Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §39 Abs2 Z6
VwGVG 2014 §24 Abs4
WaffG 1996 §12 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030016.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht ‑ durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ‑ über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot; die Revision wurde für unzulässig erklärt.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:
Der (über zwei Schusswaffen der Kategorie B und über eine Langwaffe verfügende) Revisionswerber habe nach dem Konsum einer Flasche Wein am 4. Mai 2019 von ca. 21:25 Uhr bis 22:23 Uhr mit einem ‑ 52 cm langen ‑ Montiereisen insgesamt 18 Glasscheiben im Wohnhaus seiner Eltern eingeschlagen und zudem mit der Spitze des Montiereisens die Blechfassade der dortigen Betriebshalle durchbohrt.
Seine Eltern und seine Schwester hätten sich im Zimmer der Schwester im Obergeschoß verbarrikadiert und aus Angst um ihr Leben die Polizei zu Hilfe gerufen.
Erst durch die Festnahme des Revisionswerbers unter Einsatz von Handfesseln sei diesem Verhalten Einhalt geboten worden. Die Waffen des Revisionswerbers hätten sich während des Vorfalls im Obergeschoß des Hauses befunden.
Auslöser des Vorfalls sei ein jahrelanger Familienstreit gewesen. Der Revisionswerber neige zu Wutausbrüchen und habe sich bereits in der Vergangenheit aggressiv verhalten, wobei sich diese Aggressionen kontinuierlich gesteigert hätten. Bei Wutausbrüchen habe der Revisionswerber bereits Gegenstände seiner Eltern zerstört. Er hätte seine Eltern in der Vergangenheit mit Telefonanrufen terrorisiert und seinem an Krebs erkrankten Vater SMS, in denen er ihm den Tod wünsche oder drohe, mit ihm „abzurechnen“, geschickt. Insbesondere seine Mutter fürchte sich vor ihm.
3 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht einleitend aus, „der entscheidungsrelevante Sachverhalt“ ergebe sich „im Wesentlichen schon aus der Aktenlage“. Der Revisionswerber habe „keinerlei akzeptable Erklärung“ für den gegenständlichen Vorfall angeboten. Er habe die Intensität seiner Wutausbrüche in der Vergangenheit, die geschilderten (früheren) diversen Sachbeschädigungen, die Tatsache, dass er bei dem Vorfall nur durch den Polizeieinsatz gestoppt worden sei und dass sich seine Eltern und seine Schwester in Todesangst verbarrikadiert hätten, nicht in Abrede gestellt; er habe auch nicht geleugnet, dass er seine Eltern telefonisch terrorisiert bzw. die geschilderten SMS an den Vater geschickt habe und dass seine Mutter verängstigt sei. Auch dass sich die Schusswaffen im Haus befunden hätten, sei von ihm nicht bestritten worden.
Erklärend habe der Revisionswerber lediglich ausgeführt, dass es sich um einen jahrelangen Familienstreit, der von seinen Eltern und seiner Schwester intentiös aufgebauscht werde, handle. Insofern er Tatsachen geschildert habe, die „ihn zur negativen Einstellung seinen Eltern gegenüber geführt“ hätten, sei nicht schlüssig nachvollziehbar, dass diese ‑ selbst „wenn sie der Wahrheit entsprechen würden, was allerdings bezweifelt“ werde ‑ „zu derartigen Ausbrüchen führen könnten“.
Das vom Revisionswerber beigebrachte „Klinisch‑psychologische Gutachten“ des Wiener Humaninstitutes vom 9. Juli 2020 weise weder eine ausführliche Befundaufnahme noch ein Gutachten im engeren Sinn aus und nehme auch nicht auf die Vorfälle vom 4. Mai 2019 Bezug.
4 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach einer Darstellung der maßgebenden Rechtslage fallbezogen im Wesentlichen aus, der vorliegende Sachverhalt biete klare Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Tatsachen iSd. § 12 Abs. 1 WaffG: Das „systematische Zerstörungswerk“ am Haus der Eltern des Revisionswerbers, das erst nach ca. einer Stunde durch einschreitende Polizeibeamte beendet worden sei, weise „eine ‑ in die Privatsphäre und das persönliche Sicherheitsgefühl der im Haus Befindlichen massiv einschneidende ‑ kriminelle Energie“ aus, die ihresgleichen suche. Dabei sei unerheblich, dass der Revisionswerber keine Waffe, sondern ein 52 cm langes Montiereisen verwendet habe, weil dessen Einsatz gegenüber Menschen ebenfalls zu letalen Folgen hätte führen können. Schon die Aktion vom 4. Mai 2019 würde (auch isoliert betrachtet) die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen.
Hinzu kämen „weitere Elemente, die ein ungünstiges Licht auf die persönliche Konstitution“ des Revisionswerbers werfen würden. Im Zuge des sich steigernden Familienstreites sei der Revisionswerber in Wutausbrüche und Zerstörungsakte verfallen und habe seine Eltern u.a. mit Telefonterror überzogen. Beispiellose Aggression und Menschenverachtung spiegle sich in jener SMS, mit der der Revisionswerber seinem Vater den frühen Tod gewünscht hätte, nachdem er von dessen Krebserkrankung erfahren habe. Auch habe er angekündigt, mit seinem Vater „abzurechnen“. Es handle sich hierbei nicht um einen „herkömmlichen Familienstreit“.
Die beim Revisionswerber vorliegenden Umstände seien daher klar als bestimmte Tatsachen zu erkennen, die die Annahme rechtfertigen, der Revisionswerber könnte durch das missbräuchliche Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Es sei daher der Tatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG erfüllt.
5 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt schon aus der Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch das Beschwerdevorbringen ergeben habe und somit lediglich Rechtsfragen zu klären gewesen seien. Im Übrigen stehe dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.
6 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu beurteilen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab noch fehle es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es lägen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst zunächst geltend, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege schon deshalb vor, weil das Verwaltungsgericht entgegen § 25a VwGG jegliche „Revision“ (und damit sowohl eine ordentliche wie auch eine außerordentliche) für unzulässig erklärt und sich auch nicht auf Art. 133 Abs. 4 B‑VG bezogen habe. Zudem stelle die Begründung der Nichtzulassung der Revision nicht auf den konkreten Einzelfall ab, sondern werde lediglich pauschal ausgeführt.
12 Dem ist lediglich Folgendes zu entgegnen: Selbst wenn am Inhalt des Ausspruchs über die Revisionszulässigkeit Zweifel bestehen sollten, geht doch aus der diesfalls heranzuziehenden Begründung (vgl. insoweit VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0722) klar hervor, dass das Verwaltungsgericht ‑ wie von § 25a Abs. 1 VwGG gefordert ‑ über die Zulässigkeit der „Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG“ abgesprochen und diese verneint hat. Abgesehen davon kann auch eine bloß formelhafte Begründung für sich genommen nicht zur Zulässigkeit der Revision führen (vgl. etwa VwGH 13.12.2019, Ra 2019/08/0164).
13 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision macht weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 24 VwGVG und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgesehen. So habe es ‑ trotz des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und trotz des auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Amtswegigkeitsgrundsatzes ‑ einzelne Feststellungen auf schriftlich vorliegenden Zeugenaussagen der Eltern und der Schwester des Revisionswerbers gestützt und es unterlassen, sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Beteiligten zu verschaffen. Es sei der Sachverhalt keineswegs unstrittig, vielmehr stünden die Feststellungen ‑ etwa zur Frage der Terrorisierung der Angehörigen des Revisionswerbers durch diesen, seiner menschenverachtenden Verhaltensweisen und zum Ausgangspunkt der Aggressionshandlungen ‑ „teilweise in diametralem Gegensatz“ zum Tatsachenvorbringen des Revisionswerbers. Zudem widerspreche das Absehen von der Verhandlung auch Art. 6 EMRK, weil durch die Verhängung des Waffenverbotes in zivilrechtliche Ansprüche eingegriffen werde und eine mittelbare Beweisaufnahme nach Art. 6 EMRK nicht zulässig sei.
14 Auch mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte:
15 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen.
16 Danach ist ‑ zusammengefasst ‑ für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
17 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl. zum Ganzen auch VwGH 3.2.2021, Ra 2020/03/0137).
18 Das Verwaltungsgericht hat das Waffenverbot im Wesentlichen auf den ‑ erst durch das Einschreiten der Polizei beendeten ‑ Vorfall vom 4. Mai 2019 (systematisches Zerschlagen von Glasscheiben und weitere Sachbeschädigungen am Haus der Eltern des Revisionswerbers durch diesen) gestützt, der allein schon die Verhängung des Waffenverbots rechtfertige.
19 Mit dieser Beurteilung bewegt sich das Verwaltungsgericht innerhalb der durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner gefestigten Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt bereits festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann (vgl. etwa VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN). Ebenfalls können Gewalt gegen Sachen oder verbale Attacken die Verhängung eines Waffenverbotes rechtfertigen (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/03/0152, mwN).
20 Rechtfertigt aber schon der genannte ‑ in der Beschwerde vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellte ‑ Vorfall die verhängte Maßnahme, begründet die Nichtdurchführung der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung keinen relevanten Verfahrensmangel und kann demgemäß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht belegen:
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG unter Bedachtnahme auf Rechtsprechung des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts‑ oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. VwGH 28.1.2021, Ra 2020/03/0138, und VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066, beide mwN ‑ auch aus der Rechtsprechung des EGMR).
22 Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung den vom Revisionswerber insoweit unbestritten belassenen Vorfall vom 4. Mai 2019 zu Grunde gelegt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt stand insoweit fest und es konnten diesbezüglich weder Fragen seiner Ergänzung noch Fragen der Beweiswürdigung auftreten, weil weiteren Elementen, zu deren „Aufarbeitung“ und verlässlichen Feststellung allenfalls eine mündliche Verhandlung erforderlich gewesen wäre (wie etwa die Hintergründe bzw. Ausgangspunkte des „Familienstreits“ oder frühere Verhaltensweisen des Revisionswerbers und seiner Angehörigen), keine entscheidende Bedeutung zukam.
23 Bei Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage konnte sich das Verwaltungsgericht daher auf bestehende Rechtsprechung stützen; weitere (relevante) Rechts‑ oder Tatfragen wurden vom Revisionswerber nicht aufgeworfen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nach § 24 Abs. 4 VwGVG im vorliegenden Fall unvertretbar gewesen sei.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. April 2021
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