VwGH Ra 2019/14/0436

VwGHRa 2019/14/043630.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Schindler, den Hofrat Dr. Himberger und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen 1. der A B, 2. des C D, und 3. der E F, alle in W, alle vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 8. April 2019,

1. L515 2216755-1/5E, 2. L515 2216758-1/5E und 3. L515 2216756- 1/5E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG 2014 §19 Abs5 Z2
HerkunftsstaatenV 2009 §1
MRK Art3
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140436.L01

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet und Eltern der im Jahr 2003 geborenen Drittrevisionswerberin. Alle sind Staatsangehörige von Georgien. Sie stellten im August 2017 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) in Österreich. Sie machten zusammengefasst geltend, die Erstrevisionswerberin leide seit ihrer Geburt an einem Herzfehler und damit verbunden an Lungenhochdruck. Eine Behandlung in Georgien sei nicht möglich. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge mit den Bescheiden je vom 28. Februar 2019 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei, räumte den revisionswerbenden Parteien keine Frist für die freiwillige Ausreise ein und sprach aus, dass den Beschwerden gegen die Entscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

3 Betreffend die Erstrevisionswerberin führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, sie leide an einem angeborenen Herzfehler. Im Laufe der Jahre habe sich Lungenhochdruck entwickelt, an welchem die Erstrevisionswerberin laboriere. Zur Bekämpfung ihres Lungenhochdrucks nehme sie derzeit das Medikament Remodulin mit dem Wirkstoff Treprostinil ein. Der flüssige Wirkstoff werde im Weg einer Pumpe, die sie - außer beim Baden - ständig am Körper trage, mit einer Nadel, die über die Bauchdecke direkt in die Lunge vordringe, injiziert. Der Wirkstoff werde im Abstand von fünf Tagen nachgefüllt. Beim Versetzen und Wiederanbringen der Nadel, was in Abständen von ein bis zwei Monaten wegen Entzündungen an der offenen Einstichwunde notwendig sei, werde sie von ihrem Ehemann (dem Zweitrevisionswerber) unterstützt. Zur Senkung des Lungenhochdrucks sei "die lebenslange Einnahme einer entsprechenden Medikation notwendig und lebensverlängernd". Eine "unmittelbar bevorstehende" Lebensgefahr könne nicht festgestellt werden. Eine solche sei den vorgelegten Befunden nicht zu entnehmen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe sich ergeben, dass in Georgien für die weitere Behandlung und Versorgung der Erkrankung der Erstrevisionswerberin medizinische Einrichtungen sowie eine medikamentöse Versorgung verfügbar seien. Es seien zwar in Georgien die Wirkstoffe Treprostinil und Iloprost trometamol nicht verfügbar, aber der Wirkstoff Sildenafil. Das mit letztgenanntem Wirkstoff versetzte Medikament Libigran werde die Erstrevisionswerberin auch beziehen können. Sie habe im Heimatland auch schon ein Medikament mit dem Wirkstoff Sildenafil erhalten. Dass es bei der Einnahme dieses Medikaments zu Nebenwirkungen gekommen sei, stelle "keine Gefährdung i. S. d. Art. 3 EMRK dar". Es sei der Erstrevisionswerberin zuzumuten, bei Bedarf zur Linderung der Nebenwirkungen weitere Medikamente einzunehmen. 4 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die Behörde in Bezug auf die Erstrevisionswerberin aus, es bestehe kein Hinweis "auf das Vorliegen ?außergewöhnlicher Umstände' (akut lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) unzulässig machen" könnten. Die Erkrankung der Erstrevisionswerberin sei auch in Georgien fachärztlich und medikamentös behandelbar. Zudem verwies die Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, und folgerte, die vorgebrachten Erkrankungen rechtfertigten nach der Statusrichtlinie jedenfalls nicht die Zuerkennung von subsidiärem Schutz.

5 Die revisionswerbenden Parteien erhoben Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der jeweils erfolgten Versagung der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten sowie der rechtlich davon abhängenden Aussprüche, worin sie (u.a. auch) die Durchführung einer Verhandlung beantragten. Die Entscheidungen über die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten blieben unbekämpft. Im Beschwerdeschriftsatz wurde unter Hinweis auf ein (diesem angeschlossenes) Schreiben des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Ambulanz für Lungenhochdruckerkrankungen, vom 11. März 2019 vorgebracht, die laufende Versorgung der Erstrevisionswerberin mit Remodulin sei lebensnotwendig und könne nicht durch Sildenafil oder einen anderen oralen Endothelin-Rezeptor-Blocker ersetzt werden. 6 Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerden mit den nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnissen ohne Durchführung der beantragten Verhandlung ab. Unter einem sprach es in Bezug auf alle revisionswerbenden Parteien aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 7 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, es stehe außer Streit, dass die Erstrevisionswerberin an einem Herzfehler und an Lungenhochdruck leide. Ebenso stehe außer Streit, dass jene Medikation, welche sie in Österreich erhalte, in Georgien nicht verfügbar sei. Im Ermittlungsverfahren sei jedoch hervorgekommen, dass ein anderes Medikament in Georgien erhältlich sei und dieses dem polizeiärztlichen Dienst zufolge eine medizinisch vertretbare Alternative darstelle. Auf das mit den Beschwerden vorgelegte Schreiben des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien nahm das Bundesverwaltungsgericht - auch später in seinen rechtlichen Erwägungen - keinen Bezug.

8 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Nichtgewährung des Status von subsidiär Schutzberechtigten davon aus, § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sei im Hinblick auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, unionsrechtskonform so auszulegen, dass diese Bestimmung - ungeachtet ihres unterschiedslos auf Verletzungen von Art. 2 und Art. 3 EMRK abstellenden Wortlautes - nur in jenen Fällen die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorsehe, in denen dies nach (Art. 15 lit. a bis c iVm Art. 3) der Statusrichtlinie geboten sei. Demnach sei für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werde oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgehe. Dies bedeute, dass Fragen in Bezug auf die von Akteuren nicht konkret verursachte oder solchen zurechenbare allgemeine Lage im Herkunftsstaat der revisionswerbenden Parteien, wie etwa die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage oder Behandlungsmöglichkeiten im Krankheitsfall, nicht vom Schutzumfang umfasst seien, weshalb im Rahmen einer richtlinienkonformen Interpretation des § 8 AsylG 2005 davon auszugehen sei, dass solche Umstände nicht zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen könnten. Es widerspreche der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (in diesem Zusammenhang verwies das Bundesverwaltungsgericht auch auf VwGH 21.11.2018, Ra 2018/01/0461).

9 Im Rahmen der Erwägungen zur Entscheidung nach § 52 Abs. 9 FPG führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es seien im Hinblick auf die von der Behörde getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Unzulässigkeit der Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Georgien begründeten. Derartiges sei auch in den Beschwerden nicht schlüssig dargelegt worden. Zum Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin hielt das Verwaltungsgericht fest, dass für sie eine Behandlung, "welche über dem Niveau des Art. 3 EMRK" liege, in Georgien zugänglich sei. Weiters ging es davon aus, der Erstrevisionswerberin sei die Behandlung in Georgien selbst im Fall allfälliger Nebenwirkungen der für sie dort zugänglichen Medikamente zumutbar. Die Republik Österreich sei zudem in der Lage, im Rahmen einer Abschiebung im Bedarfsfall entsprechende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen.

10 Die Durchführung einer Verhandlung habe unterbleiben können, weil die in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die Abstandnahme von derselben erfüllt seien. Georgien sei ein sicherer Herkunftsstaat. Die revisionswerbenden Parteien seien von der Behörde vernommen worden. Eine weitere Anhörung sei nicht erforderlich gewesen. Es hätte zudem in der Beschwerde dargestellt werden müssen, was im Fall einer Vernehmung hervorgekommen wäre. 11 Die Erhebung einer Revision sei jeweils nicht zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht nicht von der neuen Judikatur des Verwaltungsgerichthofes abgegangen sei und sich an der Rechtsprechung dieses Gerichtshofes orientiert habe. 12 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 1731-1733/2019-7, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 29. Juli 2019, E 1731- 1733/2019-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

 

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die in der Folge eingebrachten Revisionen nach Vorlage derselben samt der Verfahrensakten und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

14 In der Begründung für die Zulässigkeit der Revisionen wenden sich die revisionswerbenden Parteien mit näheren Argumenten gegen die Verfahrensführung und die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf den Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin. Es wird in diesem Zusammenhang auch geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen. Die völlig divergierenden Standpunkte der Behörde einerseits und der revisionswerbenden Parteien andererseits zu der für das Verfahren wesentlichen Frage des Bestehens von medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Georgien würden der Annahme eines unsubstantiierten Bestreitens ebenso wie der Umstand, dass auch die von medizinischer Seite erstatteten Äußerungen einander widersprächen, entgegenstehen.

15 Die Revisionen sind zulässig. Sie sind auch begründet. 16 Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

17 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, des Näheren dargelegt hat, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Weiteren kurz: StatusRL) betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinn der Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b iVm Art. 3 StatusRL entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und somit fehlerhaft umgesetzt hat (siehe Rn. 45 der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch darauf verwiesen, dass zur Erfüllung dieser Verpflichtung es der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Rn. 47 ff. der Entscheidungsgründe).

18 Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint, wurde vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ra 2018/01/0106 die Frage, ob § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einer dem Unionsrecht (im Sinn der zu Art. 15 StatusRL ergangenen Rechtsprechung des EuGH) Genüge tuenden Auslegung zugänglich ist, ausdrücklich dahingestellt gelassen (Rn. 60 der Entscheidungsgründe). Auch im vom BVwG erwähnten Beschluss vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461, wurde lediglich darauf hingewiesen, dass es der StatusRL widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen, ohne dass dies dort für die Zurückweisung der Revision tragend gewesen wäre.

19 Den genannten Entscheidungen ist somit - ungeachtet des jeweils vorhandenen Hinweises auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - nicht zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof damit seine bisherige zum Umfang des Anwendungsbereiches des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ergangene Rechtsprechung als nicht mehr beachtlich angesehen hätte. 20 Mittlerweile hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob in Bezug auf den Status des subsidiären Schutzes eine unionsrechtskonforme Lösung gefunden werden kann (und allenfalls das Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in Erwägung zu ziehen sein wird), in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, beschäftigt. Er ist dort zum Ergebnis gelangt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der StatusRL in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der StatusRL zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten. Es wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (vgl. zum Ganzen auch VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053). 21 Somit steht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, das Vorbringen zum Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin könne von vornherein nicht geeignet sein, zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu führen, nicht im Einklang mit der Rechtslage und der dazu ergangenen - und weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung.

22 Dies führt fallbezogen auch zu einer Verletzung im geltend gemachten Recht, weil dem Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde, maßgebliche Fehler unterlaufen sind. 23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. 24 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

25 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.

26 Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN).

27 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung stellen sich - wie in den Revisionen zu Recht geltend gemacht wird - die Ermittlungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt und die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts für eine dem Gesetz entsprechende Beurteilung als unzureichend dar.

28 Die revisionswerbenden Parteien haben den Beschwerden ein Schreiben des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt über eine am 8. Februar 2019 vorgenommene ärztliche Kontrolle der Erstrevisionswerberin beigelegt. Darin wird von der Leiterin der Ambulanz für Lungenhochdruckerkrankungen Univ.Prof.in Dr.in L ausgeführt, die Erstrevisionswerberin sei "auf eine subcutane Remodulin-Therapie mittels Pumpe eingestellt" worden. Ihre laufende Versorgung mit Remodulin sei lebensnotwendig und könne "nicht durch Sildenafil oder einen oralen Endothelin-Rezeptor-Blocker ersetzt werden".

29 Damit hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Dem angefochtenen Erkenntnis sind auch keine Feststellungen zu entnehmen, welche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin bei alleiniger Einnahme des Medikaments Sildenafil zu gewärtigen sind. Derartige auf nachvollziehbare beweiswürdigende Überlegungen zu stützende Feststellungen - insoweit läge es nahe, solche zweckmäßigerweise auf ein Gutachten eines mit dem entsprechenden Fachgebiet vertrauten medizinischen Sachverständigen zu gründen (in dem im Akt erliegenden "Polizeichefärztlichen Befund und Gutachten" vom 18. Juli 2018 wird lediglich begründungslos die Aussage getroffen, dass "eine Alternative zum Treprostinil (...) aus ärztlicher Sicht Ambrisentan und Sildenafil" sei) - wären aber für eine auf die Umstände des Einzelfalles abstellende einwandfreie rechtliche Beurteilung erforderlich gewesen. Erst dann kann nämlich beurteilt werden, ob hier im Sinn der oben dargestellten Judikatur solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen, sodass davon auszugehen wäre, es werde im Fall der Rückführung der Erstrevisionswerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK kommen.

30 Daran ändert fallbezogen auch nichts, dass Georgien gemäß § 1 Z 12 Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat gilt. Gemäß § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG ist die Bundesregierung ermächtigt, mit Verordnung festzulegen, dass andere als in § 19 Abs. 4 BFA-VG genannte Staaten als sichere Herkunftsstaaten gelten. Dabei ist vor allem auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Verletzungen von Menschenrechten Bedacht zu nehmen.

31 Die Festlegung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates. Es bleibt aber diesfalls einem Fremden unbenommen, fallbezogen spezifische Umstände aufzuzeigen, die ungeachtet dessen dazu führen können, dass - hier: nach Art. 3 EMRK - geschützte Rechte im Fall seiner Rückführung in nach dem AsylG 2005 maßgeblicher Weise verletzt würden. Die Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten führt demnach nicht zu einer gesetzlichen Vermutung, die nicht widerlegbar wäre (vgl. auch dazu VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN). Im Fall der Erstrevisionswerberin wurden solche fallbezogen spezifischen Umstände in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK in hinreichend konkreter Weise geltend gemacht, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf zurückziehen durfte, dass der Heimatstaat der revisionswerbenden Parteien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen wurde.

32 Vor dem Hintergrund, dass der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt in wesentlichem Umfang einer Ergänzung durch das Bundesverwaltungsgericht bedarf, zeigen die revisionswerbenden Parteien zudem zu Recht auf, dass die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht vorgelegen sind (vgl. zur Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen - auch hier maßgeblichen - Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen).

33 Das die Erstrevisionswerberin betreffende Erkenntnis war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - zur Gänze, weil die rechtlich auf die Versagung der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten aufbauenden Aussprüche ihre Grundlage verlieren - wegen (vorrangig wahrzunehmender) Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

34 Bei den übrigen revisionswerbenden Parteien handelt es sich um Familienangehörige der Erstrevisionswerberin im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.

35 Stellt ein Familienangehöriger eines Asylwerbers einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat nach § 34 Abs. 3 AsylG 2005 auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1), gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist (Z 4). Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 des § 34 AsylG 2005 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Nach § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 des § 34 AsylG 2005 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

36 Da der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, keinem der Familienangehörigen könne der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden, und daher könne es auch zu keiner Zuerkennung im Rahmen des nach § 34 AsylG 2005 vorgesehenen Familienverfahrens kommen, nach den oben dargelegten Erwägungen der Boden entzogen ist, waren auch die die übrigen Revisionswerber betreffenden Erkenntnisse wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - aus dem zuvor genannten Grund gleichfalls zur Gänze - aufzuheben.

37 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Oktober 2019

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