Normen
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
StPO 1975 §198
StPO 1975 §199
StPO 1975 §259
VwGG §42 Abs2 Z3
VwGG §63 Abs1
VwGVG 2014 §17
WaffG 1996 §12 Abs1
WaffG 1996 §12 Abs7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030086.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte in dieser Rechtssache wird auf die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2019, Ra 2018/03/0131, und vom 7. Mai 2020, Ra 2019/03/0091, verwiesen.
2 Gegen den Mitbeteiligten war eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg eingebracht worden. Mit Bescheid vom 16. Juli 2018 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (nunmehrige Revisionswerberin) über den Mitbeteiligten ein Waffenverbot nach § 12 Abs. 1 und 3 Waffengesetz 1996 (WaffG).
3 Die revisionswerbende Behörde stellte im Bescheid unter anderem fest, dass den Aussagen der im behördlichen Verfahren einvernommenen Zeugen und des Mitbeteiligten zufolge der Mitbeteiligte am 22. März 2018 nach einer verbalen Auseinandersetzung auf seinen Kontrahenten F. eingeschlagen und diesen verletzt habe. Der Mitbeteiligte lege ‑ wenn er in Rage sei ‑ ein offensichtlich unkontrolliertes, aggressives Verhalten an den Tag, das den begründeten Verdacht zulasse, dass er in einer derartigen Situation auch Waffen missbräuchlich verwenden könnte und somit eine potentielle Gefahr für andere Menschen darstelle.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 23. Oktober 2018, LVwG‑AV‑810/001‑2018, als unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, dass der Mitbeteiligte dem Feuerwehrkollegen F. nach einer verbalen Auseinandersetzung Faustschläge versetzt und diesen dabei zumindest im Hals- und Nackenbereich getroffen habe. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, es möge zwar zutreffen, dass die Aussagen der von der Polizeiinspektion befragten Zeugen nicht gleichlautend gewesen seien, aus diesen Einvernahmen gehe aber eindeutig hervor, dass das aggressive Verhalten und die Anwendung der körperlichen Gewalt vom Mitbeteiligten ausgegangen seien. Das Verhalten des Mitbeteiligten deute darauf hin, dass er bei Problemen geneigt sei, sehr impulsiv zu handeln, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass er bei weiteren, ihn stark belastenden Konfliktsituationen durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen gefährden werde. Die Verhängung des Waffenverbots sei somit gerechtfertigt.
5 Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der vom Mitbeteiligten erhobenen außerordentlichen Revision mit Erkenntnis vom 30. Jänner 2019, Ra 2018/03/0131, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Maßgeblich für die Aufhebung war, dass das zur Amtswegigkeit verpflichtete Verwaltungsgericht dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Aufnahme der erforderlichen Beweise nicht entsprochen hatte, weil es ‑ zudem ohne Begründung ‑ von der Einvernahme jener drei Zeugen Abstand genommen hatte, auf deren Aussage es seine Tatsachenfeststellungen maßgebend stützte.
6 Mit dem daraufhin im zweiten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis vom 12. Juni 2019, LVwG‑AV‑810/004‑2018, wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten ‑ wiederum ohne Einvernahme der Zeugen ‑ erneut als unbegründet ab. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten zwischenzeitlich diversionell erledigt worden sei. Die Feststellung, wonach der Mitbeteiligte mehrmals mit der Faust auf den Hals‑, Nacken‑ und Brustbereich des F. eingeschlagen habe, wodurch dieser leicht verletzt worden sei, leite sich nicht alleine daraus ab, dass der Mitbeteiligte der Diversion zugestimmt habe, sondern ergebe sich aus dem behördlichen Akt und den darin befindlichen vor der Polizei getätigten Einvernahmen, ebenso wie aus dem Strafakt und der erfolgten Schadensgutmachung des Mitbeteiligten an F. Es sei daher festzustellen, dass der Mitbeteiligte bei von ihm subjektiv gefühlsbedingt als Verletzung oder Zurücksetzung wahrgenommenen Verhaltensweisen mit körperlichen Angriffen reagiere. Der durchaus massive körperliche Angriff des Mitbeteiligten, welcher faktisch auf einer Nichtigkeit beruhe, stelle jedenfalls eine konkrete Tatsache iSd § 12 Abs. 1 WaffG dar, die ein für die Beurteilung der Voraussetzung des Waffenverbots relevantes Bild der Persönlichkeit des Mitbeteiligten zu vermitteln in der Lage sei und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotentials das von der Behörde verhängte Waffenverbot rechtfertige.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Mitbeteiligte außerordentliche Revision. Mit Erkenntnis vom 7. Mai 2020, Ra 2019/03/0091, hob der Verwaltungsgerichtshof das (Ersatz‑)Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 12. Juni 2019 erneut wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Maßgeblich für die Aufhebung war abermals, dass dem Verwaltungsgericht eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und ein Verstoß gegen seine amtswegige Ermittlungspflicht anzulasten war, weil das Verwaltungsgericht seine Tatsachenfeststellung erneut tragend auf den Akteninhalt und die als glaubwürdig erachteten Zeugenaussagen gestützt hat, ohne diese Zeugen einzuvernehmen. Zudem wurde dem Verwaltungsgericht ein Verstoß gegen die Begründungspflicht angelastet.
8 Mit dem nunmehr angefochtenen, im dritten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht ‑ wiederum ohne Einvernahme der Zeugen ‑ der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und hob den Bescheid der revisionswerbenden Behörde (ersatzlos) auf. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
9 Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs führte das Verwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte und sein Kontrahent hätten widersprechende Angaben dahingehend gemacht, dass die Aggression von der jeweils anderen Person ausgegangen sei und das eigene Verhalten nur der Abwehr des gesetzten körperlichen Angriffs gedient habe. Das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten sei im Rahmen einer Diversion beendet worden, es sei sohin eine strafgerichtliche Klärung des Vorfalls und damit auch eine Verurteilung des Mitbeteiligten unterblieben.
10 Nach Heranziehung von nicht näher zitierter hg. Judikatur zu § 12 Abs. 1 WaffG führte das Verwaltungsgericht weiter aus, es könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es tatsächlich der Mitbeteiligte gewesen sei, von dem die Setzung des aggressiven Verhaltens ausgegangen sei und der Umstand, dass sich der Mitbeteiligte zumindest auf die körperliche Auseinandersetzung eingelassen habe, sei dahingehend zu sehen, dass dieser Vorfall nunmehr über 2 ¼ Jahre zurückliege.
11 Nach Wiedergabe von ebenfalls nicht näher zitierter hg. Rechtsprechung zu § 12 Abs. 7 WaffG kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall der zwischen der Setzung der Anlasstat und der nunmehrigen Entscheidung liegende Zeitraum so zu sehen sei, dass „die Voraussetzungen für die Verhängung des Waffenverbotes ausgehend von den ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus dem bisher durchgeführten Verfahren nicht ableitbar“ gewesen seien, dies selbst bei Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren und des hier anzulegenden strengen Maßstabes. Wenn nunmehr im Rechtsmittelweg zu beurteilen sei, ob zum Zeitpunkt der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung die Prognose iSd § 12 Abs. 1 WaffG gerechtfertigt sei, so sei „bereits ausreichend vom Zeitraum des Wohlverhaltens durch den [Mitbeteiligten], sohin der erwähnten 2 ¼ Jahre ab der angeblichen Anlasstat davon auszugehen, dass dieser kein entscheidendes Gewicht dahingehend mehr zukomm[e], welche die vom Waffengesetz vorgegebenen Kriterien für die Erlassung eines Waffenverbotes rechtfertigen könnte“.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden.
13 Zur Zulässigkeit wird in der Revision zusammengefasst geltend gemacht, das Verwaltungsgericht überschreite die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf § 12 Abs. 7 WaffG stütze. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens sei jedoch ausschließlich die Rechtmäßigkeit des mit Bescheid vom 16. Juli 2018 verhängten Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG, nicht jedoch ein Aufhebungsverfahren nach § 12 Abs. 7 WaffG. Das Verwaltungsgericht sei zur Entscheidung darüber funktionell nicht zuständig. Ungeachtet dessen stelle auch der Zeitraum von 2 ¼ Jahren keinen ausreichend langen Beobachtungszeitraum iSd näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar. Dem Verwaltungsgericht sei auch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen, zumal es erneut von der Einvernahme der beim Vorfall anwesenden Zeugen Abstand genommen und sich mit den ‑ nur aus dem Akteninhalt ergebenden ‑ widersprechenden Angaben des Mitbeteiligten und seines Kontrahenten sowie dem Umstand, dass das Strafverfahren diversionell beendet worden sei, begnügt habe. Schließlich sei dem Verwaltungsgericht auch ein Verstoß gegen die Begründungspflicht anzulasten, weil eine nähere Auseinandersetzung mit den einander widersprechenden Angaben des Mitbeteiligten und seines Kontrahenten nicht stattgefunden habe.
14 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher er den Ausführungen der Revision entgegentrat und die kostenpflichtige Zurück‑ bzw. Abweisung der Revision beantragte.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
16 Soweit in der Revision zunächst eine Überschreitung der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens geltend gemacht wird, ist Folgendes festzuhalten:
17 „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. VwGH 31.1.2017, Ra 2015/03/0066; 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, jeweils mwN).
18 Im gegenständlichen Fall war die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ‑ wie die Revision zutreffend ausführt ‑ die Rechtmäßigkeit des von der revisionswerbenden Behörde mit Bescheid vom 16. Juli 2018 gemäß § 12 Abs. 1 WaffG verhängten Waffenverbotes. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall seine Kompetenz jedoch nicht überschritten. Aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses geht klar hervor, dass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis den Bescheid der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft, mit welchem das Waffenverbot verhängt worden war, (ersatzlos) behoben hat. In seiner Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs. 1 WaffG nicht mehr vorlägen, weshalb der Beschwerde Folge zu geben sei. Dass das Verwaltungsgericht in der Begründung (auch) hg. Rechtsprechung zu § 12 Abs. 7 WaffG zitiert, bedeutet nicht, dass dadurch über eine Aufhebung des Waffenverbots gemäß § 12 Abs. 7 WaffG abgesprochen worden wäre. Das Verwaltungsgericht hat spruchgemäß lediglich über die Rechtmäßigkeit des mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde verhängten Waffenverbots erkannt. Die geltend gemachte Unzuständigkeit liegt demnach nicht vor.
19 Die vorliegende Revision erweist sich jedoch ‑ im Hinblick auf die in der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel ‑ als zulässig und berechtigt.
20 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Vorerkenntnis vom 7. Mai 2020, Ra 2019/03/0091, festgehalten, dass die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustands iSd § 63 VwGG ‑ wenn die Aufhebung eines Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgt, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalls wesentlichen Sachverhaltsermittlungen zu treffen ‑ darin besteht, dass das Verwaltungsgericht nunmehr jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhalts ermöglichen.
22 Auch in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gilt das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG (vgl. erneut VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, mwN). Gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen gehört es zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. erneut VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131; 24.9.2019, Ra 2019/03/0055; 7.5.2020, Ra 2019/03/0091, jeweils mwN).
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits festgehalten, dass die Waffenbehörden und das Verwaltungsgericht auch im Falle der Diversion oder im Falle eines Freispruchs von einem Tatvorwurf eigenständig zu beurteilen haben, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den vom Waffengesetz vorgegebenen Kriterien die Erlassung eines Waffenverbots rechtfertigt. Diese Beurteilung setzt jedoch ein mängelfreies Ermittlungsverfahren (und damit eine vollständige Beweiserhebung) voraus, aufgrund dessen in einer ausreichend begründeten Entscheidung festgestellt wird, dass die betreffende Person die ihr zur Last gelegten Taten, auf die das Waffenverbot gestützt werden soll, auch tatsächlich begangen hat (vgl. erneut VwGH 7.5.2020, Ra 2019/03/0091, mwN).
24 Vor dem Hintergrund des § 38 VwGVG hat das Verwaltungsgericht weiters seine Entscheidung iSd § 58 AVG zu begründen. ISd § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Umstände sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung (vgl. erneut VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, mwN).
25 Bei Widersprüchen zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was das Verwaltungsgericht veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (vgl. VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018; 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, jeweils mwN).
26 Diesen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sowie eine nachvollziehbare und nachprüfbare Begründung wird das angefochtene Erkenntnis (erneut) nicht gerecht. Abgesehen davon, dass das angefochtene Erkenntnis einen getrennten Aufbau der Entscheidung im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung vermissen lässt, unterlässt es das Verwaltungsgericht gänzlich, sich im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen mit den widersprechenden Angaben des Mitbeteiligten und der beim Vorfall anwesenden Zeugen auseinanderzusetzen und schließlich nachvollziehbar zu begründen, warum es welchen Angaben mehr Glauben schenkte.
27 Dass Aussagen von Verfahrensbeteiligten und Zeugen widersprüchlich sein können, ist im gerichtlichen (und behördlichen) Alltag weder selten noch ungewöhnlich. Es ist daher Kernaufgabe der richterlichen (und behördlichen) Beweiswürdigung, auch widersprüchliche Aussagen im Rahmen einer schlüssigen, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechenden, Beweiswürdigung zu gewichten und entsprechend zu würdigen (vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0065).
28 Entgegen der unmissverständlichen Ausführungen in den beiden Vorerkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2019, Ra 2018/03/0131, sowie vom 7. Mai 2020, Ra 2019/03/0091, und unter Außerachtlassung der gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehenden Bindungswirkung (vgl. dazu bereits Rn. 21 und 22) hat es das Verwaltungsgericht im gegenständlichen dritten Rechtsgang zudem erneut unterlassen, die vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen ergänzenden Ermittlungen, nämlich die Einvernahme der beim Vorfall ebenfalls anwesenden Zeugen, durchzuführen. Ohne sich mit den widersprechenden Ausführungen im Einzelnen begründend auseinanderzusetzen und ohne unmittelbare Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen begnügte sich das Verwaltungsgericht lediglich mit der ‑ auf den bloßen Akteninhalt gestützten ‑ Feststellung, es könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Setzung des aggressiven Verhaltens vom Mitbeteiligten ausgegangen sei.
29 Somit wird das Verwaltungsgericht ‑ auch im dritten Rechtsgang ‑ seiner amtswegigen Ermittlungspflicht zur Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts nicht gerecht, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesen Gründen ‑ wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird ‑ als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet erweist.
30 Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung schließlich von einem ausreichend langen Zeitraum des Wohlverhaltens des Mitbeteiligten ausgeht, ist auf Folgendes hinzuweisen:
31 Im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Waffenverbots wegen Wegfalls der dafür gegebenen Gründe nach § 12 Abs. 7 WaffG hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Behörde unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Betroffenen seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen hat, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs. 1 WaffG noch aufrecht ist. Bei einem Wohlverhalten des Betroffenen zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Aufhebung des Waffenverbots muss dieser Beobachtungszeitraum ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können. Im Hinblick auf den dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist auch hier ein strenger Maßstab anzulegen. Bei der Wahl des Beobachtungszeitraums sind stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wozu die Bedachtnahme auf Art und zeitliches Ausmaß der Anlasstat gehört.
32 Nichts anderes gilt dann, wenn ‑ wie im Revisionsfall ‑ im Rechtsmittelweg zu beurteilen ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung weiterhin eine Prognose iSd § 12 Abs. 1 WaffG gerechtfertigt ist. Auch in diesem Fall muss also ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens verstrichen sein, um der einstigen Anlasstat das entscheidende Gewicht zu nehmen und damit zu einer für den Betroffenen günstigeren Prognose zu gelangen (vgl. zum Ganzen VwGH 1.3.2017, Ra 2017/03/0002, mwN).
33 Auch in diesem Zusammenhang erweist sich die Begründung des Verwaltungsgerichts als unzureichend, um abschließend beurteilen zu können, ob vom Wegfall der für die Verhängung des Waffenverbots durch die revisionswerbende Behörde gegebenen Gründe auszugehen ist. Allein der Umstand, dass mittlerweile 2 ¼ Jahre verstrichen seien, ohne dass sich das Verwaltungsgericht mit den konkreten Umständen des Einzelfalls sowie der gegenständlichen Anlasstat näher auseinandergesetzt hätte, vermag für sich allein eine positive Prognose iSd § 12 Abs. 1 WaffG noch nicht zu rechtfertigen; insoweit hat das Verwaltungsgericht auch die Rechtslage verkannt (vgl. etwa VwGH 30.7.2018, Ra 2018/03/0080, mwN, wonach ein Wohlverhalten von zwei Jahren in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht ausreichend angesehen wurde).
34 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 27. November 2020
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