VwGH Ra 2022/06/0062

VwGHRa 2022/06/006225.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache 1. der G A und 2. des F A, beide in G und beide vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte‑GmbH in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 3. März 2022, 1. 405‑3/878/1/17‑2022 und 2. 405‑3/881/1/15‑2022, betreffend Übertretung des Baupolizeigesetzes 1997 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauPolG Slbg 1997 §16 Abs1
BauPolG Slbg 1997 §23 Abs1 Z3
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060062.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnissen der belangten Behörde jeweils vom 11. August 2021 wurden den revisionswerbenden Parteien jeweils eine Übertretung des § 23 Abs. 1 Z 3 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) in Verbindung mit § 16 Abs. 4 und 7 leg. cit. innerhalb eines näher bezeichneten Tatzeitraumes zur Last gelegt, weil sie als Inhaberin bzw. als Inhaber der Baubewilligung des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom 24. Juli 2020 und somit als „Bauherr“ jeweils zu verantworten hätten, dass bei der Ausführung der mit diesem Bescheid baubehördlich bewilligten Maßnahme (Um‑ und Zubaumaßnahmen beim bestehenden Objekt auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG St. G.) nicht nur geringfügig vom Baukonsens abgewichen worden sei. Der verfahrensgegenständliche Rohbau sei ‑ unstrittig ‑ entgegen der Baubewilligung und der dieser zugrunde liegenden Planunterlagen und Bauplatzerklärung in einem Abstand von 1,97 m zur Straßenfluchtlinie errichtet worden, die Baufluchtlinie sei um 1,03 m überschritten worden. Über die Erstrevisionswerberin wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 7.500,‑‑ und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 301 Stunden verhängt (straferschwerend wurden eine bedingt vorsätzliche Tatbegehung sowie sechs rechtskräftige Verwaltungsübertretungen nach § 23 Abs. 1 BauPolG gewertet); über den Zweitrevisionswerber wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,‑‑ und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 201 Stunden verhängt (straferschwerend wurde eine bedingt vorsätzliche Tatbegehung gewertet); beide revisionswerbenden Parteien wurden darüber hinaus gemäß § 64 VStG zum Ersatz der Kosten der jeweiligen Verwaltungsstrafverfahren verpflichtet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) den Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gegen diese Straferkenntnisse nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise Folge, setzte die über die Erstrevisionswerberin verhängte Strafe auf EUR 4.000,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 160 Stunden) sowie die über den Zweitrevisionswerber verhängte Strafe auf EUR 1.500,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) herab, passte den den revisionswerbenden Parteien jeweils auferlegten Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren an und sprach aus, dass gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren anfallen.

3 Im Übrigen wies es die Beschwerde gegen die verhängten Strafen mit folgender Spruchpräzisierung hinsichtlich der Bescheide der belangten Behörde ab:

„Sie haben als Inhaberin der Baubewilligung und Bauherrin [hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers: als Inhaber der Baubewilligung und Bauherr] zu verantworten, dass zumindest am 29.04.2021 bei der Ausführung der mit dem Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde B [...] vom 24.07.2020 [...] baubehördlich bewilligten Maßnahmen vom Baukonsens nicht nur geringfügig abgewichen wurde, weil zumindest am 29.04.2021 der auf Grundstück Nr [...] ausgeführte Rohbau den projektierten Abstand von 3 m zur Grundgrenze und Straßenfluchtlinie [...] nicht eingehalten hat. Der auf dem Grundstück [...] am 29.04.2021 ausgeführte Rohbau ist bis 1,97 m zur Grundgrenze der [...]Straße [...] herangebaut worden, womit der gemäß Baukonsens projektierte Abstand von 3,0 m zur Straßenfluchtlinie um 1,03 m nicht eingehalten wurde. Sie haben dadurch eine Übertretung gemäß § 23 Abs 1 Z 3 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl Nr 40/1997 idF LGBl 33/2019 iVm § 16 Abs 4 Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl Nr 40/1997 idF LGBl Nr 96/2017, begangen, weshalb gegen Sie eine Verwaltungsstrafe gemäß § 23 Abs 1 1. Strafrahmen Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl Nr 40/1997 idF LGBl Nr 33/2019, in der Höhe von Euro 4.000,‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 160 Stunden) [hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers: in der Höhe von Euro 1.500,‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden)] verhängt wird. Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG werden mit Euro 400,‑ [hinsichtlich des Zweitrevisionswerbers: mit Euro 150,‑] festgesetzt.“

Weiters sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Auf das Wesentliche zusammengefasst führte das LVwG dazu begründend aus, der ausgeführte Rohbau sei laut Lageplan zur Rohbaukontrolle bis auf 1,97 m an die Straßenfluchtlinie herangebaut und halte damit den in den Einreichunterlagen zur Baubewilligung vom 24. Juli 2020 projektierten Abstand von 3 m zur Grundgrenze bzw. Straßenfluchtlinie um 1,03 m nicht ein. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 8. April 2021 habe die Bürgermeisterin der Gemeinde B. wegen konsenswidriger Ausführung der mit Bescheid vom 24. Juli 2020 bewilligten baulichen Maßnahmen die Baueinstellung mit sofortiger Wirkung verfügt; mit Bescheid vom 1. Juni 2021 sei den revisionswerbenden Parteien seitens der Baubehörde der Rückbau bzw. die Beseitigung der konsenswidrig ausgeführten baulichen Maßnahmen aufgetragen worden; gegen diesen Bescheid hätten die revisionswerbenden Parteien berufen und unter gleichzeitiger Vorlage von Austauschplänen um eine baubehördliche Änderungsbewilligung für den ausgeführten Bau angesucht. Als Schuldform sei vorsätzliches Handeln anzunehmen; in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sei dargelegt worden, dass es eine ursprüngliche Projektplanung gegeben habe, die ein Heranbauen bis auf 2 m an die St. G. Straße vorgesehen habe. Zwei Wochen vor der mündlichen Bauverhandlung sei eine Änderungsplanung gemäß den vidierten Projektunterlagen vorgenommen worden, weil es unterschiedliche Rechtsauffassungen mit der Baubehörde gegeben habe. Aus diesen Umständen sei für das LVwG zu schließen, dass die revisionswerbenden Parteien als Bauherren im Wissen um den Gehalt des konsentierten Projektes und die darin projektierten Abstände ein Abweichen von der Baubewilligung durch die ausgeführte Abstandsunterschreitung in Kauf genommen hätten. Das konsentierte Projekt sehe, unabhängig davon, ob ein Bauteil im Sinn des § 56 Abs. 5 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 iVm § 25 Abs. 5 Bebauungsgrundlagengesetz als oberirdisch oder unterirdisch zu beurteilen sei, einen projektierten Abstand zur Grundgrenze von 3 m vor. Selbst wenn der Zubau daher als unterirdisch anzusehen sei und ein weiteres Heranbauen an die Straßenfluchtlinie damit rechtlich möglich sei, hätte dies vor Ausführung des Baues einer baupolizeilichen Änderungsbewilligung bedurft, die von den revisionswerbenden Parteien aber erst im Juni 2021 nach verfügter Baueinstellung und im Wege des Rechtsmittels gegen den Beseitigungsauftrag beantragt worden sei.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die dem Verwaltungsgerichtshof vom LVwG gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, es werde in der rechtlichen Beurteilung des LVwG weder eine Judikatur „zur grundlegenden Rechtsfrage des Heranführens unterirdischer Bauten angeführt“, „noch Judikatur zur Frage, ob vorspringende Bauteile in den 2‑metrigen Mindestabstand hineinragen“ dürften. Dieser Rechtsfrage komme über den Einzelfall hinausgehende, grundlegende Bedeutung zu, weil dazu keine gesonderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Bei den Baumaßnahmen, die in den mit 3 m festgelegten Abstand zur Straßenfluchtlinie hineinreichten, handle es sich um unterirdische Baumaßnahmen, für die gemäß § 25 Abs. 5 Bebauungsgrundlagengesetz nur ein Abstand von 2 m eingehalten werden müsse. Ein Verstoß gegen „einschlägige Bestimmungen des Sbg. ROG bzw. Sbg. BGG bzw. Sbg. BauPolG“ liege daher nicht vor. Auch könne eine Überschreitung der Baufluchtlinie nicht konsensgemäß sein. Es könne aufgrund mangelhafter Feststellungen nicht beurteilt werden, ob es sich nicht um einen vorspringenden Bauteil im Sinne des § 25a Bebauungsgrundlagengesetz handle. „Selbst wenn vom plangemäßen Konsens abgewichen“ worden sei, sei bei unterirdischen, gesetzlich zulässigen Baumaßnahmen und im Hinblick darauf, dass das Hineinragen um 3 cm lediglich einen vorspringenden Bauteil betreffe, nur von einer geringfügigen Abweichung auszugehen, „da diese Baumaßnahmen zwar gesetzlich, nicht jedoch durch den Baubescheid gedeckt“ seien. Es bedürfe einer grundlegenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, „dass bei Abweichung vom Baukonsens durch Errichtung unterirdischer Bauten im gesetzlichen Rahmen bzw. durch Errichtung von vorspringenden Bauteilen ebenfalls im gesetzlichen Rahmen, jedenfalls nur von einer geringfügigen Abweichung auszugehen“ sei.

10 Mit diesen Ausführungen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

11 Die revisionswerbenden Parteien übersehen zunächst, dass es gegenständlich nicht darum geht, ob die von ihnen ausgeführten baulichen Maßnahmen aus baurechtlicher Sicht zulässig wären oder nicht; die verfahrensgegenständlichen Verwaltungsstrafen beruhen vielmehr auf angelasteten Übertretungen des § 23 Abs. 1 Z 3 BauPolG und damit auf dem Vorwurf der nicht nur geringfügigen Abweichung der in Rede stehenden baulichen Maßnahme vom Baukonsens (hier: der den revisionswerbenden Parteien erteilten Baubewilligung vom 24. Juli 2020). Dass der verfahrensgegenständliche Bau gemäß der genannten Bewilligung konsensgemäß ausgeführt worden sei, behaupten selbst die revisionswerbenden Parteien nicht; die Frage, ob eine konkrete Abweichung von einer bestimmten Baubewilligung noch als „geringfügig“ anzusehen ist oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. sinngemäß etwa VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, 19.4.2021, Ra 2021/05/0053, oder auch 17.12.2020, Ra 2018/06/0108, jeweils mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision weder aufgezeigt, noch ist eine solche ersichtlich (vgl. zur Frage der Geringfügigkeit auch § 16 Abs. 1 leg.cit .). Der Feststellung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, die ausgeführten Baumaßnahmen hielten den in der Baubewilligung vom 24. Juli 2020 projektierten Abstand von 3 m zur Grundgrenze bzw. Straßenfluchtlinie um 1,03 m nicht ein, treten die revisionswerbenden Parteien nicht entgegen; dass darüber hinaus für die konkrete Bauausführung ‑ allenfalls ‑ eine baubehördliche Bewilligung zulässig wäre, spielt für die Frage der Geringfügigkeit der Abweichung vom Baukonsens im Sinne des § 23 Abs. 1 Z 3 BauPolG keine Rolle (vgl. nochmals § 16 Abs. 1 leg.cit .).

12 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2022

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