Normen
FlVfLG Vlbg 1979 §35 Abs2
FlVfLG Vlbg 1979 §73 Abs3 litd
FlVfLG Vlbg 1979 §82 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070065.L00
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es sich gegen die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der Vorarlberger Landesregierung vom 25. September 2020 richtet, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (betreffend Spruchpunkte II. bis V. des Bescheides der Vorarlberger Landesregierung vom 25. September 2020) wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei ist nach ihrer Satzung eine Agrargemeinschaft nach dem Vorarlberger Flurverfassungsgesetz (FlVG), deren Sitz und agrargemeinschaftlichen Grundstücke sich in der Vorarlberger Gemeinde N befinden. Der Revisionswerber ist Mitglied der mitbeteiligten Agrargemeinschaft (in der Folge: Agrargemeinschaft). Deren Statuten (Satzungen) lauten auszugsweise:
„§ 7 Die [Agrargemeinschaft] verwaltet ihre Angelegenheiten durch die Vollversammlung, den Alpvorstand, den Alpmeister.
§ 8 Die Vollversammlung
1. Die Rechte der Mitglieder werden in der Vollversammlung ausgeübt, an der alle Mitglieder teilnahmeberechtigt sind. Der Vollversammlung steht die oberste Aufsicht in allen Angelegenheiten der [Agrargemeinschaft] zu.
2. und 3. [...]
§ 9
1. [...]
2. Die Vollversammlung wird vom Alpmeister oder dessen Stellvertreter einberufen. Die Einberufung erfolgt unter Bekanntgabe der Tagesordnung (Traktanden) mindestens drei Wochen vor dem Termin durch schriftliche Verständigung der Mitglieder (Brief oder E‑Mail). [...] Datum, Ort und Uhrzeit der Versammlung werden vom Alpmeister festgelegt.
3. [...]
4. Vollversammlungen, die weder Statutenänderungen noch die Auflösung der [Agragemeinschaft] vorsehen, sind bei statutengemäßer Einberufung unter Anwesenheit von mindestens einem Viertel der Mitglieder beschlussfähig.
[...]
§ 10
1. Den Vorsitz in der Vollversammlung führt der Alpmeister oder sein Stellvertreter. [...]
2. [...]
3. Wahl der Stimmenzähler und die Abstimmung über den Abstimmungs- bzw. Wahlmodus werden durch Handerheben nach Köpfen durchgeführt. Alle weiteren Wahlen und Abstimmungen werden vorbehaltlich Abs. 4 nach Weiderechten, schriftlich und geheim durchgeführt. [...]
4. Auf Antrag des Alpmeisters dürfen Wahlen und Abstimmungen in einer Vollversammlung offen durch Handerheben nach Köpfen ohne Rücksicht auf die Anzahl der vertretenen Weiderechte durchgeführt werden, sofern kein Versammlungsteilnehmer das Vorgehen gem. Abs. 3 verlangt. [...]
5. [...]“
2 Die Vollversammlung der Agrargemeinschaft beschloss im Jahr 2019 den Neubau einer Almhütte. Im Mai 2020 teilte der Alpmeister der Agrargemeinschaft den Mitgliedern schriftlich mit, „aufgrund der Corona-Pandemie“ könne die nach den Statuten vorgesehene Vollversammlung für das Jahr 2019 nicht durchgeführt werden. Die Abstimmung über die anstehenden Beschlüsse werde daher in einem „Zirkularbeschluss“ erfolgen. Dazu würden vom Vorstand diverse Anträge, über die in dieser Form abgestimmt werden solle, gestellt.
Diese unter einem mitgeteilten Anträge betrafen insbesondere die Neuwahl von Amtsträgern ‑ insbesondere des Alpmeisters und der anderen Mitglieder des Alpvorstandes ‑, die Entlastung der bisherigen Amtsträger, die Zustimmung zur Jahresabrechnung für 2019, die Kenntnisnahme des Jahresberichts und die Festlegung von Frondiensttagen der Mitglieder sowie die Verwendung eines auf einem Bankkonto vorhandenen Guthabens für den Bau der neuen Almhütte. Weiters wurde beantragt, die Mitglieder sollten jeweils 1.000 Schweizer Franken (CHF) pro Alprecht für den Bau der Almhütte beitragen sowie ‑ falls dieser Betrag für die zu tragenden Kosten nicht ausreichen sollte ‑ für den Fehlbetrag bis zu einer Höhe von insgesamt 102.000 CHF die Finanzierung übernehmen.
Mit dem Schreiben übermittelt wurde ein Formular für einen Umlaufbeschluss (Zirkularbeschluss). Dazu wurde mitgeteilt, auf dem Formular solle von den Mitgliedern durch Ankreuzen die Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zu den einzelnen Anträgen zum Ausdruck gebracht, das Formular mit dem eigenen Namen versehen, dieses unterschrieben und bis Ende Mai 2020 per Post oder mit E‑Mail an näher genannte Anschriften des Alpmeisters oder eines zweiten namentlich bezeichneten Amtsträgers der Agrargemeinschaft verschickt werden.
3 Der Revisionswerber retournierte sein Abstimmungsformular mit dem Hinweis, dass diese Vorgehensweise nicht den Statuten entspreche. Insbesondere werde dem Erfordernis, die Abstimmung geheim durchzuführen, nicht entsprochen. Ungeachtet dessen teilte die Agrargemeinschaft mit Schreiben vom 15. Juni 2020 den Mitgliedern mit, dass die Anträge im Umlauf alle mit Mehrheit angenommen worden seien.
4 Daraufhin richtete der Revisionswerber am 22. Juni 2020 ein Schreiben an die Vorarlberger Landesregierung, in der er die Behörde aufforderte, ihre gesetzlichen Überwachungsbefugnisse gegenüber der Agrargemeinschaft wahrzunehmen (Aufsichtsbeschwerde), und geltend machte, die im Umlauf gefassten Beschlüsse seien nicht entsprechend der Satzung zustande gekommen. Weiters wandte sich der Revisionswerber gegen andere Handlungen der Organe der Agrargemeinschaft aus den Vorjahren betreffend die Verteilung von Subventionen, die die Agrargemeinschaft für Weiderechte erhalten hatte, sowie betreffend Schenkungen von Weiderechten und die Vergabe eines Auftrages für Reparaturen an einer Hirtenunterkunft.
5 Mit Bescheid vom 25. September 2020 stellte die Vorarlberger Landesregierung fest, dass „die Vollversammlung 2019 [der Agrargemeinschaft] formgerecht durchgeführt“ worden sei und wies die Aufsichtsbeschwerde des Revisionswerbers insoweit als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Auch hinsichtlich der weiteren Beanstandungen des Revisionswerbers gab die Vorarlberger Landesregierung der Aufsichtsbeschwerde keine Folge (Spruchpunkt II. bis IV.) und stellte fest, dass diese Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Z 1 Agrarverfahrensgesetz von Abgaben und Gebühren befreit sei (Spruchpunkt V.).
6 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die dagegen gerichtete Beschwerde mit ‑ im Revisionsverfahren nicht maßgeblichen, die Spruchpunkte II. und III betreffenden Maßgaben ‑ als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
7 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des (unstrittigen) Sachverhalts zusammengefasst aus, die Aufsichtsbehörde sei im Sinn von § 35 Abs. 2 FlVG zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern zuständig. Ein Eingriff der Aufsichtsbehörde in die Selbstverwaltung der Agrargemeinschaft sei aber nur bei krassen Verstößen möglich. Es entspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass grobe, demokratischen Gepflogenheiten zuwiderlaufende Unzulänglichkeiten ‑ etwa bei einer Wahl ‑ grundsätzlich geeignet sein könnten, eine Verletzung der Mitgliedschaftsrechte darzustellen. Im vorliegenden Fall liege eine Minderheitenbeschwerde vor, mit der der Revisionswerber im Ergebnis zunächst geltend mache, dass er durch die im Umlaufweg gefassten Beschlüsse in seinen Rechten verletzt werde. Die Möglichkeit zur Abstimmung in dieser Form ‑ etwa auch zur Durchführung von Wahlen ‑ ergebe sich nicht aus der Satzung der Agrargemeinschaft. Die COVID‑19‑Pandemie habe jedoch in Österreich sowie auch in Liechtenstein, wo alle Mitglieder der Agrargemeinschaft wohnhaft seien, ab März 2020 dazu geführt, dass die Möglichkeit zu Zusammenkünften beschränkt worden sei. Dadurch sei es auch den Mitgliedern der Agrargemeinschaft verunmöglicht worden, sich zu einer Vollversammlung gemeinschaftlich zu versammeln. Es habe sich insoweit um höhere Gewalt gehandelt. Vor dem Hintergrund dieser besonderen Umstände sei nicht zu erkennen, dass die im konkreten Fall gewählte Vorgangsweise im Sinn der Judikatur grob demokratischen Gepflogenheiten zuwidergelaufen wäre. Daran ändere auch nichts, dass erst zum 31. Dezember 2020 durch den Landesgesetzgeber in § 112 FlVG die Möglichkeit der Beschlussfassung der Agrargemeinschaften im Umlaufweg oder mittels Videokonferenz normiert worden sei. Insoweit sei die Beschwerde daher abzuweisen gewesen. Soweit der Revisionswerber sich gegen die Verwendung von Subventionen für Weiderechte und gegen die Behandlung von Schenkungen von Weiderechten wende, stehe ihm (aus näher dargestellten Gründen) keine Minderheitenbeschwerde zu, sodass die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides vom 25. September 2020 zurückzuweisen gewesen sei. Hinsichtlich des ebenfalls gerügten Auftrags für Reparaturen einer Hirtenunterkunft (Spruchpunkt IV. des Bescheides) sei die Vorgehensweise der Organe der Agrargemeinschaft nachträglich durch einen Beschluss der Vollversammlung saniert worden, sodass die Beschwerde insoweit abzuweisen sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis in seinem gesamten Umfang richtet sich die (außerordentliche) Revision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof brachten die Vorarlberger Landesregierung und die mitbeteiligte Partei Revisionsbeantwortungen ein, in der sie beantragten, der Revision keine Folge zu geben. Zu den Revisionsbeantwortungen erstattete der Revisionswerber eine Äußerung.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu vor, ob die Fassung von Beschlüssen von Agrargemeinschaften ‑ insbesondere im Zusammenhang mit der Covid‑19‑Pandemie ‑ im Umlauf zulässig sei. Dabei sei auch zu beachten, dass bei der konkret gewählten Vorgehensweise die Abstimmung entgegen der Satzung nicht geheim erfolgt sei.
Zu I. (teilweise Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses):
11 Die Revision ist, soweit sie die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der Vorarlberger Landesregierung vom 25. September 2020 betrifft, zulässig und berechtigt.
12 Gemäß § 35 Abs. 1 FlVG hat die Behörde die Agrargemeinschaften zu überwachen. Die Überwachung erstreckt sich auf die Beobachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes durch die Gemeinschaft und auf die Einhaltung der Satzungen. Nach § 35 Abs. 2 FlVG entscheidet die Behörde über Streitigkeiten, die zwischen Anteilsberechtigten an Agrargemeinschaften oder zwischen den Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen.
13 Nach § 73 Abs. 3 lit d. FlVG haben die Satzungen der Agrargemeinschaften insbesondere Bestimmungen über den Wirkungskreis der Vollversammlung, die Art ihrer Einberufung, ihre Beschlussfähigkeit, die Fassung, Gültigkeit, Verlautbarung und den Vollzug der Beschlüsse zu enthalten.
14 Die die Agrargemeinschaften regelnden gesetzlichen Vorschriften und die darauf gegründeten Rechtsakte, insbesondere die Satzungen, enthalten zum einen Bestimmungen über die materiellen Rechte eines Mitglieds einer Agrargemeinschaft, insbesondere über die aus der Agrargemeinschaft erfließenden Nutzungen. Zum anderen beinhalten sie auch Regelungen formeller Art, die das Mitgliedschaftsverhältnis gestalten, wie z.B. die der Wahl der Organe einer Agrargemeinschaft oder die Voraussetzungen der Einberufung einer außerordentlichen Vollversammlung. Wenn die Einhaltung dieser Bestimmungen durch ein Organ der Agrargemeinschaft verweigert und dies von anderen Mitgliedern der Agrargemeinschaft vergeblich eingefordert wird, liegt eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis vor, für deren Entscheidung nach § 35 Abs. 2 FlVG die Behörde ‑ somit die Landesregierung (vgl. § 82 Abs. 1 FlVG) ‑ zuständig ist (vgl. zur insoweit übertragbaren Rechtslage nach dem StAgrGG 1985 VwGH 14.9.2021, Ra 2019/07/0046, mwN; vgl. idS auch zu § 35 Abs. 2 FlVG VwGH 17.5.2001, 97/07/0216).
15 Im vorliegenden Fall enthält die behördlich genehmigte Satzung der Agrargemeinschaft ‑ entsprechend der Anordnung des § 73 Abs. 3 lit d. FlVG ‑ Regelungen insbesondere über den Wirkungskreis der Vollversammlung und deren Beschlussfassung. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Streitigkeit, ob die im Mai 2020 durchgeführte Abstimmung der Mitglieder der Agrargemeinschaft diesen Vorgaben entsprochen hat, im dargestellten Sinn eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis darstellt.
16 Der Revisionswerber hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Abstimmung geheim durchzuführen gewesen wäre. § 10 Abs. 3 zweiter Satzung der Satzung sieht nämlich ‑ von der Wahl der Stimmenzähler und die Abstimmung über den Abstimmungs- bzw. Wahlmodus abgesehen ‑ die geheime Abstimmung als Regelfall vor. Davon kann nach § 10 Abs. 4 der Satzung auf Antrag des Obmanns nur dann abgegangen werden, wenn kein Widerspruch eines Versammlungsteilnehmers erfolgt. Bei der gewählten Form der Abstimmung im Umlauf, bei der die ausgefüllten Stimmzettel unterschrieben und namentlich bezeichnet an zwei Amtsträger der Agrargemeinschaft geschickt werden sollten, war die Geheimhaltung nicht gewahrt. Unter Beachtung, dass der Revisionswerber anlässlich der Übermittlung des Abstimmungsformulars eine geheime Abstimmung gefordert hat, lagen aber die Voraussetzungen einer offenen Abstimmung nicht vor.
17 Es trifft im Sinn der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Vorschriften in Satzungen ‑ insbesondere auch von Agrargemeinschaften ‑ im Zusammenhang mit dem rechtsgültigen Zustandekommen von Beschlüssen zwischen bloßen Ordnungsvorschriften und Vorschriften, deren Verletzung eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte einzelner Mitglieder nach sich ziehen kann, unterscheidet. Dieser Rechtsprechung liegt die Überlegung zu Grunde, dass nur die Verletzung solcher Vorschriften der Organisation einer der behördlichen Aufsicht unterworfenen Körperschaft ‑ hier einer Agrargemeinschaft nach dem FlVG ‑ die Aufhebung von Beschlüssen nach sich ziehen soll, wenn vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der verletzten Vorschrift eine Verletzung materieller Rechte desjenigen nicht ausgeschlossen werden kann, der die Verletzung geltend macht. Eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit ist zu verneinen, wenn entweder die verletzte Norm dem Schutz der Mitgliedschaftsrechte nicht dient oder die Rechtsposition des Mitglieds im Fall des Unterbleibens des unterlaufenen Verstoßes gegen die Satzungen keine andere geworden wäre (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen weiteren Hinweisen VwGH 13.12.2018, Ro 2018/07/0048, mwN).
18 Das Erfordernis, die Abstimmungen im Sinn von § 10 Abs. 3 und 4 der Satzung auf Verlangen eines Mitglieds geheim durchzuführen, kann nicht als bloße Ordnungsvorschrift in diesem Sinn angesehen werden. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse der Beschlussfassung bei einer nicht offen durchgeführten Abstimmung anders ausgefallen wären. Durch die Missachtung der Forderung des Revisionswerbers wurde er daher in seinen subjektiven Rechten als Mitglied verletzt. Dies wäre aufgrund der Minderheitenbeschwerde aufzugreifen gewesen.
19 Davon ausgehend bedarf es keines Eingehens darauf, dass die Abstimmung entgegen der Satzung im Umlaufweg durchgeführt wurde und kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtswidrigkeit dieser Vorgehensweise vor dem Hintergrund der im Frühling 2020 aufgrund der Covid‑19‑Pandemie bestehenden Situation sowie des Umstandes, dass kein Mitglied einer Abstimmung im Umlauf widersprochen hat, von der Aufsichtsbehörde aufzugreifen gewesen wäre.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 25. September 2020, der die ‑ entgegen dem Widerspruch des Revisionswerbers offen durchgeführte - Beschlussfassung der Mitglieder im Umlauf betraf, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Zu II. (teilweise Zurückweisung der Revision):
22 In Fällen, in denen die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte aufweist, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbaren Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (etwa vom Verwaltungsgericht bestätigten) erstinstanzlichen Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. VwGH 14.6.2022, Ra 2020/09/0034 und 0035, mwN). Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0399, mwN).
23 Im vorliegenden Fall betreffen die Spruchpunkte II. bis V. im Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 25. September 2020 Beanstandungen von Handlungen der Agrargemeinschaft, die mit der im Spruchpunkt I. angesprochenen Beschlussfassung der Mitglieder im Umlaufweg in keinem Zusammenhang standen. Es lagen daher im dargestellten Sinn trennbare Spruchpunkte vor. Die Zulässigkeit der Revision ist daher insoweit getrennt zu prüfen.
24 Von der revisionswerbenden Partei wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis V. des Bescheides kein Vorbringen zur Zulässigkeit erstattet. Es werden in dieser Hinsicht somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war insoweit daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 16. November 2022
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