VwGH Ra 2016/06/0118

VwGHRa 2016/06/01185.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. der E W, 2. des K W und

3. des M W, alle in I, alle vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Tschurtschenthalerstraße 4a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25. Juli 2016, Zl. LVwG-2016/22/0950-5, betreffend einen Beseitigungsauftrag (belangte Behörde vor dem Landesverwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Imst; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2011 §28 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
BauO Tir 2011 §28 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde I vom 6. April 2016 - mit welchem ihnen als Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes aufgetragen worden war, das auf diesem Grundstück stehende Gebäude infolge Erlöschens der Baubewilligung vom 28. März 1972 bis spätestens 31. Mai 2009 abzubrechen, das dabei anfallende Abbruchmaterial zu entfernen und das Grundstück wieder in seinem ursprünglichen Zustand zu versetzen - als unbegründet abgewiesen und die Leistungsfrist mit 30. Juni 2017 neu festgesetzt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5 In den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen führen die Revisionswerber aus, dass "nach der Tiroler Rechtslage keine einschlägige Judikatur dahingehend" vorliege, wann ein Bau als vollendet zu bezeichnen sei. Derzeit könnten zur Beurteilung dieser Frage lediglich vergleichbare Bestimmungen in anderen Bauordnungen herangezogen werden. Es könne zu keinem Erlöschen der Baubewilligung kommen, wenn das Gebäude nach außen hin verputzt sei und ein Dach sowie alle konstruktiven Merkmale errichtet seien, was auf das gegenständliche Gebäude zutreffe. Ob ein Gebäude bewohnbar sei und über einen entsprechenden Innenausbau verfüge, komme es nach Ansicht der Revisionswerber nicht an, zumal dies in der Tiroler Bauordnung nicht verlangt werde und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein "schlüsselfertiger" Zustand nicht erforderlich sei. Das angefochtene Erkenntnis stütze sich auf § 28 Abs. 7 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO), wozu keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei.

6 Zudem stelle sich "die Rechtsfrage der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes des § 28 Abs. 1 TBO", zumal die Auslegung dieser Bestimmung allein im Ermessen der entscheidenden "Behörde" liege und es auf Grund von fehlender Rechtsprechung für "die Behörde" keinerlei Anhaltspunkte für das genaue Verständnis der Begrifflichkeiten gebe. Es obliege hier dem Verwaltungsgerichtshof im Zuge seiner Kompetenz diese Bestimmung der TBO durch Rechtsprechung zu präzisieren und zumindest einen ersten Schritt in Richtung Determinierung zu gehen.

7 Das Fehlen der Rechtsprechung sei hier zweifelsfrei vor allem auf Grund des immensen Ermessensspielraumes bei der Auslegung des § 28 Abs. 7 TBO relevant und es liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, nämlich ob ein Haus auf Grund erloschener Baubewilligung abgerissen werden müsse.

8 Damit werden in der Revision keine Rechtsfragen dargelegt, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

9 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn diese Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet wurde, auch wenn diese Rechtsprechung zu anderen Normen, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von den im konkreten Fall anzuwendenden Normen unterscheiden, ergangen ist (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/12/0051, und vom 22. April 2015, Ro 2014/10/0082).

10 Die Frage, wann ein bewilligtes Bauvorhaben als vollendet zu gelten hat, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner zu vergleichbaren Bestimmungen anderer Bauordnungen sowie zur Rechtslage nach der Tiroler Bauordnung 2001 ergangenen Rechtsprechung bereits beantwortet. Demnach wird ein Bau im Allgemeinen schon dann als vollendet beurteilt werden können, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen ist und alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden sind; ein "schlüsselfertiger" Zustand ist nicht zu fordern (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 2014, 2012/05/0173, und vom 20. April 2004, 2003/06/0067, jeweils mwN). Dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Frage der Vollendung des gegenständlichen Bauwerkes von dieser, im angefochtenen Erkenntnis dargestellten hg. Judikatur abgewichen sei, behaupten die Revisionswerber nicht. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht das Vorliegen eines "schlüsselfertigen" Zustandes verlangt. Es ist vielmehr auf Grund der unter Punkt II. des angefochtenen Erkenntnisses dargestellten, zur Fertigstellung des gegenständlichen Bauvorhabens noch erforderlichen Baumaßnahmen (z.B. Ausgleichsmaßnahmen zur Überwindung von Höhenunterschieden von bis zu 95 cm, Bodenaufbauten, Tür- und Fensterelemente oder tragende Konstruktionselemente, wie Teile der Treppenanlagen) zutreffend davon ausgegangen, dass nicht nur bloß geringfügige Restarbeiten im Sinn der hg. Judikatur ausständig waren.

11 Dass im Fall des Erlöschens der Baubewilligung die bereits errichteten Teile des Bauvorhabens zu beseitigen sind, ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 TBO, sodass sich insofern die Rechtslage als eindeutig erweist, weshalb eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auch in dieser Hinsicht nicht vorliegt (vgl. den hg. Beschluss vom 28. Mai 2014, Ro 2014/07/0053).

12 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Oktober 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte