VwGH Ra 2020/14/0041

VwGHRa 2020/14/004110.3.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache 1. des A B, 2. der C D, 3. der E F, und

4. der G H, alle vertreten durch Mag.a Julia M. Kolda, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 95/1/4, gegen das am 18. September 2019 mündlich verkündete und am 2. Dezember 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019, 1. L518 2185368- 1/37E, 2. L518 2185369-1/29E, 3. L518 2185367-1/26E,

4. L518 2185371-1/27E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140041.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Georgiens. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die Drittrevisionswerberin und die Viertrevisionswerberin sind ihre minderjährigen Kinder. 2 Zur Vorgeschichte in dieser Rechtssache wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 2018, Ra 2018/19/0172, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war der in den Beschwerdesachen gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensges etz ergangene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 14. Februar 2018 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben worden.

3 Mit dem am 18. September 2019 - nach Durchführung einer Verhandlung - mündlich verkündeten und am 2. Dezember 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerden der Revisionswerber gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Dezember 2017 als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Mit Beschluss vom selben Tag wurde "der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen" als unzulässig zurückgewiesen. Auch dazu sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen diese Entscheidung erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3987-3990/2019-11, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der Revisionswerber mit Beschluss vom 8. Jänner 2020, E 3987-3990/2019-13, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von näher genannter Judikatur abgewichen. Dem Gericht sei ein Begründungsmangel vorzuwerfen, weil es die Nierenerkrankung des Erstrevisionswerbers keiner nachvollziehbaren Prüfung unterzogen und sich auf den Standpunkt zurückgezogen habe, dass eine Nierentransplantation aktuell nicht notwendig sei. Dabei habe das BVwG die von ärztlicher Seite dargetane Auffassung, dass die Transplantation zu einem späteren Zeitpunkt zur Gewährleistung des "Langzeitüberlebens" erforderlich sei, unberücksichtigt gelassen. Darüber hinaus habe sich das Gericht nicht hinreichend damit befasst, ob der Erstrevisionswerber in Georgien, dem Zielstaat der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, Zugang zu einer Nierentransplantation habe. Die Beweisergebnisse sprächen dafür, dass ihm diese Möglichkeit nicht offenstehe, weil er dies durch die vorgelegten Schreiben der ihn behandelnden Ärzte ausreichend unter Beweis gestellt habe. Das BVwG lege nicht offen, warum es diese Schreiben als Gefälligkeitsschreiben werte. Die Beweiswürdigung sei unschlüssig und nicht nachvollziehbar. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in Österreich zu verbleiben, bloß um hier medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0436 bis 0438; 18.12.2019, Ra 2019/14/0452, jeweils mwN).

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 4.2.2020, Ra 2020/14/0002 bis 0003, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

Das BVwG befasste sich im vorliegenden Fall - nach Durchführung einer Verhandlung - ausführlich mit der Frage, welche Behandlung für die Krankheit des Erstrevisionswerbers aktuell notwendig sei und traf dazu umfassende Feststellungen. Auf der Grundlage der in den Feststellungen enthaltenen, von einem medizinischen Sachverständigen vorgenommenen, medizinischen "Befundinterpretation" vom 19. April 2019 gelangte das Gericht zum Ergebnis, dass die Niereninsuffizienz des Erstrevisionswerbers aktuell eine Medikation und eine Hämodialyse erforderlich mache, wobei die erforderlichen Medikamente mit den gleichen Wirkstoffen in Georgien vorhanden seien und die Dialyse kostenlos sei. Unter Verweis auf die genannte "Befundinterpretation" legte das BVwG auch nachvollziehbar dar, dass der Erstrevisionswerber derzeit keine Transplantation benötige. Schließlich führte das Gericht ins Treffen, dass der Erstrevisionsweber selbst im Fall der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in Georgien eine Transplantation erhalten könne, was sich aus der ins Verfahren eingeführten Anfragebeantwortung des österreichischen Verbindungsbeamten in Georgien vom 19. August 2019 ergebe. 11 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang Schreiben der den Erstrevisionswerber in Georgien behandelnden Ärzte anspricht, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG diese nicht bloß als Gefälligkeitsschreiben wertete, sondern auch auf die mangelnde Aktualität der Schreiben verwies. Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 4.2.2020, Ra 2020/14/0024, mwN), darzulegen. 12 Soweit sich die Revision gegen den Beschluss vom 2. Dezember 2019, mit dem "der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen" als unzulässig zurückgewiesen wurde, wendet, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

In der vorliegenden außerordentlichen Revision machen die Revisionswerber als - ausdrücklich als solche bezeichnete - Revisionspunkte das Recht auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und das Recht, nicht mit Rückkehrentscheidungen belegt zu werden, geltend. Werden die Revisionspunkte - wie im gegenständlichen Fall - unmissverständlich ausgeführt, so sind sie einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 16.12.2019, Ra 2019/01/0411, mwN). Mit Blick auf den normativen Gehalt des angefochtenen Beschlusses ist nicht zu sehen, dass die Revisionswerber durch diesen in den von ihnen geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt sein könnten. Schon deshalb erweist sich die Revision, soweit sie sich gegen den genannten Beschluss richtet, als unzulässig.

13 In der Revision werden somit einerseits keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme und andererseits steht ihr der Mangel der Berechtigung zu ihrer Behebung nach § 34 Abs. 1 VwGG entgegen.

14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 10. März 2020

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