Normen
WaffG 1996 §12 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030117.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht ‑ durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ‑ über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:
3 Der ‑ „eine hohe Waffenaffinität“ aufweisende ‑ Revisionswerber habe bis zu deren Abnahme am 30. April 2019 über drei (grundsätzlich ordnungsgemäß verwahrte) Jagdwaffen verfügt. Über ihn sei schon im Jahr 1999 wegen illegalen Besitzes von Kriegsmaterial (einer Maschinenpistole) ein Waffenverbot verhängt, im Jahr 2003 aber wieder aufgehoben worden. Im Jahr 2015 habe sich der Revisionswerber veranlasst gesehen, die Ehre seiner Frau in einem Handgemenge zu verteidigen, was ihm als „einzig logische Bewältigung“ der Situation erschienen sei; der Vorfall habe zu einem Strafverfahren geführt, das diversionell beendet worden sei.
4 Anlass für die Verhängung des Waffenverbots sei der Vorfall vom 19. April 2019 gewesen, als der Revisionswerber im Zuge eines eskalierenden Streits mit seiner Ehefrau diese brachial und durch Bewerfen mit toten Fischen attackiert habe. Die von ihr zu Hilfe gerufenen Polizeibeamen hätten sie weinend, verängstigt und „fertig“ vorgefunden, während der Revisionswerber die Beamten wüst beschimpft habe. Das aggressive Verhalten des Revisionswerbers sei erst nach Androhung des Einsatzes eines Pfeffersprays beendet worden. Der ‑ sichtlich alkoholisierte ‑ Revisionswerber, gegen den ein Betretungsverbot verhängt worden war, sei dann von seinem älteren Sohn weggebracht worden. Im Zuge der Erhebung des Vorfalls sei auch zutage getreten, dass der Revisionswerber drei Tage zuvor nicht nur seinen 14‑jährigen Sohn abends aus dem Haus gejagt habe, sondern sich auch seiner verängstigten 12‑jährigen Tochter mit einer seiner Jagdwaffen präsentiert habe.
5 Im Rahmen der Beweiswürdigung stützte sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die Aussagen der einschreitenden Beamten in Verbindung mit den Erstangaben der Familienangehörigen des Revisionswerbers. Demgegenüber beurteilte es die davon abweichenden Aussagen der Familienangehörigen insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die nahezu deckungsgleich gewesen seien und einen stark inszenierten Charakter aufgewiesen hätten, als von der „patriarchalen Dominanz“ des Revisionswerbers bestimmt, der den auf ihn wegen der drohenden Verhängung des Waffenverbots lastenden Druck auf seine Familie weitergegeben und verstärkt habe. Zudem verwies es auf ‑ im Einzelnen dargestellte ‑ Ungereimtheiten und Widersprüche der Aussagen des Revisionswerbers.
6 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte es fallbezogen im Wesentlichen aus, das aus den festgestellten Vorfällen ersichtliche massiv gesteigerte Aggressionspotential des Revisionswerbers, der zudem in der Lage sei, seine Angehörigen zu realitätsfernen Darstellungen zu bestimmen, und der seiner Tochter mit einer Schusswaffe Angst eingeflößt habe, lasse iSd § 12 Abs. 1 WaffG eine besonders qualifizierte missbräuchliche Verwendung von Waffen befürchten.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich (der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten) die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:
12 Das Verwaltungsgericht sei von der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in mehrfacher Weise abgewichen: Aus der diversionellen Erledigung des Strafverfahrens wegen des Vorfalls aus 2015 könne keine Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbots abgeleitet werden. Dieses erfordere vielmehr eine qualifizierte Gefährdungsprognose, an der es fehle. Der ‑ nicht einmal zu einer Anklage wegen eines Straftatbestands geführt habende ‑ Vorfall vom 19. April 2019 habe eine Ausnahmesituation dargestellt; der Revisionswerber habe sich mit seiner Familie wieder versöhnt, das Betretungsverbot sei nicht verlängert worden. Alkoholmissbrauch könne für sich genommen ein Waffenverbot nicht begründen. Da Beurteilungszeitpunkt für die Erstellung der Gefährdungsprognose der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei, müsse auf die damalige Situation abgestellt werden, nicht auf den Vorfall vom 19. April 2019. Zudem fehle es an einem mängelfreien Ermittlungsverfahren, weil das vorläufige Waffenverbot bloß auf den Polizeibericht gestützt worden sei und eine Befragung aller Beteiligten erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung „unter eingeschränkten Covid‑19‑Bedingungen“ vor dem Verwaltungsgericht bloß „kursorisch“ erfolgt sei, weil alle Beteiligten die Verhandlung schnell und ansteckungsfrei zum Abschluss bringen hätten wollen.
13 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
14 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, 2.3.2016, Ra 2016/03/0011, 24.5.2016, Ra 2016/03/0054, 13.9.2016, Ra 2016/03/0085, 1.3.2017, Ra 2017/03/0008, 20.3.2018, Ra 2018/03/0022, 30.7.2018, Ra 2018/03/0080, 22.8.2018, Ra 2018/03/0077, 4.9.2018, Ra 2018/03/0090, und 15.3.2019, Ra 2019/03/0023, verwiesen.
15 Danach ist ‑ zusammengefasst ‑ für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
16 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz‑ oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz‑ oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner gefestigten Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann (vgl. VwGH 4.9.2018, Ra 2018/03/0090, mwN).
18 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung von den höchstgerichtlichen Leitlinien zu den Voraussetzungen betreffend die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG abgewichen wäre oder sein Verfahren mit einem Verstoß gegen tragende Grundsätze des Verfahrensrechts belastet hätte, der eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zuließe: Das Verwaltungsgericht konnte sich bei seiner Entscheidung tragend auf den ‑ von ihm eigenständig zu beurteilenden ‑ Vorfall vom 19. April 2019 stützen; dass das dabei zu Tage getretene Aggressionspotential ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag, entspricht den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Von der Revision wird eine Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, das sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme der Beteiligten mit den unterschiedlichen Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat, nicht aufgezeigt.
19 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2020
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