seien in der Folge taxativ aufgezählt. Es handle sich um die Bestimmungen über die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei, die Abstände, den Schallschutz, die Brandwände an der Grundgrenze, die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung sowie die Baueinstellung und die Beseitigung. Dem Begriff der Einwendung sei die Behauptung einer Rechtsverletzung immanent, sodass einem Anbringen jedenfalls entnehmbar seien müsse, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechts behauptet werde.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei eine Vergrößerung des Kellergeschoßes, eine Auskragung der Kellerdecke zur Straße hin, ein Wegfall der straßenseitigen Anschüttung sowie eine Lageverschiebung der Außenstiege. Gemäß § 4 Z. 38 Stmk BauG sei ein Keller eine bauliche Anlage, die ganz oder überwiegend unter dem angrenzenden Geländeniveau liege. Gemäß § 13 Abs. 2 Stmk BauG müsse jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet werde, mindestens so viele Meter entfernt sei, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um zwei, ergebe. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung seien als Geschoße in der jeweiligen Gebäudefront jene anzurechnen, die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig seien und deren Außenwandfläche zu mehr als 50 % und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände lägen. Das vorliegende Kellergeschoß trete oberirdisch nicht in Erscheinung, sodass keine Verletzung von Abstandsbestimmungen vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet und den Ersatz der verzeichneten Kosten beantragte. Die Beschwerdeführer replizierten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, und das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2004/06/0016, u.v.a.). Dies gilt auch für den Nachbarn, der seine Parteistellung beibehalten hat.
Gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes - Stmk BauG, LGBl. Nr. 59/1995, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
- 2. die Abstände (§ 13);
- 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
- 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
- 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
§ 13 Stmk BauG lautet auszugsweise:
"(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschossanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).
...
(4) Als Geschosse in der jeweiligen Gebäudefront sind jene anzurechnen, die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig sind und deren Außenwandfläche zu mehr als 50 Prozent und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt.
...
(12) Lässt der Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten oder ist dies zum Schutz des Ortsbildes erforderlich, hat die Behörde größere Abstände vorzuschreiben."
Gemäß § 4 Stmk BauG haben die nachstehenden Begriffe folgende Bedeutung:
"28. Gebäude: eine bauliche Anlage, die mindestens
einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den
Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Als
Gebäude gelten jedoch auch offene Garagen;
29. Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne
vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront;
…
38. Keller: bauliche Anlage, die ganz oder überwiegend unter dem angrenzenden Geländeniveau liegt;"
Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf ein mangelfreies Baubewilligungs- und Ermittlungsverfahren verletzt. Durch die Feststellung, dass das vergrößerte Kellergeschoß oberirdisch nicht in Erscheinung trete, treffe die belangte Behörde akten- und tatsachenwidrige Feststellungen. Obwohl die Baubehörde nicht weiter darauf eingehe, führe sie dazu noch erkennbar aus, dass sie das Kellergeschoß nicht als Geschoß nach § 13 Abs. 4 Stmk BauG qualifiziere und es bei der Berechnung des gesetzlichen Abstandes unberücksichtigt bleibe. Die Unrichtigkeit dieser Feststellungen ergebe sich nach der Auffassung der Beschwerdeführer aus den Plänen und aus einer mit der Beschwerde vorgelegten Lichtbildbeilage. Die Beschwerdeführer erachten einen "Rechtsmissbrauch" als gegeben, das von ihnen bekämpfte Geschoß liege zum Großteil über dem Gelände. Es befänden sich darin einerseits eine Einliegerwohnung, aber auch Garagen und der Haupteingang des Hauses und die Garageneingänge. Das Haus werde von der öffentlichen Straße über dieses Geschoß bzw. die dortigen Türen erreicht. § 4 Z 38 i.V.m.
§ 13 Abs. 4 Stmk BauG lege eindeutig fest, wann ein eventuell nur teilweise über dem Gelände liegender Gebäudeteil als Untergeschoß oder Keller zu definieren sei, da die gesetzliche Regelung davon ausgehe, dass unter die Abstandsbestimmungen des § 13 Stmk BauG grundsätzlich nur oberirdische bauliche Anlagen fielen, denen Gebäudeeigenschaft zukomme. Nach dem Willen des Gesetzgebers zu
§ 13 Stmk BauG sei damit zwar ein etwas höherer Ermittlungsaufwand verbunden, dafür könne in jedem Fall Rechtssicherheit angenommen werden. Es sei eine genaue Ermittlung der Außenwandfläche des Untergeschoßes über dem Gelände vorzunehmen. Dem Nachbarn stehe nach der Rechtsprechung nur im Hinblick auf die ihm abgewandte Gebäudeseite kein Mitspracherecht zu. Bei der Beurteilung, ob die Außenfläche zu mehr als 50 Prozent und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liege, sei nicht nur auf die der betreffenden Nachbargrenze zugewandte Gebäudefront, sondern nach dem klaren Gesetzeswortlaut auf die volle Außenwandfläche des Geschosses abzustellen.
Die belangte Behörde hat ihrem Bescheid die Auffassung zu Grunde gelegt, dass das gegenüber dem Baubewilligungsbescheid vom 15. Oktober 2003 vergrößerte Kellergeschoß oberirdisch nicht in Erscheinung trete, sodass keine Verletzung von Abstandsbestimmungen vorliege. Diesem Ergebnis kann nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, weil es zur Beurteilung dieser abstandsrelevanten Frage auf die zum Nachbarn hingewandte Front ankommt und nicht darauf, ob das Gebäude etwa zu einer anderen Seite hin - wie hier zur Straßenseite - oberirdisch gelegen ist.
Das Bauverfahren ist ein Projektbewilligungsverfahren, in dem das konkrete Projekt und nicht mögliche davon abweichende bauliche Maßnahmen zu beurteilen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. September 2007, Zl. 2004/06/0016, und vom 21. Oktober 2004, Zl. 2001/06/0076, mwN). Es ist den Bauplänen zu entnehmen, welche baulichen Herstellungen der Bauwerber durchzuführen beabsichtigt. Aufgabe der Baubehörde ist es, zu prüfen, ob das sich aus den Plänen ergebende Bauvorhaben mit der Bauordnung und den sonstigen baurechtlichen Vorschriften in Übereinstimmung steht. Der Inhalt der Baubewilligung ist den eingereichten und allenfalls im Zuge des Bauverfahrens geänderten, dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde gelegten Plänen und der Baubeschreibung zu entnehmen. Die von der Behörde mit dem "Genehmigungsvermerk" versehenen Pläne und Baubeschreibungen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Baubewilligung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2003, Zl. 2000/06/0165, mwN).
Gegenstand des angefochtenen Bescheides und damit des vorliegenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof sind lediglich die mit Planänderungsbescheid vom 29. Jänner 2004 genehmigten baulichen Maßnahmen. Etwaige Rechtsverletzungen durch die mit - auch gegenüber den Beschwerdeführern - rechtskräftigem Baubewilligungsbescheid vom 15. Oktober 2003 bewilligten baulichen Maßnahmen können hingegen nicht mehr geltend gemacht werden. In dieser Hinsicht erweist ein Blick in die vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dass die Lage der zur Grundgrenze des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien gewandten und mit dem Bescheid vom 15. Oktober 2003 bewilligten Mauer des Objektes der mitbeteiligten Partei und ihr Abstand zum Grundstück der Beschwerdeführer durch die beschwerdegegenständliche Baubewilligung nicht verändert worden ist (vgl. den mit Planänderungsbescheid vom 29. Jänner 2004 genehmigten Bauplan).
Auch wurde durch die mit der gegenständlichen Baubewilligung genehmigte Auskragung der Kellerdecke in südlicher Richtung zur Straße hin - die bauliche Maßnahme, die zum Grundstück der Beschwerdeführer hin in Erscheinung tritt - keine Veränderung der für den Abstand relevanten Parameter im Sinne des § 13 Abs. 2 iVm Abs. 4 Stmk BauG bewirkt, weil diese Erweiterung nach Süden zur Straße hin und nicht zum Grundstück der Beschwerdeführer hin erfolgte.
Weiters ist auch durch die mit der bekämpften Baubewilligung genehmigte Veränderung der Außentreppe kein Eingriff in ein von dem Stmk BauG geschütztes Nachbarrecht erfolgt, weil diese - zwar zur Grundgrenze der Beschwerdeführer hin situierte - bauliche Maßnahme deswegen nicht als abstandsrelevant im Sinne des § 13 iVm § 26 Abs. 1 Z. 2 Stmk BauG angesehen werden kann, weil sie kein Gebäude ist, die angeführte Bestimmung aber - abgesehen von § 13 Abs. 12 - nur Abstände zu Gebäuden regelt. Es wurde auch weder geltend gemacht noch ist ersichtlich, inwiefern gemäß § 13 Abs. 12 leg. cit. größere Abstände vorzuschreiben gewesen wären.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Abstandsregelung des § 13 Abs. 4 Stmk BauG werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt (zu § 13 Abs. 4 Stmk BauG vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1998, G 330/97, G 331/97, Slg. Nr. 15.110).
Die behauptete Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten liegt sohin nicht vor. Daher war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. Oktober 2008
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