Normen
AVG §56
AVG §8
GSpG 1989 §53
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §7
VwGVG 2014 §7 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170107.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 3. Februar 2020 verfügte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz ‑ GSpG gegenüber „K Sportwetten“ die Beschlagnahme von fünf bei einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz in einem näher bezeichneten Lokal vorgefundenen Glücksspielgeräten. In der Zustellverfügung wird als weiterer Zustellempfänger das Finanzamt Freistadt, Rohrbach, Urfahr genannt; an das Finanzamt (§ 50 Abs. 5 GSpG) wurde der Bescheid ‑ nach den Verwaltungsakten ‑ am 5. Februar 2020 zugestellt.
2 2.1. Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) und brachte u.a. vor, es sei kein ordentliches Verfahren durchgeführt worden, es lägen keine Glücksspielgeräte vor und das GSpG sei unionsrechtswidrig. Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
3 2.2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig zurück. Eine Revision gegen diesen Beschluss erklärte das LVwG für unzulässig.
4 Begründend führte das LVwG (u.a.) aus, der Bescheid sei dem „Lokal K“ zugestellt worden. Aus dem Akt ergebe sich, dass es sich dabei um die Bezeichnung des Lokals handle, aber nicht um eine natürliche oder juristische Person. Mangels Parteistellung des „Lokals K“ sei kein wirksamer Bescheid erlassen worden. Der Beschlagnahmebescheid sei weder an den Eigentümer oder Inhaber der Geräte noch an den Veranstalter zugestellt worden. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 44 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können.
5 3.1. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
6 3.2. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Ab‑, in eventu die Zurückweisung der Revision sowie den Zuspruch von Aufwandersatz.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 4.1. Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, das LVwG sei im angefochtenen Beschluss von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren abgewichen, als zulässig und begründet.
9 4.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist das Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG ein Mehrparteienverfahren, bei dem nicht nur dem Eigentümer der beschlagnahmten Gegenstände Parteistellung zukommt (vgl. etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2017/17/0967, mwN).
10 Gemäß § 50 Abs. 5 GSpG hat die Abgabenbehörde in Verwaltungsverfahren nach §§ 52, 53 und 54 GSpG dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Beschwerde gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.
11 Mit Erlassung des Bescheides gegenüber einer der mehreren Parteien ist das behördliche Verfahren bei Vorliegen eines Mehrparteienverfahrens abgeschlossen und die Behörde damit an ihre Entscheidung gebunden. Eine übergangene Partei im Mehrparteienverfahren kann ab diesem Zeitpunkt bereits ein Rechtsmittel erheben (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0052, mwN).
12 Die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid besteht nämlich ‑ unabhängig davon, ob eine Partei formal als Adressat des Bescheids bezeichnet wurde oder nicht ‑ auch dann, wenn nach der anzuwendenden gesetzlichen Grundlage der Beschlagnahmebescheid (allenfalls: auch) an sie zu richten gewesen wäre (vgl. erneut VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0052, mwN). Für das Beschwerderecht ist nicht maßgeblich, an wen der erstinstanzliche Beschlagnahmebescheid ausdrücklich gerichtet war (vgl. VwGH 23.1.2017, Ra 2016/17/0281, mwN, zu einem ebenfalls u.a. an ein Lokal adressierten Beschlagnahmebescheid).
13 4.3. Der Beschlagnahmebescheid wurde somit durch Zustellung an das Finanzamt Freistadt, Rohrbach, Urfahr gegenüber einer Partei erlassen (vgl. erneut VwGH 23.1.2017, Ra 2016/17/0281, mwN), weshalb die mitbeteiligte Partei als (behauptete) Eigentümerin der beschlagnahmten Glücksspielgeräte gegen diesen wirksamen Bescheid rechtswirksam Beschwerde erhoben hat.
14 5. Indem das LVwG dies verkannte und die Beschwerde mangels Erlassung eines Beschlagnahmebescheides zurückwies, belastete es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
15 6. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 25. November 2020
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