European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090040.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1960 geborene Revisionswerber war von 28. Juni bis 30. September 2019 Auslandseinsatz-Vertragsbediensteter des Österreichischen Bundeheeres und damit Soldat im Dienstverhältnis.
2 Mit Beschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (in der Folge: DK) vom 16. März 2020 wurde gegen den Revisionswerber ein Disziplinarverfahren nach § 72 Abs. 2 Z 1 Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014) wegen des Verdachts von vier näher beschriebenen Dienstpflichtverletzungen eingeleitet. Der Revisionswerber stehe im Verdacht, dadurch gegen die Bestimmung des (den Gehorsam regelnden) § 7 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 9. Jänner 1979 über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. Nr. 43/1979, verstoßen und schuldhaft Pflichtverletzungen gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 HDG 2014 begangen zu haben.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung insoweit Folge gegeben, als es das Disziplinarverfahren hinsichtlich zweier Anschuldigungspunkte gemäß § 72 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 Z 3 HDG 2014 einstellte. Im Übrigen (also hinsichtlich der Einleitung zu zwei Vorwürfen zu Tatzeitpunkten am 13. und 14. September 2019) wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
4 In seiner Begründung hielt es dem Verjährungseinwand des Revisionswerbers bezüglich der zuletzt genannten (verbleibenden) zwei Anschuldigungspunkte entgegen, dass der zuständige Einheitskommandant am 17. bzw. 18. September 2019 und damit in beiden Fällen innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 3 Abs. 1 Z 1 HDG 2014 ein Disziplinarverfahren eingeleitet habe. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2008, 2005/09/0105 (zu der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des HDG 2002), gehe zweifelsfrei hervor, dass diese Verjährungsfrist durch die rechtzeitige Einleitung eines Kommandantenverfahrens auch dann gewahrt werde, wenn dieses in der Folge aufgrund der Erstattung einer Disziplinaranzeige gemäß § 62 Abs. 4 HDG 2014 ex lege eingestellt sei, weil in einem solchen Fall ‑ wie hier ‑ von einer Kontinuität des einmal eingeleiteten Disziplinarverfahrens auszugehen sei.
5 Die daraufhin erhobene, vorliegende außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:
6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Dementsprechend erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. dazu z.B. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048; 29.9.2016, Ra 2016/05/0083).
9 In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).
10 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zudem voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2019/09/0157, mwN). In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030, mwN).
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 (HDG 2014), BGBl. I Nr. 2/2014 (WV) idF BGBl. I Nr. 58/2019, lauten (auszugsweise):
„Verjährung
§ 3. (1) Ein Verdächtiger darf wegen einer Pflichtverletzung nur bestraft werden, wenn gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde
1. innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem die Pflichtverletzung einer für den Verdächtigen in Betracht kommenden Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, und
2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung.
...
Einleitung des Verfahrens
§ 61. (1) Gelangt dem für den Verdächtigen zuständigen Disziplinarkommandanten der Verdacht einer Pflichtverletzung zur Kenntnis, so hat diese Behörde zunächst den Sachverhalt zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so hat der zuständige Disziplinarkommandant, der von diesem Sachverhalt zuerst Kenntnis erlangt hat, das Verfahren durch eine erste Verfolgungshandlung gegen den Verdächtigen einzuleiten. Die erfolgte Einleitung ist dem Beschuldigten, sofern das Verfahren nicht unmittelbar nach dieser Verfolgungshandlung eingestellt wird, unter Angabe der näheren Umstände der zugrunde liegenden Pflichtverletzung unverzüglich formlos mitzuteilen.
(2) ...
Durchführung des ordentlichen Verfahrens
§ 62. (1) ...
(2) Liegen die Voraussetzungen für das abgekürzte Verfahren nicht vor, so hat der Einheitskommandant dem Disziplinarvorgesetzten Meldung zu erstatten. In diesem Falle hat der Disziplinarvorgesetzte
1. das Disziplinarverfahren als ordentliches Verfahren durchzuführen oder
2. die Disziplinaranzeige zu erstatten, wenn bei einem Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, eine Geldstrafe oder die Entlassung oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung erforderlich erscheint. ...
(4) Wird hinsichtlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine Disziplinaranzeige erstattet, so gilt das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Erstattung dieser Anzeige als eingestellt. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte hinsichtlich einer solchen Pflichtverletzung die Einleitung eines Senatsverfahrens gegen sich selbst beantragt, ab dem Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages beim Disziplinarvorgesetzten.
...“
12 Der Revisionswerber moniert in der Zulässigkeitsbegründung der Revision unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2008, 2005/09/0105, dass dieses nicht nachvollziehbar sei. Die darin enthaltenen Ausführungen, dass es „eine ‚Kontinuität der einmal erfolgten Einleitung auch im Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission‘ gebe, wenn eine Einstellung des Kommandantenverfahrens ex lege erfolgt ist“, seien contra legem und verstießen gegen den in den Erläuterungen ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers. Überhaupt gebe es „aufgrund des eindeutigen Wortlautes der §§ 3 und 62 Abs. 4 HDG 2014 keinen Spielraum für irgendeine Interpretation“. Die angenommene „Kontinuität“ führe zu einer gleichheitswidrigen Behandlung von Disziplinarbeschuldigten. Es fehle somit eine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung.
13 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber nicht darlegt, inwiefern die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich nicht einheitlich sein soll. Er zitiert lediglich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, eine Uneinheitlichkeit kann damit nicht aufgezeigt werden und ist auch nicht ersichtlich. Der Revisionswerber behauptet außerdem nicht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt fehle oder dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG vermag der Revisionswerber mit seinem Vorbringen sohin nicht aufzuzeigen.
14 Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht in seiner Begründung zutreffend ausgeführt, bezüglich beider verfahrensgegenständlicher Anschuldigungspunkte sei innerhalb der in § 3 Abs. 1 Z 1 HDG 2014 genannten Frist von sechs Monaten (und damit rechtzeitig) ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in weiterer Folge auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2008 verwiesen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der (im Wesentlichen) gleichlautenden Bestimmung des § 61 Abs. 4 HDG 2002 geprüft, ob durch die mit Erstattung der Disziplinaranzeige ex lege eintretende Einstellung des Kommandantenverfahrens gemäß § 61 Abs. 4 HDG 2002 auch die (formlose) Einleitung des Disziplinarverfahrens vernichtet werde oder ob von einer Kontinuität der einmal erfolgten Einleitung auch im Disziplinarverfahren vor der Diszplinarkommission auszugehen sei. Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung und auf die Erläuterungen (eine Bestrafung ist nur dann zulässig, wenn „binnen der genannten Fristen irgendein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde; im Falle des § 61 Abs. 4 (automatische Formaleinstellung eines Kommandantenverfahrens wegen einer Disziplinaranzeige ...) beginnt dabei der Lauf der subjektiven Frist nicht neu“, vgl. dazu ErläutRV 1191 BlgNR 20. GP 10), ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen, dass auch im Falle des in jedem Stadium des Verfahrens zu beachtenden Ungenügens der Strafbefugnis des Einheitskommandanten, einer Anzeigeerstattung und der damit verbundenen ex‑lege‑Einstellung im Sinne des § 61 Abs. 4 HDG 2002 Kontinuität des einmal eingeleiteten Disziplinarverfahrens vorliegt.
15 Dem Verwaltungsgericht kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es sich in seiner rechtlichen Beurteilung auf dieses Erkenntnis stützt und zum Ergebnis kommt, dass auch im Revisionsfall durch die rechtzeitige Einleitung des Kommandantenverfahrens die Verjährungsfrist des § 3 Abs. 1 Z 1 HDG 2014 gewahrt wurde, wenn dieses Verfahren in Folge aufgrund der Erstattung einer Disziplinaranzeige gemäß § 62 Abs. 4 HDG 2014 ex lege als eingestellt gilt, weil von einer Kontinuität des einmal eingeleiteten Disziplinarverfahrens auszugehen ist und deshalb das Verfolgungshindernis der Verjährung nicht vorliegt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorbringen des Revisionswerbers nicht nachvollziehbar und vermag der schlüssigen Begründung des Verwaltungsgerichtes nichts entgegenzusetzen. Die Zulässigkeit der Revision kann damit nicht aufgezeigt werden.
16 Soweit der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision im Übrigen unsubstanziiert vorbringt, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, „welche Rechtswirkungen eine rechtswidrige Disziplinaranzeige entfaltet“, zumal eine solche „im gegenständlichen Verfahren dazu geführt hat, dass es zu einem Wechsel der Disziplinarbehörde kommt und dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt wird“, wird die Revision den zuvor zur Relevanz dargelegten Anforderungen an ihre Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht.
17 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 26. März 2021
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