VwGH Ra 2021/06/0151

VwGHRa 2021/06/015130.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der M H in G, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda und Mag. Stephan Benda, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 15. April 2021, LVwG 50.37‑2787/2018‑92, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei: P GmbH & Co KG in G, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8
BauG Stmk 1995 §26 Abs1
BauG Stmk 1995 §4 Z48
BauG Stmk 1995 §4 Z58
BauG Stmk 1995 §4 Z64
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060151.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (in der Folge: LVwG) wurde u.a. die Beschwerde der Revisionswerberin als Nachbarin gegen die Erteilung einer Baubewilligung für ein näher bezeichnetes Bauvorhaben („Zu‑ und Umbau M[...]gasse 5“) in G. nach Durchführung mündlicher Verhandlungen unter Vornahme einer näher ausgeführten Spruchmodifizierung als unbegründet abgewiesen (I.) und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei (III.).

5 In den Revisionszulässigkeitsgründen der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird zusammengefasst vorgebracht, das LVwG habe die Frage, ob gegenständlich ein Neubau oder ein Um‑ und Zubau vorliege, in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen (wird näher ausgeführt). Das angefochtene Erkenntnis stehe weiters im Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 2001, 98/06/0186, wonach mit dem Abbruch wesentlicher Teile eines alten Gebäudes eine bis dahin bestehende Baubewilligung untergehe. Das Erkenntnis weiche außerdem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, „da das Verwaltungsgericht das Gesetz nicht anwendete“; hinsichtlich des Erdgeschoßes des gegenständlichen Gebäudes mit einer Geschoßhöhe von 3,68 m wäre § 13 Abs. 6 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) anzuwenden gewesen.

6 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern ‑ diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 29.7.2021, Ra 2021/06/0113, 4.5.2021, Ra 2021/06/0069, 17.12.2020, Ra 2018/06/0139 bis 0161 oder auch 24.3.2022, Ra 2020/05/0081, jeweils mwN).

7 Die Frage, ob ein konkretes Bauvorhaben als Neu-, Zu- oder Umbau zu qualifizieren ist, betrifft Beurteilungen des Einzelfalles. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung könnten in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn die diesbezügliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 3.2.2021, Ra 2021/05/0006, bzw. sinngemäß auch 22.2.2021, Ra 2021/05/0018, 19.4.2021, Ra 2021/05/0053 oder 11.1.2022, Ra 2021/05/0182, jeweils mwN).

8 Im Revisionsfall setzte sich das LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausführlich damit auseinander, aus welchen Gründen es fallbezogen davon ausging, dass gegenständlich kein Neubau vorliege. Dem dazu erstatteten Zulässigkeitsvorbringen der Revision ‑ das der Sache nach Revisionsgründe darstellt ‑ ist zwar zu entnehmen, dass die Revisionswerberin sich der Beurteilung des LVwG nicht anschließt; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG wird damit aber nicht angesprochen. Entgegen der diesbezüglichen Behauptung wird auch nicht aufgezeigt, dass die einzelfallbezogene Beurteilung des LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Vor dem Hintergrund des konkreten Einreichprojektes, das einen Abbruch wesentlicher Teile des auf dem Baugrundstück bestehenden Bestandsgebäudes im Sinne der von der Revisionswerberin angesprochenen Rechtsprechung nicht vorsieht, ist für den Verwaltungsgerichtshof eine unvertretbare Beurteilung des LVwG in diesem Zusammenhang auch nicht erkennbar.

9 Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. nochmals etwa VwGH 3.2.2021, Ra 2021/05/0006 oder 19.4.2021, Ra 2021/05/0053, jeweils mwN).

10 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass betreffend die Frage, ob ein Zubau (Ausbau und Erweiterung) oder ein Neubau vorliegt, gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG ein Nachbarrecht nicht eingeräumt ist (vgl. VwGH 22.7.2021, Ra 2018/06/0317, mwN).

11 Soweit in den Zulässigkeitsgründen darüber hinaus ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, da hinsichtlich des Erdgeschoßes § 13 Abs. 6 Stmk. BauG anzuwenden gewesen wäre, verkennt die Revision, dass nach den vorliegenden Einreichplänen die Außenhaut des bestehenden Erdgeschoßes durch das revisionsgegenständliche Projekt nicht verändert wird und daher nicht verfahrensgegenständlich ist, weshalb die Anwendung der genannten Gesetzesbestimmung schon aus diesem Grund ausscheidet. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits vielfach ausgesprochen, dass es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist (vgl. für viele etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2022/06/0013, mwN). Dass für die durch das vorliegende Projekt unberührten Teile des Bestandsgebäudes eine aufrechte Baubewilligung nicht vorliege, bringt die Revision nicht vor.

12 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2022

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