Normen
EheG §17
EheG §17 Abs1 idF 2017/I/059
IPRG §16 Abs2 idF 2019/I/072
IPRG §6
NAG 2005 §2 Abs1 Z9 idF 2018/I/056
NAG 2005 §47 Abs2 idF 2018/I/056
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019220226.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Revisionswerberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 15. Jänner 2018 bei der Österreichischen Botschaft Teheran unter Berufung auf ihre Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger JY einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
2. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 wies die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Klagenfurt (belangte Behörde) diesen Antrag gemäß § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ab, weil die Eheschließung in Abwesenheit des Bräutigams stattgefunden habe und es sich somit um eine sogenannte „Stellvertreterehe“ handle, die den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche.
3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Oktober 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig.
3.1. Das Verwaltungsgericht stellte zunächst die wesentlichen Ergebnisse der am 26. September 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung dar: Der zusammenführende Ehemann habe angegeben, er habe 2016 nicht in den Iran reisen dürfen, weil er die iranische Staatsbürgerschaft nicht mehr gehabt habe. Seine Ehefrau (die Revisionswerberin) habe er durch seine im Iran lebende Schwester kennengelernt, die deren Nachbarin sei. Er habe seine Ehegattin noch nie persönlich getroffen, habe aber seit Monaten täglich Kontakt mit ihr über Internet und WhatsApp gehabt. Seitens des Rechtsvertreters der Revisionswerberin sei ergänzt worden, dass die Ehe nach den iranischen gesetzlichen Bestimmungen abgeschlossen worden sei und der Ehegatte im Iran als verheiratet gelte. Die Eheschließung sei vom freien Willen beider Ehegatten getragen gewesen und widerspreche nicht dem ordre public.
Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde: Die im Iran lebende Revisionswerberin habe am 25. Mai 2016 nach iranischem Recht traditionell JY geheiratet, wobei sie selbst persönlich anwesend gewesen und der Bräutigam von seinem bevollmächtigten Vater vertreten worden sei. JY sei 2005 als Flüchtling nach Österreich gekommen und seit 2014 österreichischer Staatsbürger. Die Revisionswerberin sei die Nachbarin der Schwester des JY. „Persönlich (bei körperlicher Anwesenheit)“ hätten sich die Ehegatten noch nie getroffen. Sie würden oftmals, auch über mehrere Stunden, mittels Internet und WhatsApp miteinander kommunizieren. JY habe seinem Vater am 2. Mai 2016 eine Vollmacht erteilt, als deren Inhalt die Eheschließung zwischen dem Vollmachtgeber und der Revisionswerberin ausgewiesen gewesen sei. Seit der Eheschließung bezahle der Revisionswerber einen Unterhalt von durchschnittlich € 100,‑ monatlich. Die Eheschließung sei am 25. Mai 2016 in einem näher bezeichneten „Heiratsnotariat“ registriert worden. Der Ehemann sei in der amtlich beglaubigten Übersetzung als iranischer Staatsangehöriger mit näher angeführter Wohnanschrift im Iran ausgewiesen worden.
3.2. Nach Darstellung der wesentlichen Rechtsgrundlagen (insbesondere des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht ‑ IPRG) legte das Verwaltungsgericht dar, weshalb die Revisionswerberin nicht als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG anzusehen sei.
3.2.1. Erstens sei der zusammenführende Ehemann nach seinen Angaben zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr iranischer Staatsangehöriger gewesen. Wie der Heiratsurkunde zu entnehmen sei, habe er sich bei der Eheschließung unzutreffender Weise als iranischer Staatsangehöriger ausgegeben und auch die angeführte Wohnanschrift entspreche nicht den wahren Gegebenheiten. Da die Eheschließung einer iranischen Staatsangehörigen mit einem ausländischen Mann nach näher zitiertem iranischen Recht von einer Genehmigung des Innenministeriums abhängig sei, könne in Anbetracht der vom Ehemann gemachten unrichtigen Angaben nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Eheschließung maßgeblichen iranischen Vorschriften eingehalten worden seien. Es sei daher nicht von einer gültigen Eheschließung nach iranischem Recht auszugehen und die Eheschließung könne daher auch nach österreichischem Recht nicht als gültig angesehen werden (Verweis auf VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094).
3.2.2. Zum zweiten wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ‑ selbst wenn man von einer nach iranischem Recht gültigen Eheschließung ausgehen würde ‑ § 17 Abs. 1 IPRG zu beachten, dem zufolge die Voraussetzungen der Eheschließung sowie der Ehenichtigkeit für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen seien. Für den österreichischen Zusammenführenden gelte österreichisches Recht und demnach wäre die mit der Revisionswerberin im Iran geschlossene Ehe für ihn nichtig, weil nach § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Ehegesetz die „Stellvertreter‑Eheschließung“ ein Ehenichtigkeitsgrund sei.
3.2.3. Drittens verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass eine Stellvertreterehe nach iranischem Recht zwar zulässig sei, gemäß § 6 IPRG Bestimmungen des fremden Rechts jedoch nicht anzuwenden seien, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar wäre. Darunter seien unverzichtbare Wertvorstellungen zu verstehen, die das österreichische Recht prägen würden. Die Grundsätze der EMRK sowie tragende Verfassungsgrundsätze unterlägen der Vorbehaltsklausel. Die Frage, ob ein Verstoß gegen den ordre public vorliege, sei jeweils nach der konkreten Situation zu beurteilen. Erforderlich sei, dass das Ergebnis der Anwendung des fremden Rechts ‑ und nicht bloß dieses selbst ‑ anstößig sei und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung bestehe. Es müsse eine „Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses“ im Einzelfall vorliegen. Die freie Zustimmung zur Eheschließung stelle einen essentiellen Grundsatz des österreichischen Ehegesetzes dar. Die in Österreich zwingend vorgesehene notwendige persönliche Anwesenheit beider Verlobter bei der Eheschließung solle Zuwiderhandlungen gegen diesen Grundsatz hintanhalten. Daher sei ‑ so das Verwaltungsgericht ‑ die persönliche Anwesenheit dann unabdingbar, wenn Anhaltspunkte bestünden, die die freie Willensbildung in Zweifel zögen. Eine Eheschließung im Wege der Stellvertretung mit einem Partner, zu dem vorher gar kein persönlicher bzw. körperlicher Kontakt bestanden habe, widerspreche den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung und sei daher als nichtig anzusehen (Verweis auf VwGH 19.9.2017, Ra 2016/20/0068; 14.3.2019, Ra 2018/18/0534).
Dies treffe auf die vorliegende Eheschließung zu. Die Eheschließung sei offensichtlich von den Familienangehörigen der Brautleute arrangiert worden und es bestünden ernsthafte Zweifel, dass die Ehe aus freien Stücken eingegangen worden sei. Daran könne der ins Treffen geführte Kontakt mittels Telekommunikationsmitteln nichts ändern, zumal ein solcher nicht mit körperlicher Anwesenheit gleichzusetzen sei.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die belangte Behörde trat der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes bei.
Die Revisionswerberin replizierte auf diese Stellungnahme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ehemann nur österreichischer Staatsbürger sei. Dies stehe in Widerspruch zu den Angaben in der vorgelegten Heiratsurkunde. Der Ehemann sei vielmehr österreichischer und iranischer Doppelstaatsbürger. Es sei zudem notorisch, dass der Iran seine Staatsangehörigen nicht aus dem Heimatstaatsverband entlasse, weshalb die österreichischen Staatsbürgerschaftsbehörden bei Staatsbürgerschaftswerbern aus dem Iran sofort ‑ ohne vorherige Erlassung eines Zusicherungsbescheides nach § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz ‑ mit Verleihungsbescheid vorgingen. Zwar habe der Ehemann in der mündlichen Verhandlung zur Frage, warum er nicht bei der Eheschließung anwesend gewesen sei, angegeben, dass er die iranische Staatsangehörigkeit nicht mehr gehabt habe; gemeint sei aber gewesen, dass er über keinen iranischen Reisepass verfügt habe. Erst seit dem 11. Juni 2018 verfüge er wieder über einen iranischen Reisepass, wobei er die iranische Staatsangehörigkeit nie verloren, sondern durchgehend innegehabt habe. Das Verwaltungsgericht wäre gehalten gewesen, den Widerspruch (zwischen der Angabe in der Heiratsurkunde und der Aussage des Ehemannes in der Verhandlung) aufzuklären und den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Angesichts der iranischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes hätte die Eheschließung keiner Genehmigung nach dem iranischen Zivilgesetzbuch bedurft und sei die Ehe nach iranischem Recht gültig.
Des Weiteren macht die Revisionswerberin geltend, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 IPRG abgewichen, zumal von der ordre public‑Klausel nur sparsamst Gebrauch zu machen sei. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob es einen Verstoß gegen diese Klausel darstelle, wenn einer der Verlobten zwar nicht körperlich, aber über moderne Kommunikationsmittel bei der Trauung anwesend sei. Im vorliegenden Fall sei der Name der zukünftigen Ehegattin (der Revisionswerberin) in der von JY erteilten Vollmacht genannt gewesen; es liege somit keine „Stellvertretung im Willen“ vor. Nur dann wäre die nach iranischen Vorschriften durchgeführte Ehe aber in Österreich nicht anerkennungsfähig. Ein mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung in Widerspruch stehender Verstoß gegen die Eheschließungsfreiheit liege daher nicht vor. Dem stehe der Umstand, dass sich die Ehegatten vor der Eheschließung nicht persönlich begegnet seien, nicht entgegen, zumal sie schon vor der Eheschließung über moderne Kommunikationsmittel in ständigem Kontakt gewesen seien und JY seiner Ehegattin Unterhalt leiste.
Die Revision erweist sich im Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig.
6.1. Die maßgeblichen Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[...]
9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;
[...]
Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ und ‚Niederlassungsbewilligung ‑ Angehöriger‘
§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR‑Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG‑Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger‘ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
[...]“
6.2. Die maßgeblichen Regelungen des Ehegesetzes (EheG), dRGBl. I S 807/1938 in der Fassung BGBl. I Nr. 59/2017, lauten auszugsweise:
„§ 17
Form der Eheschließung
(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
[...]
D. Nichtigkeit der Ehe
I. Nichtigkeitsgründe
§ 20. Eine Ehe ist nur in den Fällen nichtig, in denen dies in den §§ 21 bis 25 dieses Gesetzes bestimmt ist.
§ 21
Mangel der Form
(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
[...]
II. Berufung auf die Nichtigkeit
§ 27
Niemand kann sich auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist.
[...]“
6.3. Die maßgeblichen Regelungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR‑Gesetz [IPRG]), BGBl. Nr. 304/1978 in der Fassung BGBl. I Nr. 72/2019, lauten auszugsweise:
„Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
[...]
Personalstatut einer natürlichen Person
§ 9. (1) Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.
[...]
A. EHERECHT
Form der Eheschließung
§ 16. [...]
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Voraussetzungen der Eheschließung
§ 17. (1) Die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit und der Aufhebung sind für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen.
[...]“
7. Das Verwaltungsgericht hat die Revisionswerberin aus drei Gründen nicht als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG angesehen.
7.1. Zum einen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Ehemann der Revisionswerberin ‑ entgegen der Angabe in der Heiratsurkunde ‑ nicht iranischer Staatsangehöriger sei und deshalb keine nach iranischem Recht gültige Eheschließung vorliege.
Die Revisionswerberin wendet sich nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach für den Fall des Fehlens der iranischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes nicht von einer gültigen Eheschließung ausgegangen werden könne. Sie macht diesbezüglich vielmehr geltend, dass der Ehemann neben der österreichischen auch die iranische Staatsangehörigkeit habe, und wendet sich somit der Sache nach gegen die Feststellung bzw. die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des § 38 VwGVG seine Entscheidung gemäß § 58 AVG zu begründen. Im Sinn des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Umstände sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben (vgl. zu allem etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2020/03/0086, Rn. 24, mwN).
Bei widersprüchlichen Ermittlungsergebnissen bedarf es somit einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Das Verwaltungsgericht muss schlüssig darlegen, was es veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (vgl. erneut VwGH Ra 2020/03/0086, Rn. 25, mwN).
Diesen Anforderungen ist das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der ‑ insoweit entscheidungserheblichen ‑ Frage der Staatsangehörigkeit des Ehemannes der Revisionswerberin nicht nachgekommen. Das Verwaltungsgericht hat allein der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Aussage des JY, der zufolge er zum Zeitpunkt der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit nicht mehr gehabt habe, Glauben geschenkt. Es hat aber nicht dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen es davon ausgegangen ist, dass die im Zuge der Eheschließung von der betreffenden iranischen Behörde protokollierte Angabe, dass JY iranischer Staatsangehöriger sei, unzutreffend gewesen wäre. Auch der Umstand, dass in dem im Verwaltungsakt einliegenden Antrag der Revisionswerberin die Staatsangehörigkeit des zusammenführenden Ehemannes mit „Iranian‑Austrian“ angegeben wurde, wurde nicht erkennbar berücksichtigt. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund das Verwaltungsgericht den Ehemann nicht um eine Aufklärung bzw. Stellungnahme zu den widersprüchlichen Angaben aufgefordert hat.
Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht diese Begründung mit einem Verfahrensmangel belastet.
7.2. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht die Nichtigkeit der Ehe für den zusammenführenden Ehemann damit begründet, dass der Formvorschrift des § 17 Abs. 1 EheG (Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit) nicht entsprochen worden sei.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführte Anwesenheit „über WhatsApp“ keinesfalls als persönliche Anwesenheit im Sinn des § 17 Abs. 1 EheG angesehen werden kann (vgl. auch Höllwerth, § 17 EheG, Rn. 4, in Gitschthaler/Höllwerth [Hrsg.], Ehegesetz [2008]).
Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass in Fällen, in denen die im fremden Recht normierten Formerfordernisse erfüllt wurden, gemäß § 16 Abs. 2 IPRG grundsätzlich von einer zulässigen Form der Eheschließung auszugehen sei und dass die Personalstatute unbeachtlich seien, wenn die Ortsform erfüllt sei (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094, Rn. 20; OGH 28.6.2011, 10 Ob S55/11b).
Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichtes beizutreten, wonach ungeachtet einer Einhaltung der Formerfordernisse des Ortes der Eheschließung auch die Formerfordernisse entsprechend dem Personalstatut (im Fall des Zusammenführenden JY somit nach dem Ehegesetz) zu beachten seien. Auch diese Begründung ist somit nicht geeignet, die Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft der Revisionswerberin zu stützen.
7.3. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht eine Anwendbarkeit der diesbezüglich maßgeblichen iranischen Rechtsvorschriften auch auf Grund einer ordre public‑Widrigkeit der gegenständlich geschlossenen Ehe abgelehnt. Diesbezüglich hat sich das Verwaltungsgericht wesentlich darauf gestützt, dass zwischen den Ehegatten vor der Eheschließung kein persönlicher bzw. körperlicher Kontakt bestanden habe und in derartigen Fällen die Eheschließung im Wege der Stellvertretung den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche. Der vorliegende Sachverhalt deute auf eine von den Familienangehörigen arrangierte Ehe hin und gebe ernsthaft Anlass zu Zweifeln, dass die Ehe aus freien Stücken eingegangen worden sei.
7.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in einer Reihe von Entscheidungen ‑ auch im Zusammenhang mit Stellvertreterehen ‑ mit dem in § 6 IPRG enthaltenen ordre public‑Vorbehalt befasst:
Gemäß § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechts anzuwenden. Von dieser Ausnahme ist sparsamster Gebrauch zu machen, keinesfalls ist ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften bereits ein „ordre public“‑Verstoß. Schutzobjekt sind primär die „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ und nicht subjektive Rechtspositionen von Inländern. Dabei spielen einerseits Verfassungsgrundsätze eine tragende Rolle, wie das Recht auf persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, das Verbot abstammungsmäßiger rassischer und konfessioneller Diskriminierung. Zu den Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen auch das Verbot der Kinderehe, des Ehezwangs, der Schutz des Kindeswohls im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Weiters ist wesentliche Voraussetzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (vgl. zu allem VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0025, Rn. 8; weiters 3.7.2020, Ra 2020/14/0006, Rn. 43 f, jeweils mwN).
Zu prüfen ist daher einerseits das Verhältnis der (fiktiven) Anwendung des kollisionsrechtlich berufenen Rechts im konkreten Fall zu Grundwertungen des österreichischen Rechts, andererseits das Ausmaß der Inlandsbeziehung. Die beiden Elemente bilden ein bewegliches System. Je stärker der Inlandsbezug, umso geringere Abweichungen vom österreichischen Recht können einen Verstoß gegen den ordre public begründen, und umgekehrt (vgl. erneut VwGH Ra 2020/14/0006, Rn. 45, mwN; weiters OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s, Pkt. 3.1.).
Wird eine Familienzusammenführung mit dem in Österreich lebenden Ehegatten angestrebt und somit das Ziel verfolgt, dauerhaft in Österreich zu leben, ist die Intensität der Inlandsbeziehung als hoch einzustufen (vgl. wiederum VwGH Ra 2020/14/0006, Rn. 61).
In seinem Beschluss vom 19. September 2017, Ra 2016/20/0068, hat der Verwaltungsgerichtshof die Nichtanwendung fremden Sachrechts betreffend eine „Ferntrauung“ bzw. eine Eheschließung im Wege der Stellvertretung in einer Konstellation, in der zum Ehegatten zuvor gar kein oder zumindest seit mehreren (sieben) Jahren kein persönlicher Kontakt bestanden habe, durch das Verwaltungsgericht auf Grund des § 6 IPRG und somit wegen eines Widerspruchs zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unter Bezugnahme auf den dort vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt als vertretbar erachtet.
In einem Fall, in dem der im Wege der Stellvertretung erfolgten Eheschließung eine gemeinsame Beziehung der (späteren) Ehegatten über Jahre hinweg vorausgegangen sei, es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass das Eheversprechen nicht freiwillig abgegeben worden sei, und die Eheschließung in Anwesenheit beider Ehegatten auf Grund der Flucht des Ehemannes aus Syrien nicht mehr erfolgt sei, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach kein Verstoß gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung vorliege, unbeanstandet gelassen (siehe VwGH 25.4.2019, Ra 2019/22/0043, Rn. 14).
Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. November 2020, Ra 2020/22/0198, dem Umstand, dass bei einer Stellvertreterehe keine Vertretung im Willen vorlag, für die Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen den ordre public Bedeutung beigemessen (Rn. 8; vgl. demgegenüber für den davon zu unterscheidenden Fall einer Stellvertretung im Willen im Hinblick auf den ordre public‑Vorbehalt Verschraegen, in Rummel [Hrsg.], ABGB, 2. Bd/II [2002], § 16 IPRG, Rn. 4).
7.3.2. Dem Verwaltungsgericht ist dahingehend zuzustimmen, dass die Eheschließungsfreiheit bzw. die freie Willensentscheidung zum Eingehen einer Ehe zu den Grundwertungen des österreichischen Rechts zu zählen ist (vgl. auch Verschraegen, in Rummel [Hrsg.], ABGB, 2. Bd/II [2002], § 6 IPRG, Rn. 4) und dass diesem Ziel innerstaatlich durch die Formvorschrift des § 17 EheG (persönliche und gleichzeitige Anwesenheit) Rechnung getragen wird. Eine Stellvertretung im Willen lag nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt der vom zusammenführenden Ehemann ausgestellten Vollmacht hier aber nicht vor (siehe zur Bedeutung dieses Umstandes erneut VwGH Ra 2020/22/0198).
Das Verwaltungsgericht ist dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden maßgeblich ist, ob Anhaltspunkte bestehen, die das Vorliegen einer freien Willensentscheidung in Zweifel ziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich aber der weiters zum Ausdruck gebrachten Einschätzung, wonach eine Eheschließung im Wege der Stellvertretung ‑ auch wenn keine Stellvertretung im Willen vorlag ‑ dann, wenn zuvor kein persönlicher oder körperlicher Kontakt bestanden habe, jedenfalls den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche, nicht anzuschließen. Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin auf ihren schon vor der Eheschließung bestandenen (und aktuell anhaltenden), häufig auch mehrere Stunden andauernden Kontakt zu JY über moderne Kommunikationsformen (wie etwa Skype oder WhatsApp) verwiesen. Auch wenn ein Kontakt mit Mitteln der Telekommunikation nicht mit einer körperlichen Anwesenheit gleichgesetzt werden kann, bedeutet das umgekehrt nicht, dass eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen (etwa einer Einschätzung der Glaubwürdigkeit sowie der Intensität des derart gepflegten Kontakts) bzw. eine Bewertung im Hinblick auf die angenommenen Zweifel am freien Ehewillen unterbleiben kann. Insbesondere lässt sich der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht entnehmen, weshalb ungeachtet des Vorbringens betreffend den (wenn auch nur über Telekommunikationsmittel erfolgten) regelmäßigen Kontakt eine Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses im Einzelfall (bei Anerkennung der nach iranischem Recht geschlossenen Ehe) vorliegen würde. Aus dem Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof in anderen Konstellationen (vgl. VwGH Ra 2016/20/0068) die einzelfallbezogene Beurteilung, wonach eine dort erfolgte „Ferntrauung“ als ordre public‑widrig erachtet worden war, als vertretbar angesehen hat, kann nicht geschlossen werden, dass einem Vorbringen wie dem hier gegenständlichen keine Maßgeblichkeit für die Beurteilung zukommen kann.
Ausgehend davon erweist sich die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichtes als mangelhaft.
8. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender inhaltlicher Rechtswidrigkeit (im Hinblick auf die unter Pkt. 7.2. erfolgten Ausführungen) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2021
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