VwGH 2005/09/0105

VwGH2005/09/010524.1.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des A S in F, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 28/II, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 7. Juni 2005, Zl. 7-DOKS/05, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
DP;
HDG 1985 §5 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs3;
HDG 1994 §5 Abs1 idF 1998/I/099;
HDG 1994 §5 Abs1;
HDG 1994 §6 Abs3;
HDG 2002 §2 Abs4;
HDG 2002 §5 Abs1;
HDG 2002 §6 Abs1;
HDG 2002 §60 Abs1;
HDG 2002 §61 Abs2 Z3;
HDG 2002 §61 Abs4;
StGB §11;
StGB §287 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BDG 1979 §93 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs1 impl;
BDG 1979 §95 Abs3 impl;
DP;
HDG 1985 §5 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs3;
HDG 1994 §5 Abs1 idF 1998/I/099;
HDG 1994 §5 Abs1;
HDG 1994 §6 Abs3;
HDG 2002 §2 Abs4;
HDG 2002 §5 Abs1;
HDG 2002 §6 Abs1;
HDG 2002 §60 Abs1;
HDG 2002 §61 Abs2 Z3;
HDG 2002 §61 Abs4;
StGB §11;
StGB §287 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Strafausspruchs wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen, das heißt hinsichtlich der Bestätigung der Schuldsprüche, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand als Unteroffizier in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. In den im Beschwerdefall relevanten Tatzeiträumen war er bei der Xkompanie/Pionierbataillon Y (XKp/PiB Y) als Kommandant einer Brückentransportgruppe eingeteilt.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 2. März 2005 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe

1. als eingeteilter Gruppenkommandant bei einem Scharfschießen des Jägerbataillons X Ende des Jahres 2000 auf dem Truppenübungsplatz A 30 Schuss scharfe Patronen für das Sturmgewehr 77 (StG 77) nach Ende des Schießens nicht abgegeben, sondern diese Munition in seiner Privattasche mit nach Hause genommen, und

2. sich in der Nacht vom 24. auf den 25. August 2003 in einen selbst verschuldeten Rauschzustand versetzt, der eine gerichtlich strafbare Tathandlung zur Folge hatte, und zwar:

3. Er habe am 25. August 2003 um ca. 3.45 Uhr den Rekruten M.K. in dessen militärischer Unterkunft in der A- Kaserne in B sexuell missbraucht, indem er während dieser schlief, ca. 15 Minuten lang an dessen Penis masturbiert habe (Unterstreichungen jener Textstellen durch den Verwaltungsgerichtshof, die von der belangten Behörde geändert wurden).

Der Beschwerdeführer habe durch die im Anschuldigungspunkt 1 umschriebenen Tathandlungen die Dienstvorschriften für das Bundesheer "Sicherheitsbestimmungen für Scharfschießen mit allen Waffen", sowie "Schießausbildung mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren" vorsätzlich nicht beachtet und damit gegen die Bestimmungen des § 44 Abs. 1 BDG 1979 (Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten), sowie durch die im Anschuldigungspunkt 2 umschriebenen Tathandlungen zumindest fahrlässig gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 BDG 1979 (allgemeine Dienstpflichten - Vertrauenswahrung) verstoßen und damit Pflichtverletzungen nach § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG 2002 begangen, weshalb die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen gewesen sei.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung unter Neufassung der Schuldsprüche (betreffend die Konkretisierung des Tatzeitpunktes auf "Ende August 2000" in Anschuldigungspunkt 1 und betreffend die Weglassung der in obiger Wiedergabe unterstrichenen Passage in Anschuldigungspunkt 2) keine Folge und beurteilte dieses Tathandlungen rechtlich dahingehend, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich des Faktums 1 durch Nichtbeachtung der Dienstvorschriften für das Bundesheer (DVBH) "Schießausbildung mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren" vorsätzlich gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 1 BDG 1979 und hinsichtlich des Faktums 2 fahrlässig gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG verstoßen und Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG 2002 begangen.

Der Kommandant der X-kompanie/Pionierbataillon Y (XKp/PiB Y) habe den Beschwerdeführer am 24. Juni 2003 zum Anschuldigungspunkt 1 einvernommen und damit eine erste Verfolgungshandlung gesetzt. Die Disziplinaranzeige hinsichtlich dieses Faktums sei vom zuständigen Disziplinarvorgesetzten des Beschwerdeführers an die Disziplinarkommission am 26. Juni 2003 erstattet worden (Einlangen am 18. Juli 2003), woraufhin diese mit Bescheid vom 11. September 2003 (rechtskräftig seit 3. Oktober 2003) das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung angeordnet habe. Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 sei der Beschwerdeführer mit Bescheid des zuständigen Disziplinarvorgesetzten vom 28. August 2003 vorläufig vom Dienst enthoben worden und mit dem darauffolgenden Tag gegen ihn die Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission erstattet worden. Diese habe mit Bescheid vom 11. September 2003 die Suspendierung des Beschwerdeführers verfügt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. April 2004, Zl. 14 Hv 183/03w, bestätigt mit Urteil des OLG Graz vom 19. November 2004, 11 Bs 253/04, sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, er habe sich am 24. und 25. August 2003 in Villach, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch dadurch, dass er am 25. August 2003 in Villach den zunächst schlafenden und in der Folge im Erwachen begriffenen M.K., mithin eine Person, die sich in einem Zustand befunden habe, der sie zum Widerstand unfähig gemacht habe, durch Masturbieren an dessen Penis zur Unzucht missbraucht habe, mithin eine Tat begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen der Schändung nach § 205 Abs. 2 StGB (i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 15/2004) zugerechnet würde. Er habe dadurch das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 StGB (§ 205 Abs. 2 StGB) begangen. Der Beschwerdeführer sei hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, davon acht Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt worden.

Nach Verständigung vom rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Strafverfahrens Ende Oktober 2004 habe die Disziplinarkommission zu diesem Faktum mit Bescheid vom 4. Februar 2005 den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss gefasst.

Auf Grund der vor ihr durchgeführten Berufungsverhandlung traf die belangte Behörde sodann folgende Feststellungen:

Hinsichtlich des Faktums 1 sei der Beschwerdeführer geständig gewesen, die Munition fahrlässig behalten zu haben. Er habe Ende August 2000 am Truppenübungsplatz A (TÜPl A) nach Errichten einer Sprengsperre für seine zehn Mann umfassende Gruppe 10 Pakete zu 30 Patronen sowie einen Kasten gegurteter MG 74 Munition beim Nachschubsunteroffizier empfangen. Am 24. Juni 2003 habe er in seiner Niederschrift als Beschuldigter angegeben, dass das Kompaniegefechtsschiessen mit Knallmunition vorgeübt worden sei. Vor der Behörde erster Instanz habe er hingegen versichert, an keiner Vorübung des Scharfschiessens mit Knallmunition teilgenommen zu haben.

Während der Truppenübung habe ihn ein Anruf seiner Schwester erreicht, dass es dem Vater, der im Krankenhaus gelegen sei, sehr schlecht gehe und mit dem nahen Tod zu rechnen sei.

Beim gefechtsmäßigen Beziehen eines nahen Verfügungsraumes habe der Beschwerdeführer die 10 Päckchen Munition im Handschuhfach eines LKWs 12M18 verwahrt. Die Munitionskiste habe er in den Fußraum dieses Fahrzeuges gestellt. Im Verfügungsraum habe er die StG 77 Munition verteilt und bemerkt, dass er um 30 Schuss zuviel ausgefasst habe. Über diesen Umstand habe er sich geärgert und die überzählige Munition im Außenfach seiner GWD-Tragetasche, welche im versperrten Führerhaus des LKW gelegen sei, verstaut. In dieser Tasche hätten sich ein Paar trockene Feldschuhe und Ersatzkleidung befunden. Von der Möglichkeit, die Munition in seinem Kampfanzug zu versorgen, habe er keinen Gebrauch gemacht. Während des Sonderschiessens der Truppenübung sei der Beschwerdeführer einerseits Sicherheitsgehilfe, andererseits taktisch führender Kommandant gewesen. Sein vorgesetzter Zugskommandant und Sicherheitsoffizier habe sich unmittelbar hinter seinen Stellungen befunden. Diesem hätte er während der Schießpausen den Umstand der überzähligen Munition melden können. Nach Beendigung des Schießens habe der Beschwerdeführer seiner Gruppe befohlen, die Sicherheit bei den Handfeuerwaffen und beim Maschinengewehr herzustellen, und sei anschließend in den Verfügungsraum zurückgekehrt. Zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Woche habe der Beschwerdeführer der erwähnten Tasche die Ersatzkleidung und die Feldschuhe entnommen, sodass die Tasche mit Ausnahme des Patronenpäckchens (Gewicht ca. 0,40 kg) leer gewesen sei. Nach Ende der Übung sei der Beschwerdeführer in seine Wohnung gefahren und habe die Tasche unter seine Stereoanlage geworfen, wo sie für ca. 2 Jahre verblieben sei. Sein Vater sei Anfang September 2000 verstorben.

Hinsichtlich des Verjährungseinwandes werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 7. Oktober 2002 während einer Dienstverrichtung am X-berg "wahrscheinlich von seiner Dienstelle" in Kenntnis gesetzt worden sei, dass er sich unverzüglich nach Klagenfurt zu begeben und sich in der S2-Abteilung (militärische Sicherheitsbelange) des MilKdo Kärnten zu melden habe. Der Einheitskommandant habe zu diesem Zeitpunkt an der Heeresversorgungsschule einen Kurs besucht, aber angegeben, dass es nicht unüblich sei, Mitarbeiter ohne Wissen des Kommandanten in das MilKdo zu zitieren. Er habe erstmals durch ein Schreiben des MilKdo Mitte März 2003 Kenntnis vom begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer erhalten und in der Folge die notwendigen disziplinären Schritte veranlasst.

Hinsichtlich des Faktums 2 stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei wegen der im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis bezeichneten Tathandlung strafgerichtlich verurteilt worden. Zu den dienstlichen Leistungen des Beschwerdeführers befragt, hätten die befragten Kollegen und Kaderangehörigen übereinstimmend angegeben, dass seine dienstlichen Leistungen gut bis sehr gut gewesen seien, dennoch eine erfolgreiche Wiederintegration in seine Einheit nicht vorstellbar sei. Weiters hätten die Befragten den korrekten Umgang des Beschwerdeführers mit jungen Rekruten während der Dienstzeit bestätigt, wobei es nach dem Dienst aufgrund der gemeinsamen Betreuungseinrichtung (Soldatenheim) gezwungener Maßen zu einer vermehrten Kontaktaufnahme mit den unterstellten und rangniedrigeren Soldaten gekommen sei. Den nach der Tat im Kameradenkreis aufgekommenen Gerüchten über homoerotische Neigungen des Beschwerdeführers sei keine Bedeutung beigemessen worden.

Der Beschwerdeführer befinde sich zur Zeit in psychotherapeutischer Behandlung; bezughabende Dokumente habe er der Behörde erster Instanz vorgelegt.

Diesen Sachverhalt würdigte die belangte Behörde nach ausführlicher Darstellung der Rechtslage wie folgt:

Zur Frage der behaupteten Verfolgungsverjährung hinsichtlich des Faktums 1 sei davon auszugehen, dass die Tathandlung der Zurückbehaltung und Nichtabgabe der 30 Stück Stahlmantelpatronen StG 77, Kaliber 5,56 mm, Ende August 2000 stattgefunden habe. Dieser Umstand sei nach umfangreichen Erhebungen des disziplinär unzuständigen Militärkommandos Kärnten der zuständigen Disziplinarbehörde erster Instanz, nämlich dem Einheitskommandanten der XKp/PiB Y, "nach dem 12. März 2003" zur Kenntnis gebracht worden. Im Hinblick auf den Tatzeitpunkt Ende August 2000 liege daher keine Verfolgungsverjährung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 HDG 2002 vor.

Ebenso liege keine Verfolgungsverjährung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 HDG 2002 vor, da vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die zuständige Disziplinarbehörde erster Instanz (Mitte März 2003) bis zur ersten Verfolgungshandlung (Niederschrift mit dem Beschwerdeführer als Beschuldigten am 24. Juni 2003) lediglich ca. drei Monate verstrichen seien. Mit Erstattung der Disziplinaranzeige durch den Disziplinarvorgesetzten am 26. Juni 2003 gelte gemäß § 61 Abs. 4 HDG 2002 das Kommandantenverfahren ab diesem Zeitpunkt als eingestellt und die Zuständigkeit gehe auf die Disziplinarkommission über. Die vom Einheitskommandanten innerhalb offener Frist gesetzte Verfolgungshandlung bleibe aber als Einleitungshandlung auch im weiteren Verlauf des Kommissionsverfahrens bestehen. Damit sei das berufungsgegenständliche Verfahren nicht der Verfolgungsverjährung unterlegen.

Zur Frage der hinsichtlich der im Anschuldigungspunkt 1 bezeichneten Tat als vorliegend angenommenen Verschuldensform des Vorsatzes sei davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer als ausgebildeter Berufsunteroffizier und eingeteilter Sicherheitsgehilfe um die Sicherheitsbestimmungen vor, während und nach dem Schießen Bescheid gewusst habe. Ebenso sei ihm bewusst gewesen, dass das Zurückhalten von Munition und Munitionsteilen den Verdacht einer Pflichtverletzung in sich berge. Als Pionierunteroffizier sei er bereits oftmals als Teilnehmer und Funktionsträger bei Scharfschießübungen eingeteilt gewesen. Seiner Verantwortung, er habe die Tat, bedingt durch Stress und das bevorstehende Ableben seines Vaters, lediglich fahrlässig begangen, habe nicht gefolgt werden können, da gerade durch die militärische Formaldisziplin die bezughabenden Verfahrensabläufe eine sich bei jedem Schießen ständig wiederholende Situation darstellten, die bei Kadersoldaten in Fleisch und Blut übergehe und damit "allgegenwärtig" werde. Insbesondere sei bemerkenswert gewesen, dass sich der Beschwerdeführer geärgert habe, als er bemerkt habe, zuviel Munition ausgefasst zu haben. Er habe den Überbestand auch nicht in seinem Kampfanzug, der aufgrund seiner Funktionalität eine Fülle von geeigneten Verwahrungsmöglichkeiten aufweise, oder im abschließbaren Handschuhfach des LKWs verwahrt, sondern trotz Stress den Weg zum (privaten) Fahrzeug in Kauf genommen und die Munition in seiner Tasche deponiert. Er habe auch die Möglichkeit der Meldung und Abgabe der Munition an den Sicherheitsoffizier, welcher sich während des Schießens in unmittelbarer Nähe befunden habe, nicht wahrgenommen, obwohl er auch nach der von ihm an die unterstellten Soldaten erteilten Sicherheitsüberprüfung und -belehrung an seine zurückbehaltene Munition gedacht haben müsse. Obwohl er noch vier Tage bei der Truppenübung verblieben sei und auch während dieser Zeit noch die Gelegenheit zur Abgabe gehabt hätte, habe er diese nicht wahrgenommen. Es erscheine insgesamt nicht glaubwürdig, dass er im gesamten Zeitraum kein einziges Mal die Munition im Außenfach seiner Tasche wahrgenommen haben solle. Auch der Widerspruch in seinen Angaben bezüglich der Teilnahme an einer Vorübung des Kompaniegefechtsschießens mit Knallmunition lasse die Konstruiertheit seiner Verantwortung erkennen, die mit dem tatsächlichen Geschehen und den Erfahrungen des militärischen Dienstbetriebs nicht in Einklang zu bringen sei. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass er die Tat vorsätzlich begangen habe.

Der Erlass des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 1. Dezember 1995, GZ 43960/0006-4.6/95 (richtig: GZ 43690/0006- 4.6/95) regle die Bestimmungen über die ordnungsgemäße 'Handhabung, Verwaltung und Rücklieferung von Mun-Leer- und Altmaterial'. Die Dienstvorschrift für das Bundesheer (DVBH) "Schießausbildung mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren" ordne in der Randziffer 271 an, dass der Leitende nach dem Scharfschießen auf die Straffälligkeit des Zurückbehaltens von Munition hinzuweisen habe. Im Verlautbarungsblatt 166. Folge, Nr. 149, Abschnitt E, werde besonders auf die disziplinären und strafrechtlichen Folgen des Besitzes von Munition hingewiesen. Diese Verwaltungsvorschriften hätte der Beschwerdeführer bei Ausübung seiner Tätigkeit als taktischer Kommandant und Sicherheitsgehilfe beim "tatgegenständlichen" Scharfschießen des JgB 17 Ende August 2000 strengstens beachten müssen. Stattdessen habe er widerrechtlich 30 Stück s- Patronen Kaliber 5,56 mm zurückbehalten und vorsätzlich eine Pflichtverletzung gem. § 2 (1) HDG 2002 begangen.

Zum Anschuldigungspunkt 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sei lediglich das Vorliegen eines disziplinären Überhanges zu prüfen gewesen. Der Bejahung eines solchen durch die Behörde erster Instanz schließe sich auch die belangte Behörde an. Der disziplinäre Überhang ergebe sich aus der Verpflichtung des Soldaten zur Wahrung des Vertrauens in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Obliegenheiten gegenüber Dritten. Auf den gegenständlichen Fall bezogen, setzte die belangte Behörde nach Wiedergabe der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zur Frage des allgemeinen Dienstbezuges außerdienstlichen Verhaltens fort, der Beschwerdeführer habe sich außer Dienst durch sein fahrlässiges Verhalten bis zur Zurechnungsunfähigkeit berauscht. Er habe dadurch dem Vorurteil der Allgemeinheit Vorschub geleistet, dass beim österreichischen Bundesheer vom Kaderpersonal aufgrund des "negativen und alkoholträchtigen Freizeitverhaltens" die nachfolgende Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zweitrangig beurteilt werde und die Dienstverrichtung in einem durch Restalkohol beeinträchtigenden Zustand nicht unüblich sei. Gerade als Verantwortlicher für den Aufbau der "Brücke X" beim Außendienst sei es unerlässlich, gestützt auf das Vertrauen in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, das Freizeitverhalten diesen Anforderungen entsprechend zu steuern. Auch angesichts der Tatsache, dass die im Bundesheer dienenden Soldaten ihr Freizeitverhalten frei wählen könnten und eine Alkoholisierung in der dienstfreien Zeit prinzipiell keine Pflichtverletzung darstelle, sei der verfahrensgegenständliche Vollrausch in der Tragweite der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung disziplinär von Bedeutung. Durch den Trunkenheitsexzess des Beschwerdeführers verliere die Bevölkerung das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung als Vorgesetzter in einer Pioniereinheit, die bekanntermaßen bei elementaren Naturereignissen als erster Ansprechpartner der zivilen Gewalt der Not leidenden Bevölkerung Unterstützung gewähre. Das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die treue Pflichterfüllung als Vorgesetzter und Pionierunteroffizier sei wegen des Trunkenheitsexzesses nicht mehr im vollem Umfang gegeben "und gefährde" die Sicherheit der auszubildenden Rekruten, sowie die Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung innerhalb des PiB Y. Dadurch habe der Beschwerdeführer fahrlässig gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten -Vertrauenswahrung) verstoßen und eine Pflichtverletzung gem. § 2 (1) HDG 2002 begangen.

Zur Schwere der Pflichtverletzung (gemeint: im Bezug auf beide Anschuldigungspunkte) führte die belangte Behörde aus, ein Soldat und Kaderangehöriger des Österreichischen Bundesheeres, der die besonderen Verhältnisse einer Schießausbildung ausnütze und dessen "zumindest teilweises zügelloses Freizeitverhalten" in Verbindung mit der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung innerhalb der Kaserne in Zusammenhang zu bringen sei, beeinträchtige das Vertrauen der Allgemeinheit und der Dienstvorgesetzten in die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in einem unerträglichen Maß. Er gefährde durch die ihm vorgeworfenen Handlungen das Arbeitsklima innerhalb des Verbandes und beeinträchtige in massiver Weise das notwendige Vertrauen der ihm unterstellten Soldaten, welches für die Erfüllung des Auftrages seines Organisationselementes eine unabdingbare Notwendigkeit im Hinblick auf den Erfolg des militärischen Einsatzes darstelle. Durch die "Inkaufnahme der Nichterfüllung seines Auftrages als Gruppenkommandant und der moralischen Einsatzbereitschaft der ihm unterstellten Soldaten", die er auch durch vorbildhaftes und untadeliges Verhalten in der Freizeit zu führen gehabt hätte, habe sich der Beschwerdeführer als Kadersoldat und Vertrauensperson disqualifiziert. Ein Soldat, der in der Bevölkerung als Garant für Schutz und Hilfe und mit den rechtlichen geschützten Werten verbunden gelte, schädige durch die vorgeworfenen Taten das Ansehen der Beamtenschaft im Allgemeinen und des Unteroffizierskorps im Bundesheer im Besonderen.

Die schuldhafte Verletzung seiner Pflicht zur Vertrauenswahrung deute darauf hin, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht zuverlässig gewesen sei. Durch die zur Last gelegten Pflichtverletzungen habe der Beschwerdeführer erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er zu den Tatzeitpunkten gegenüber der ihn treffenden Treueverpflichtung, gemessen an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Unteroffiziers, in diesen Fällen eine zumindest gleichgültige, wenn nicht ablehnende Einstellung gehabt habe. Die Folgen (Schädigung des Ansehens, Beeinträchtigung von Eignungs- und Vertrauenswürdigkeit als Unteroffizier u. dgl.) seien erheblich und ließen bezweifeln, dass eine "Verbindung zu rechtlich geschützten Werten" bestehe. Das "triebhafte Handeln zum Nachteil des PiB Y" stelle ein unwürdiges Verhalten dar, durch das nicht nur das Ansehen des Beschwerdeführers, sondern auch des österreichischen Bundesheeres im Allgemeinen herabgesetzt worden sei. In Ansehung der Tragweite der begangenen Pflichtverletzungen komme vor allem der Generalprävention hohe Bedeutung zu. Durch die Bestrafung solle dokumentiert werden, dass "diese Art der Begehung von Pflichtverletzungen keine Kavaliersdelikte, sondern nicht zu tolerierende, systemwidrige und -schädigende Verhaltensweisen" seien. Als mildernd wertete die belangte Behörde die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, seinen bisherigen Lebenswandel, sein bisheriges gutes dienstliches Verhalten, sein reumütiges Tatsachengeständnis und seine Bereitschaft, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.

Erschwerend wirke die Begehung zweier Dienstpflichtverletzungen.

Zur gewählten Disziplinarstrafe der Entlassung führte die belangte Behörde aus, es sei den untergebenen Rekruten und deren "naturgemäß besorgten" Eltern nicht zuzumuten, mit einem Vorgesetzten, der massive Mängel in der Selbstbeherrschung aufweise, zusammen zu arbeiten und in einem hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnis hilflos ausgeliefert zu sein. Dieses schädliche Freizeitverhalten, beginnend beim Trunkenheitsexzess bis zur Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung in der militärischen Unterkunft, damit im innersten dienstlichen Bereich des militärischen Alltags, sei mit der schärfsten Disziplinarstrafe zu sanktionieren, um den Täter von der Begehung gleichartiger Pflichtverletzungen abzuhalten. Der Beschwerdeführer sei für den öffentlichen Dienst untragbar geworden. Die verhängte Strafe trage sowohl den spezial- als auch den generalpräventiven Zielsetzungen des Disziplinarrechts Rechnung. Darüber hinaus werde dadurch sichergestellt, dass der Beschwerdeführer in absehbarer Zeit im Bereich des Österreichischen Bundesheeres keinen höheren Dienstgrad als Rekrut tragen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer - wie schon zuvor im Verwaltungsverfahren - hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 Verfolgungsverjährung geltend.

Nach § 2 Abs. 1 Z. 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. I Nr. 167/2002 (HDG 2002) sind Soldaten wegen Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 3 Abs. 1 HDG 2002 darf ein Verdächtiger wegen einer Pflichtverletzung nur bestraft werden, wenn gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde

1. innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem die Pflichtverletzung einer für den Verdächtigen in Betracht kommenden Disziplinarbehörde erster Instanz zur Kenntnis gelangt ist, und

2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf ein Beschuldigter wegen einer Pflichtverletzung nur innerhalb von drei Jahren nach Einleitung des Verfahrens bestraft werden. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt.

Abs. 3 dieser Bestimmung sieht vor, dass dann, wenn der Sachverhalt, der einer Pflichtverletzung zugrunde liegt, zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat und die strafrechtliche Verjährungsfrist nach den §§ 57 und 58 StGB für diesen Sachverhalt später als die Dreijahresfrist nach Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 endet, an die Stelle dieser Frist die strafrechtliche Verjährungsfrist tritt. In diesen Fällen ist die Halbjahresfrist nach Abs. 1 Z 1 nicht anzuwenden.

Nach Abs. 4 Z. 5 dieser Bestimmung wird der Lauf der Fristen nach den Abs. 1 bis 3 für die Dauer eines bei Gericht anhängigen Strafverfahrens gehemmt.

Gemäß § 60 Abs. 1 HDG 2002 hat, wenn dem für den Verdächtigen zuständigen Einheitskommandanten der Verdacht einer Pflichtverletzung zur Kenntnis gelangt, diese Behörde zunächst den Sachverhalt zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so hat der Einheitskommandant das Verfahren durch eine erste Verfolgungshandlung gegen den Verdächtigen einzuleiten. Die erfolgte Einleitung ist dem Beschuldigten, sofern das Verfahren nicht unmittelbar nach dieser Verfolgungshandlung eingestellt wird, unter Angabe der näheren Umstände der zugrunde liegenden Pflichtverletzung unverzüglich formlos mitzuteilen.

Gemäß § 61 Abs. 1 HDG 2002 sind dem Beschuldigten, wenn er das Vorliegen einer schuldhaft begangenen Pflichtverletzung bestreitet, die Erhebungsergebnisse vorzuhalten und, sofern es sich als notwendig erweist, ergänzende Erhebungen zur Überprüfung seiner Rechtfertigung durchzuführen. Eine mündliche Verhandlung ist durchzuführen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint. Die Disziplinarbehörde darf aus ihrem Zuständigkeitsbereich erforderliche Hilfskräfte zu einer solchen Verhandlung beiziehen. Findet keine mündliche Verhandlung statt, so ist das Ermittlungsverfahren schriftlich durchzuführen.

Nach Abs. 2 leg. cit. hat der Einheitskommandant, wenn sich während des Verfahrens seine Strafbefugnis zunächst als zu gering erweist, dem Disziplinarvorgesetzten Meldung zu erstatten. In diesem Falle hat der Disziplinarvorgesetzte

  1. 1. das Disziplinarverfahren selbst durchzuführen oder
  2. 2. den Einheitskommandanten mit der Durchführung des Disziplinarverfahrens zu beauftragen, wenn dessen Strafbefugnis ausreicht, oder

    3. die Disziplinaranzeige zu erstatten, wenn bei einem Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, eine Geldstrafe oder die Entlassung oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung erforderlich ist.

    Im Falle der Z 2 ist der Einheitskommandant zur Durchführung des Disziplinarverfahrens verpflichtet.

    Nach § 61 Abs. 3 HDG 2002 ist das Verfahren in erster Instanz formlos, in zweiter Instanz im Wege der Berufungsentscheidung einzustellen, wenn

    1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder

    2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder

  1. 3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
  2. 4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.

    Wurde einem Beschuldigten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bereits mitgeteilt, so ist ihm auch die formlose Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf den Einstellungsgrund nach Z 1 bis 4 mitzuteilen.

    Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt das Verfahren (das Kommandantenverfahren) ab dem Zeitpunkt der Erstattung dieser Anzeige als eingestellt, wenn hinsichtlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine Disziplinaranzeige erstattet wird. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte hinsichtlich einer solchen Pflichtverletzung die Einleitung eines Kommissionsverfahrens gegen sich selbst beantragt, ab dem Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages beim Disziplinarvorgesetzten.

    Nach Abs. 5 dieser Bestimmung ist, wenn das Disziplinarverfahren nicht eingestellt wird, ein Disziplinarerkenntnis zu fällen.

    Die sechsmonatige Frist des § 3 Abs. 1 Z. 1 HDG 2002 beginnt mit jenem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die in Betracht kommende Disziplinarbehörde erster Instanz von der Dienstpflichtverletzung Kenntnis erlangt. Gemäß § 12 Abs. 1 erster Satz HDG 2002 sind die Einheitskommandanten als jene Offiziere, denen der Befehl über eine Einheit übertragen ist, Disziplinarbehörde gegenüber den ihrer Befehlsgewalt unterstellten Soldaten. Im Beschwerdefall übermittelte das Militärkommando Kärnten, welches offenkundig die dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Dienstpflichtverletzung nicht als so schwerwiegend erachtete, dass es die Möglichkeit eines Kommandantenverfahrens von vornherein als ausgeschlossen erachtete, die zu Faktum 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses erhobene Sachverhaltsdarstellung am 12. März 2003 nicht der Disziplinarkommission, sondern direkt dem Einheitskommandanten der X-Jägerbrigade, zu welcher das Pionierbataillon Y gehört. In der von diesem sodann am 24. Juni 2003 durchgeführten Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten wurde er mit den (zu Spruchpunkt 1) gegen ihn erhobenen Vorwürfen im Einzelnen konfrontiert, womit für ihn ferner zweifelsfrei erkennbar war, welche konkrete Dienstpflichtverletzung ihm zum Vorwurf gemacht wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt war es dem Beschwerdeführer daher auch möglich, alle Einwendungen dagegen zu erheben und die seinen Rechtsschutz betreffenden Vorkehrungen zu treffen. Damit stellt sich diese am 24. Juni 2003 durch den Einheitskommandanten erfolgte Beschuldigtenvernehmung als erste Verfolgungshandlung im Sinne des § 60 Abs. 1 erster Satz HDG 2002 dar. Durch die Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten war aber auch der Pflicht zur - an keine Form gebundenen - Mitteilung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in § 60 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. Genüge getan. Mit der (formlosen) Einleitung des Disziplinarverfahrens (als Kommandantenverfahren) und der (ebenso formlosen) Mitteilung darüber lag somit bereits eine verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung vor.

    Im vorliegenden Fall erwies sich bereits nach der Beschuldigteneinvernahme des Beschwerdeführers die Strafbefugnis des Einheitskommandanten als zu gering, weshalb bereits am 26. Juni 2003 gemäß § 61 Abs. 2 Z. 3 HDG 2002 die Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission erstattet wurde. Mit diesem Verfahrenschritt erfolgte ex lege auch die formlose Einstellung des Kommandantenverfahrens gemäß § 61 Abs. 4 HDG 2002.

    Zur weiteren Beurteilung des Verjährungseinwandes war des weiteren zu prüfen, ob durch die mit der Erstattung der Disziplinaranzeige ex lege eintretende Einstellung des Kommandantenverfahrens gemäß § 61 Abs. 4 HDG 2002 auch die (formlose) Einleitung des Disziplinarverfahrens vernichtet wurde oder von einer Kontinuität der einmal erfolgten Einleitung auch im Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission auszugehen ist. Dies kann aus der Entstehungsgeschichte und den Erläuterungen beantwortet werden. Nach dem HDG 1985 war das Kommandantenverfahren im Falle der Erstattung einer Disziplinaranzeige einzustellen. Das wurde im HDG 1994 "aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung" in eine ex-lege-Einstellung verwandelt, in die ausdrücklich auch der Fall des vom Beschuldigten selbst beantragten Kommissionsverfahrens einbezogen wurde. Mit der Novelle 1998 wurde die subjektive Verjährungsfrist von einem Jahr auf sechs Monate herabgesetzt und die Strafbarkeitsverjährung neu eingeführt. In den Erläuterungen dazu wurde die geltende Rechtslage dahingehend umschrieben, dass es zur "Wahrung der subjektiven Verjährungsfrist" nur nötig sei, dass "irgendein Disziplinarverfahren" eingeleitet wurde, im Falle der "automatischen Formaleinstellung" gemäß § 61 Abs. 4 beginne "der Lauf der subjektiven Frist nicht neu". Davon ausgehend liegt auch im Falle des in jedem Stadium des Verfahrens zu beachtenden Ungenügens der Strafbefugnis des Einheitskommandanten, einer Anzeigeerstattung und der damit verbundenen ex-lege-Einstellung im Sinne des § 61 Abs. 4 HDG 2002 Kontinuität des einmal eingeleiteten Disziplinarverfahrens vor. Die anlässlich der Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers am 24. Juni 2003 gesetzte erste Verfolgungshandlung wahrte daher auch im vorliegenden, auf Grund der Disziplinaranzeige des Einheitskommandanten durchgeführten Kommissionsverfahren die Verjährungsfrist. Der - das Faktum 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses betreffende - Verjährungseinwand des Beschwerdeführers besteht somit nicht zu Recht.

    2. Der Beschwerdeführer wendet sich hinsichtlich des Faktums 1 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses auch gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde mit der Behauptung, allein aus der faktischen Handlung des Beschwerdeführers lasse sich ein Vorsatz nicht ableiten, tatsächlich habe er die Munitionsrückgabe "vergessen".

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, und etwa das Erkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl. 96/09/0013) obliegt dem Verwaltungsgerichtshof in Ansehung der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung nur insoweit eine nachprüfende Kontrolle, als die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber dahin, ob ein Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, dass eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht. Allein durch die gegenteilige Darstellung der Geschehnisse zeigt die Beschwerde relevante, vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Mängel der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf. Die auf Grund einer umfangreichen und im Einzelnen auf die Verantwortung des Beschwerdeführers Bezug nehmenden nachvollziehbaren Beweiswürdigung und eines mangelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen halten daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand.

    3. Der Beschwerdeführer bestreitet in Bezug auf das Faktum 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses - schon im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung - das Vorliegens eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) nicht, meint aber, zu Unrecht habe die belangte Behörde von der Beiziehung eines Sachverständigen für Psychiatrie abgesehen, durch dessen Gutachten sich ergeben hätte, dass bei ihm "keine Tendenz zu Alkoholmissbrauch und auch keine Tendenz zu sexuellem Fehlverhalten im Sinne des beschriebenen Tatgeschehens" vorliege und daher spezialpräventive Überlegungen den Ausspruch der Entlassung nicht hätten rechtfertigen können.

    Gemäß § 5 Abs. 1 HDG 2002 ist von der disziplinären Verfolgung abzusehen, wenn eine gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlung zugleich eine Pflichtverletzung darstellt und

  1. 1. dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und
  2. 2. der Pflichtverletzung ausschließlich der für einen gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestand maßgebende Sachverhalt zugrunde liegt.

    Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteiles zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Diese Behörde darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht im Urteil als nicht erwiesen angenommen hat.

    Gemäß § 6 Abs. 1 HDG 2002 ist das Maß für die Höhe einer Disziplinarstrafe die Schwere der Pflichtverletzung. Dabei ist unter Bedachtnahme auf frühere Pflichtverletzungen, die in einem Führungsblatt festgehalten sind, darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken. Darüber hinaus sind zu berücksichtigen

    1. die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Umstände und

    2. die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten.

    Was den Strafausspruch anlangt, so ist zunächst auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, zu verweisen, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof mit Fragen der Bemessung von Disziplinarstrafen nach § 93 Abs. 1 sowie - in den Fällen des Zusammentreffens mit gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen - § 95 Abs. 3 BDG 1979 auseinandergesetzt hat. Den Ausführungen in diesem Erkenntnis, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, kommt insoweit, als die Rechtslage nach dem HDG 2002 sich von derjenigen nach dem BDG 1979 nicht maßgeblich unterscheidet, auch für die Bemessung von Disziplinarstrafen nach dem HDG 2002 Bedeutung zu. Dies gilt vor allem für die Abkehr von Bemessungsgesichtspunkten, die der Sache nach noch auf die Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, zurückgehen, für die Beurteilung der "Schwere" der Pflichtverletzung an Hand des Maßstabs der Tatschuld, für die Notwendigkeit der Einbeziehung aller geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Strafbemessungsgründe nach dem Strafgesetzbuch, für die Ausführungen zur "Untragbarkeit" und für das Erfordernis der im Gesetz - ausnahmslos - angeordneten Bedachtnahme auf Gesichtspunkte der Prävention bei der Bemessung der Disziplinarstrafe im Rahmen des Tatschuldangemessenen. Ein Unterschied besteht hier im Wesentlichen nur darin, dass in die zuletzt erwähnte Bedachtnahme nach der ausdrücklichen Anordnung in § 6 Abs. 1 HDG 2002 auch Gesichtspunkte der Generalprävention einzubeziehen sind (vgl. dazu die - unmittelbar allerdings auf § 5 Abs. 1 und nicht auf § 6 Abs. 1 HDG 1985 bezogenen - Ausführungen in der Regierungsvorlage zum HDG 1985, 369 BlgNR XVI. GP 32).

    In Bezug auf die Regelung des Zusammentreffens mit gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen unterscheidet sich das HDG 2002 grundsätzlich von den diesbezüglichen Vorschriften des BDG 1979. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der zusätzlichen disziplinären Verfolgung sind in § 5 Abs. 1 HDG 2002 (wie schon in den entsprechenden Bestimmungen des HDG 1985 und des HDG 1994, insbesondere nach der Novelle BGBl. I Nr. 99/1998) anders gestaltet als in § 95 Abs. 1 BDG 1979, und anstelle der streng an Erfordernissen der Spezialprävention orientierten Vorschrift des § 95 Abs. 3 BDG 1979 enthielten § 6 Abs. 3 HDG 1985 und § 6 Abs. 3 HDG 1994 - unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung zum BDG 1979 - nur mehr die bloße Anordnung einer Bedachtnahme auf die schon verhängte gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe bei der Bemessung der Disziplinarstrafe (vgl. 369 BlgNR XVI. GP 32). Mit der Novelle BGBl. I Nr. 99/1998 wurde dies als unbestimmte und überflüssige Vorschrift "aus Gründen der Entlastung des Gesetzestextes ersatzlos" gestrichen (vgl. 1191 BlgNR XX. GP 11), sodass ein Gegenstück zu der im Erkenntnis vom 14. November 2007 u.a. behandelten Bestimmung des § 95 Abs. 3 BDG 1979 nun zur Gänze fehlt.

    Die belangte Behörde hätte - unter den erwähnten Gesichtspunkten - einerseits zu begründen gehabt, dass die von ihr bestätigte Entlassung des Beschwerdeführers der Tatschuld angemessen sei und den nach dem Strafgesetzbuch maßgebenden Strafbemessungsgründen Rechnung trage. Andererseits wäre darauf einzugehen gewesen, weshalb die Entlassung des Beschwerdeführers erforderlich sei, um ihn von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abzuhalten oder Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.

    Die Ausführungen der belangten Behörde zur Begründung ihrer Strafbemessung orientieren sich demgegenüber vor allem an mit dem hg. Erkenntnis vom 14. November 2007 nicht aufrechterhaltener Vorjudikatur zur "Untragbarkeit" als vorrangigem Gesichtspunkt zur Rechtfertigung der - als "Maßnahme" verstandenen - Entlassung. Insoweit darüber hinaus die Schwere vor allem der zweiten, mit erheblichen Folgen verbundenen Pflichtverletzung des Beschwerdeführers hervorgehoben wird, fehlt eine Auseinandersetzung mit der für die Gewichtung der Tatschuld nicht unwesentlichen Frage, ob die Möglichkeit eines so gravierenden Fehlverhaltens im Zustand der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Berauschung - von dem es in der Berufung heißt, es sei für den Beschwerdeführer "nicht vorstellbar" gewesen - für ihn erkennbar sein konnte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die im Strafgesetzbuch verankerte, mit besonderen Rechtsproblemen verbundene Konstruktion der "Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung" dem HDG 2002 fremd ist, wohingegen das Gesetz in § 2 Abs. 4 das Schuldprinzip hervorhebt und u.a. § 11 StGB für anwendbar erklärt. Daraus ergibt sich, dass primär darauf abzustellen ist, welchen Vorwurf die Herbeiführung der Berauschung selbst den konkreten Umständen nach begründet (vgl. in diesem Zusammenhang auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3 (2003) 32).

    Zur Frage der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Entlassung fehlt - insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen disziplinären Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und seiner als mildernd gewerteten Bereitschaft, sich einer Behandlung zu unterziehen - im angefochtenen Bescheid eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob bei Verhängung einer weniger strengen Disziplinarstrafe mit weiteren Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers zu rechen wäre.

    Zur Generalprävention heißt es im angefochtenen Bescheid, ihr komme "in Ansehung der Tragweite der begangenen Pflichtverletzungen" (gemeint offenbar vor allem: der zweiten) "hohe Bedeutung zu". Im Gesamtzusammenhang der Ausführungen der belangten Behörde entsteht jedoch der Eindruck, es gehe dabei um die Wiederherstellung des durch die Folgen der Berauschung des Beschwerdeführers beeinträchtigten Ansehens des Bundesheeres. Dass es tatsächlich geboten sei, den Beschwerdeführer zu entlassen, um andere Angehörige des Bundesheeres von allenfalls sogar gleichartigen Pflichtverletzungen abzuhalten, kommt in der Begründung des angefochtenen Bescheides - in der die Vermutung übertriebenen Alkoholkonsums bei Angehörigen des Bundesheers an einer Stelle als "Vorurteil" beschrieben wird - nicht zum Ausdruck.

    Hinzu kommt, dass die belangte Behörde auch davon abgesehen hat, auf die ausführliche Bekämpfung der Strafbemessung in der Berufung, in der u.a. geltend gemacht wird, die verhängte Strafe sei aus näher dargestellten Gründen weder spezial- noch generalpräventiv erforderlich, konkret einzugehen.

    Der angefochtene Bescheid war daher im Strafausspruch - in vorrangiger Wahrnehmung der Verkennung der nach dem Gesetz für die Strafbemessung maßgeblichen Gesichtspunkte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 24. Jänner 2008

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