VwGH Ra 2022/05/0129

VwGHRa 2022/05/01299.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der V GmbH in S, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. April 2022, VGW‑112/V/077/385/2022‑8, betreffend einen Bauauftrag nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §74 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050129.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 26. November 2021, mit welchem ihr als Eigentümerin einer Baulichkeit auf einem näher bezeichneten Grundstück in Wien gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO f Wien) der Auftrag erteilt worden war, den auf dem Grundstück bestehenden Rohbau aufgrund des Erlöschens der Baubewilligung vom 4. Dezember 2012 in der Fassung des Planwechsels vom 26. August 2016 binnen neun Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen und das vor Bauführung bestehende Gelände wieder herzustellen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und die Leistungsfrist mit 24 Monaten neu festgesetzt (I.). Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei (II.).

2 In den Zulässigkeitsgründen der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision führt die revisionswerbende Partei zusammengefasst aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, mit welchem Ausbaustand ein Bau als vollendet anzusehen sei, „insbesondere zur Frage ob bzw. dass bei Verwirklichung aller (wesentlicher) bauplanmäßig konstruktiven Merkmale und ‑ durch Außenwände ‑ nach außen abgeschlossenem Gebäude, bei Fehlen von Fenstern und Türen, der Bau als vollendet im Sinne des § 74 Abs. 1 BO für Wien anzusehen“ sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Ob ein bestimmtes Bauwerk in seinem konkreten Ausbauzustand als „vollendet“ im Sinne des § 74 Abs. 1 BO f Wien anzusehen ist, sodass nach der genannten Gesetzesbestimmung die Baubewilligung nach Ablauf von vier Jahren nach Baubeginn nicht als erloschen anzusehen ist, ist für sich genommen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, sondern unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn die betreffende Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 31.5.2022, Ro 2018/06/0020, 30.5.2022, Ra 2021/06/0151, oder auch 25.5.2022, Ra 2022/06/0062, jeweils mwN).

7 Fallbezogen hat sich das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im angefochtenen Erkenntnis mit dem konkreten Zustand des in Rede stehenden Bauwerkes auseinandergesetzt und dazu unter anderem festgestellt, dass diesem neben dem Außen- und Innenverputz die Fenster und Türen, ein wesentlicher Teil der Treppe und sämtliche Absturzsicherungen fehlen. Rechtlich kam das Verwaltungsgericht sodann unter Heranziehung einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 24.6.2014, 2012/05/0173) zu dem Ergebnis, dass der gegenständliche Zustand des Rohbaues nicht als vollendet im Sinne des § 74 Abs. 1 der BO f Wien beurteilt werden könne, die Baubewilligung daher erloschen und der Rohbau damit konsenslos sei.

8 Die Revision tritt in ihren Zulässigkeitsgründen weder den genannten Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichtes entgegen, noch setzt sie sich mit der vom Verwaltungsgericht für seine Rechtsanschauung herangezogenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auseinander. Dass die einzelfallbezogene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, wird daher in der Zulässigkeitsbegründung der Revision schon nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.

9 Im Übrigen trifft die Behauptung in den Zulässigkeitsgründen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, mit welchem Ausbaustand ein Bau im gegenständlichen Zusammenhang als vollendet anzusehen sei, nicht zu; die Frage, wann ein bewilligtes Bauvorhaben als vollendet zu gelten hat, hat der Verwaltungsgerichtshof in ähnlichen Konstellationen in seiner zu vergleichbaren Bestimmungen anderer Bauordnungen ergangenen Rechtsprechung bereits beantwortet (vgl. beispielsweise das bereits erwähnte Erkenntnis vom 24. Juni 2014, 2012/05/0173, oder auch VwGH 5.10.2016, Ra 2016/06/0118, jeweils mwN).

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. August 2022

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