VwGH Ra 2020/14/0002

VwGHRa 2020/14/00024.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen 1. der A B, und 2. der C D, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2019, 1. W182 1436060-2/11E und 2. W182 2190895-1/8E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §39a Abs1
AVG §52
AVG §53
AVG §7
AVG §7 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140002.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberinnen sind Staatsangehörige der Mongolei. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen Zweitrevisionswerberin.

2 Die Erstrevisionswerberin stellte am 31. August 2012 für sich und ihre Tochter jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Begründend brachte sie im Wesentlichen vor, sie sei in der Mongolei wegen des Vorwurfs von Datenschutzverletzungen ins Gefängnis gekommen. Nachdem sie gegen Kaution für einen Monat frei gelassen worden sei, habe sie einen Schlepper organisiert und sei mit ihrer Tochter geflüchtet.

3 Mit Bescheiden vom 22. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - im zweiten Rechtsgang - die Anträge der Revisionswerberinnen zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberinnen in die Mongolei zulässig sei, und sprach jeweils aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung keine aufschiebende Wirkung zukomme.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerberinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 2528-2529/2019-9, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge wurden die gegenständlichen außerordentlichen Revisionen erhoben.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die Revisionen machen zu ihrer Zulässigkeit zunächst eine Befangenheit des Dolmetschers geltend und werfen damit im Zusammenhang stehende Rechtsfragen auf. Die Revisionsweberinnen sehen den Ablehnungsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AVG als verwirklicht an, weil der vom Bundesverwaltungsgericht bestellte und in der mündlichen Verhandlung herangezogene Dolmetscher in dieser Angelegenheit zugleich Rechtsvertreter der Revisionswerberinnen gewesen sei.

11 Gemäß der - nach § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 39a Abs. 1 letzter Satz AVG, sind die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 AVG (Sachverständige) auch auf Dolmetscher und Übersetzer anzuwenden. Insoweit kann die zu Sachverständigen ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß auch auf Dolmetscher übertragen werden.

12 Setzt ein befangenes Organ entgegen § 7 AVG eine Amtshandlung, so ist diese objektiv rechtswidrig. Die Mitwirkung eines befangenen Organs bildet aber - in Ermangelung von Sondervorschriften - weder einen Nichtigkeitsgrund noch einen Unzuständigkeitsgrund, sondern lediglich einen Verfahrensmangel. Dieser Mangel kann mit dem jeweils gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid vorgesehenen Rechtsmittel geltend gemacht werden, dies allerdings nur dann mit Erfolg, wenn Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des Bescheides bestehen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, 1. Teilband: §§ 1 - 36a,

2. Ausgabe, Rz 22 zu § 7 AVG, mit Verweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

13 Beim Verwaltungsgerichtshof kann die Befangenheit des (auch Amts‑) Sachverständigen nur dann zur Aufhebung des Bescheides führen, wenn sie wesentlich iSd § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG ist, wenn also im Einzelfall sachliche Bedenken gegen das Gutachten bzw. gegen den sich darauf gründenden Bescheid bestehen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, 2. Teilband: §§ 37 - 62, Rz 13 zu § 53 AVG, und die dortigen Verweise auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

14 Die Revisionswerberinnen haben in der Begründung zur Zulässigkeit der Revision zwar ausgeführt, dass es sich bei dem vom Bundesverwaltungsgericht bestellten und von diesem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung herangezogenen Dolmetscher zugleich um den Beschwerdevertreter der Revisionswerberinnen gehandelt habe, weswegen damit der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z 2 AVG geltend gemacht werde. Es wurde jedoch nicht vorgebracht, dass und inwiefern die Mitwirkung des (allenfalls) befangenen Dolmetschers für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung sein konnte und damit die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht dargestellt. Die Zulässigkeit einer Revision im Zusammenhang mit einer Behauptung einer Befangenheit setzt jedenfalls voraus, dass im Zuge dieser Rüge eine grundsätzliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) aufgeworfen wird. Rechtsfragen des Verfahrensrechtes (insbesondere auch solche der Befangenheit) sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. etwa zur geltend gemachten Befangenheit von Sachverständigen VwGH 24.4.2019, Ra 2017/17/0962; 6.4.2018, Ra 2018/01/0136, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2018/14/0327, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision nicht nach.

15 Daher erübrigt sich auch ein Eingehen auf die in der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfenen weiteren Rechtsfragen. Hinzuweisen ist darauf, dass dazu überhaupt jegliche fallbezogene Auseinandersetzung fehlt bzw. die Rechtsfragen teilweise nur hypothetischen Charakter haben. Um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, ist aber auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zuständig (VwGH 4.3.2019, Ro 2018/14/0003-0008, mwN). 16 Sofern sich die Revisionswerberinnen gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wenden, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen der Erstrevisionswerberin ausführlich auseinandergesetzt und dieses aufgrund diverser Widersprüche in den Angaben der Erstrevisionswerberin in einer nicht als unvertretbar zu erkennenden Beweiswürdigung als unglaubwürdig eingestuft. 17 Soweit die Revision letztlich die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 7.11.2019, Ra 2019/14/0458, mwN). Es gelingt der Revision nicht darzulegen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene und auf die Umstände im Einzelfall ausreichend Bedacht nehmende Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Auf den (zur Gänze fehlenden) Revisionspunkt war bei diesem Ergebnis nicht weiter einzugehen (siehe VwGH 21.11.2017, Ra 2017/12/0122, mwN). Wien, am 4. Februar 2020

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