VwGH Ra 2020/14/0024

VwGHRa 2020/14/00244.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, bei Revisionserhebung vertreten durch Mag.a Veronika Sengmüller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Bergstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2019, L510 2144522-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §52

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140024.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 27. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens brachte er zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass ihm schiitische Milizen seinen gefälschten Ausweis abgenommen hätten und er bei einer Rückkehr als Sunnit mit sunnitischem Namen in Gefahr sei.

2 Mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Weiters setzte es die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Soweit die Revision zunächst unter Hinweis auf nicht näher bezeichnete Judikatur zur Privatverfolgung vorbringt, dass die irakische Regierung nicht in der Lage sei, gegen die schiitischen Milizen vorzugehen, übergeht sie, dass das BVwG bereits das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers mit näherer Begründung als nicht glaubhaft erachtet hat. Zudem hat das BVwG Feststellungen zur Lage von Sunniten im Irak sowie zu Personen mit dem Vornamen Omar getroffen und auf dieser Grundlage sowohl eine Verfolgung wegen der bloßen Zugehörigkeit zu den (arabischen) Sunniten und von Personen mit dem Vornamen Omar als auch eine persönliche Bedrohung des Revisionswerbers verneint. Diesen Erwägungen tritt die Revision nicht substantiiert entgegen, sondern rügt lediglich, das BVwG hätte einen Sachverständigen beauftragen müssen, der sich mit der aktuellen Lage in Bagdad zu befassen und zu recherchieren hätte, ob die Fluchtgründe des Revisionswerbers der Wahrheit entsprechen würden.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 6.5.2019, Ra 2019/14/0185, mwN).

9 Derartiges legt die Revision nicht dar. Abgesehen davon, dass das BVwG Feststellungen zur Lage im Irak getroffen hat, vermag die Revision nicht aufzuzeigen, weshalb das BVwG - ohne entsprechenden Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Sachverständigen ausgehen hätte sollen. Im Übrigen fällt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen, sondern ist dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen (vgl. VwGH 13.12.2019, Ra 2019/20/0571, mwN).

10 Mit dem - in Rahmen der Zulässigkeitsbegründung nicht näher ausgeführten - Vorbringen, das BVwG habe in seinem Erkenntnis unzureichende Feststellungen zur Lage im Irak getroffen, macht der Revisionswerber einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN). Dies ist hier nicht erfolgt.

11 Die Revision wendet sich weiters gegen die im Rahmen der Rückkehrentscheidung getroffene Interessenabwägung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - jedoch nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242, mwN).

12 Die Revision bringt insoweit vor, zwischen dem angefochtenen Bescheid und dem Erkenntnis des BVwG seien beinahe drei Jahre vergangen, sodass "eine neuerlich vorzunehmende Interessenabwägung" im Sinne des § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK nötig gewesen sei. Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil das BVwG im angefochtenen Erkenntnis eine solche "neuerliche" Interessenabwägung - unter Berücksichtigung der vom Revisionswerber mittlerweile eingegangenen Beziehung und neu aufgenommenen Berufstätigkeit und seines nunmehr mehr als vierjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - ohnehin vorgenommen hat.

13 Soweit die Revision schließlich hervorhebt, dem Revisionswerber sei kein Verschulden an der Verfahrensdauer anzulasten (und damit das Gewicht des nach § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstandes zu mildern versucht, dass die integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste), setzt sie sich mit den diesbezüglichen Erwägungen des BVwG nicht auseinander, sodass auch damit keine Unvertretbarkeit der Abwägungsentscheidung aufgezeigt wird.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Februar 2020

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