Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021010015.J00
Spruch:
Der Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat den Mitbeteiligten zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Erstmitbeteiligte beantragte am 3. Juli 2020 die Ausstellung der Geburtsurkunde betreffend die am 4. Juni 2020 geborene Drittmitbeteiligte „mit automatisierter Auflistung beider Eltern“ (als Mutter die Zweitmitbeteiligte und als Vater den Erstmitbeteiligten) in der Geburtsurkunde, „ohne die Abgabe der Anerkennung der Vaterschaft (ABGB § 145)“. Mit Schriftsatz vom 19. August 2020 traten die Zweit‑ und die Drittmitbeteiligte diesem Antrag bei und beantragten gemeinsam mit dem Erstmitbeteiligten die Ausstellung einer Geburtsurkunde sowie eines Staatsbürgerschaftsnachweises, worin jeweils 1. der Erstmitbeteiligte als Vater angeführt werde und 2. der Familienname der Drittmitbeteiligten auf jenen des Erstmitbeteiligten laute.
2 Mit Bescheid vom 30. September 2020 wies die belangte Behörde, der Magistrat der Stadt Wien (der Amtsrevisionswerber; in der Folge: Magistrat), gemäß §§ 11, 12, 35 Abs. 6 des Personenstandsgesetzes 2013 (PStG 2013) iVm §§ 144 und 155 ABGB die Anträge der Mitbeteiligten
„1) auf Eintragung des Erstantragstellers als Vater der am 4.6.2020 in Wien geborenen Drittantragstellerin in das Zentrale Personenstandsregister (ZPR) und
2) ... auf Eintragung des Familiennamens ‚...‘ als Familienname der Drittantragstellerin und
3) in Folge Ausstellung der Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis und Meldebestätigung mit diesen Daten“
ab.
3 Begründend führte der Magistrat aus, der Erstmitbeteiligte sei entgegen dessen Rechtsvorbringen nicht ex lege Vater der Drittmitbeteiligten. Die Anwendung des § 43 Abs. 1 Z 27 Eingetragene Partnerschaft‑Gesetz (EPG) setze die Klärung der Abstammung des Kindes voraus und diese Bestimmung könne daher nicht für die Beurteilung der Abstammungsregelungen des § 144 ABGB herangezogen werden. Die Feststellung der Abstammung der Drittmitbeteiligten vom Erstmitbeteiligten könnte gemäß § 144 Abs. 1 Z 2 ABGB mittels Vaterschaftsanerkenntnis erfolgen. Vorliegend habe der Erstmitbeteiligte jedoch bis dato keine Anerkennung der Vaterschaft vorgenommen, weshalb der Magistrat ihn nicht als Vater der Drittmitbeteiligten im ZPR eingetragen habe. Da der Erstmitbeteiligte nicht mit der Obsorge betraut sei, sei dessen namensrechtliche Erklärung betreffend die Drittmitbeteiligte auf den Familiennamen des Erstmitbeteiligten nicht wirksam geworden. Mangels Feststellung der Vaterschaft des Erstmitbeteiligten könne auch die Zweitmitbeteiligte keine solche Erklärung auf den Familiennamen des Erstmitbeteiligten rechtswirksam abgeben. Der Familienname des Erstmitbeteiligten könne daher nicht als Familienname der Drittmitbeteiligten bestimmt werden. Die Ausstellung der Urkunden mit den verfahrensgegenständlichen Daten sei eine Folge der Eintragungen im ZPR und könne daher nicht antragsgemäß erfolgen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der Beschwerde der Mitbeteiligten gemäß § 28 VwGVG, §§ 144, 155 f und 177 ABGB, §§ 11, 12, 35 und 54 PStG 2013 sowie § 43 EPG statt, hob den Bescheid des Magistrats auf, stellte fest, dass die beantragten Eintragungen zu erfolgen hätten und die entsprechenden Urkunden auszustellen seien (Spruchpunkt I.), und sprach aus, dass eine ordentliche Revision zulässig sei (Spruchpunkt II.).
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Erst‑ und die Zweitmitbeteiligte lebten in einer eingetragenen Partnerschaft. Beide seien die Eltern der am 4. Juni 2020 geborenen Drittmitbeteiligten.
Es gebe keine Bestimmung, die im Fall einer eingetragenen Partnerschaft die Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses bzw. die Behandlung eines gemeinsamen Kindes aus einer eingetragenen Partnerschaft wie ein uneheliches Kind ausdrücklich anordne. Vielmehr könne § 144 Abs. 1 Z 1 ABGB sinngemäß auf eingetragene Partner übertragen werden. Aus § 43 Abs. 1 Z 27 EPG ergebe sich, dass die eingetragenen Partner im gegenständlichen Zusammenhang wie Eheleute zu behandeln seien. Die für uneheliche Kinder geltenden Vorgaben seien vorliegend nicht anzuwenden.
Für die gegenständlichen Anträge kämen somit „die §§ 144, 155 f und 177 ABGB in der Form zur Anwendung, dass die Antragsteller wie ein verheiratetes Paar mit ehelichem Kind, das zwei ex lege obsorgeberechtigte Elternteile“ habe, zu behandeln seien. Ein förmliches Vaterschaftsanerkenntnis sei nicht erforderlich. Keinesfalls seien die für uneheliche Kinder normierten Vorgaben maßgeblich, weil § 43 Abs. 1 Z 27 EPG ansonsten keinerlei Anwendungsbereich hätte.
Die Anträge der Mitbeteiligten seien daher berechtigt, der angefochtene Bescheid somit aufzuheben und festzustellen, dass gemäß §§ 11, 12, 35 Abs. 6 und § 54 Abs. 1 PStG 2013 ein Anspruch auf die begehrten Eintragungen und auf die Ausstellung der beantragten Urkunden bestehe. Der Magistrat habe nun die beantragten Eintragungen vorzunehmen und die Urkunden mit den entsprechenden Eintragungen auszufolgen.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht lediglich mit fehlender „Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer vergleichbaren (Beschwerde‑)Konstellation“ und ergänzte dazu einschränkend, dass angesichts „der dargestellten Erwägungen ... die Rechtslage allerdings bereits aufgrund des Gesetzeswortlautes klar zu sein“ scheine.
6 Dagegen richtet sich die Amtsrevision des Magistrats mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses. Die Mitbeteiligten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Amtsrevision gegen Aufwandersatz.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Mit dem bloß allgemeinen Hinweis des Verwaltungsgerichts auf fehlende Rechtsprechung „zu einer vergleichbaren (Beschwerde‑)Konstellation“ wird keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt. Es wird nämlich nicht dargelegt, welche konkrete, auf den Revisionsfall bezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu beantworten wäre (vgl. VwGH 30.3.2022, Ro 2022/01/0004, Rn. 15; 5.9.2018, Ra 2017/12/0118, Rn. 24; 20.12.2017, Ro 2016/10/0021, Rn. 10; 23.9.2014, Ro 2014/01/0033, jeweils mwN).
11 Sofern der Revisionswerber der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet, hat er auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B‑VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen (vgl. etwa VwGH 30.3.2022, Ro 2022/01/0004, Rn. 18, mwN).
12 Die vorliegende Amtsrevision enthält jedoch überhaupt kein gesondertes Zulässigkeitsvorbringen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof ist aber weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. wiederum VwGH Ro 2022/01/0004, Rn. 20, mwN).
14 Da somit weder in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in der Amtsrevision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, erweist sich die Amtsrevision als nicht zulässig und war diese daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
15 Mangels Überschreiten der Zulässigkeitsschwelle war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, die Frage der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses wegen mangelnder Wahrnehmung der Unzuständigkeit des Magistrats der Stadt Wien zur Entscheidung über Personenstandsangelegenheiten (vgl. zu einem vergleichbaren Sachverhalt VwGH 11.5.2022, Ra 2022/01/0033) von Amts wegen aufzugreifen.
16 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG insbesondere auf § 49 Abs. 6 und § 51 VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Juni 2022
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