VwGH Ra 2019/03/0120

VwGHRa 2019/03/012025.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. A R, vertreten durch Mag. Nicole Nossek und Mag. Wolfgang Polster, Rechtsanwälte in 1140 Wien, Moßbachergasse 4/4/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. März 2019, Zl. VGW‑162/017/13096/2018‑5, betreffend Gewährung einer vorzeitigen Altersrente (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Plenum; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
AVG §58 Abs2
AVG §60
EURallg
RAO 1868 §49
RAO 1868 §49 Abs2
RAO 1868 §50
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §29 Abs1
12010E267 AEUV Art267
12010E267 AEUV Art267 Abs3
12010M004 EUV Art4 Abs3
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art11 Abs1
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art11 Abs3 lita
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art13 Abs2
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art14
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art2 Abs1
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art3 Abs1 litd
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art87 Abs1
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art87 Abs3
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art9
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV Art14
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV Art45 Abs4
62014CJ0453 Knauer VORAB
62016CJ0089 Szoja VORAB
62018CJ0033 V VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030120.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 begehrte der Revisionswerber bei der Rechtsanwaltskammer Wien die „Auszahlung [m]einer Altersrente“.

2 Mit Bescheid vom 29. Mai 2018 wies das Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (iF: belangte Behörde) ‑ in Bestätigung eines mit Vorstellung angefochtenen Bescheides der Abteilung VI des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. November 2017 ‑ den Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente ab 1. November 2017 ab.

3 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, eine vorzeitige Altersrente könne nicht gewährt werden, weil deren Inanspruchnahme gemäß § 26 Abs. 1 Z 8 der Satzung nur unter der Voraussetzung des Verzichts auf die Rechtsanwaltschaft wo immer möglich sei und der Revisionswerber auf seine Zulassung in Deutschland und der Schweiz nicht verzichte.

4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ vorbrachte, er sei seit 24. Mai 1996 in der Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer in Wien als Rechtsanwalt eingetragen und seitdem auch als Rechtsanwalt in Österreich tätig. Seitdem zahle er auch Beiträge zur Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien. Zudem sei der Revisionswerber seit 1984 in Deutschland als deutscher Rechtsanwalt zugelassen, besitze in Köln eine eigene Kanzleiund sei Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln. Seit 2007 sei er ‑ nach seiner Übersiedlung in die Schweiz ‑ auch dort als Rechtsanwalt zugelassen. Die Regelung des § 50 RAO (wonach Voraussetzung für die Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland sei)bzw. die Aufforderung der Satzung zum Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft „wo immer“ (im In‑ und Ausland) könne sich nicht auf ausländische Rechtsanwaltschaften erstrecken, weil es der österreichischen Berufskörperschaft an der Befugnis fehle, europaweite Regelungen betreffend die Ausübung des Rechtanwaltsberufes zu treffen. Diese Bestimmung müsse daher so ausgelegt werden, dass ein österreichischer Anwalt bei Bezug der Pension seine Tätigkeit im Inland beenden und, wenn er zusätzlich als „europäischer“ Anwalt in einem anderen Mitgliedstaat tätig sei, auch auf diese Tätigkeit im Ausland verzichten müsse. Der Revisionswerber sei durch unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige und rechtswidrige Anwendung des ebenso rechtswidrigen § 50 RAO in seinen Rechten auf Erwerbsfreiheit, Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz verletzt. Zudem sei die angegriffene Regelung erst knapp ein Jahrzehnt nach seiner Zulassung in Österreich erlassen worden und greife daher auch in bestehende und erworbene Rechtspositionen ein.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig.

6 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht folgende Feststellungen zugrunde: Der am 22. April 1954 geborene Revisionswerber sei seit 24. Mai 1996 in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien als Rechtsanwalt eingetragen und seit diesem Zeitpunkt in Österreich als Rechtsanwalt tätig. Der Revisionswerber sei weiter in der Schweiz und in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen. Er habe am 16. Oktober 2017 die Auszahlung seiner Altersrente beantragt und sich bereit erklärt, seine Zulassung in Österreich aufzugeben. Seine Zulassungen in der Schweiz und in Deutschland würden von ihm nicht zurückgelegt.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die vom Revisionswerber getroffene Interpretation der hier anzuwendenden Gesetze bzw. Satzungsbestimmungen sei nicht von deren klaren Wortlaut gedeckt. Der Anspruch auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension sei ‑ nach § 50 Abs. 2 Z 2 lit. c sublit. aa RAO bzw. § 26 Abs. 1 Z 8 der Satzung - klar daran geknüpft, dass ein Rechtsanwalt, der die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Alterspension bereits erreicht habe, seine Tätigkeit im In‑ und Ausland zurücklegen müsse, unabhängig davon, ob es sich um einen österreichischen oder einen ausländischen Rechtsanwalt mit Zulassung in Österreich handle. Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2008, B1989/2006, ausgesprochen, dass § 50 Abs. 2 Z 2 lit. c sublit. aa RAO nicht gegen den Gleichheitssatz, das Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit verstoße. Grund dieser Regelung sei der Schutz von aktiven Rechtsanwälten vor der Konkurrenz von bereits in den Ruhestand getretenen Rechtsanwälten. Der Konkurrenzschutz beziehe sich nach den hier anzuwendenden klaren und unbedenklichen Bestimmungen auch auf die Tätigkeit eines europäischen Rechtsanwalts und dessen Zulassungen im Ausland. Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Revisionswerbers, wonach die Regelung im Zeitpunkt seiner Zulassung in Österreich noch keine derartige Beschränkung im Hinblick auf den „europäischen“ Rechtsanwalt vorgesehen habe, bestünden keine verfassungs‑ bzw. grundrechtlichen Bedenken. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG sei von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen gewesen.

8 Gegen diese Entscheidung erhob der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom 12. Juni 2019, E 1515/2019‑5) dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 144 Abs. 3 B‑VG zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 1. August 2019, E 1515/2019‑7).

9 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vom Verwaltungsgericht zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte (außerordentliche) Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst Folgendes geltend macht: Zur Frage, ob im Fall von grenzüberschreitenden, unionsrechtlichen Sachverhalten die Bestimmung des § 50 Abs. 2 Z 2 lit. c sublit. aa RAO, soweit sie den Verzicht auf die Anwaltschaft auch in anderen Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz fordere, im Widerspruch zu Unionsrecht (insbesondere den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgeboten und Diskriminierungsverboten, der unionsrechtlichen Eigentumsfreiheit und dem Recht zu Arbeiten sowie der unionsrechtlich garantierten Personenfreizügigkeit) stehe und daher aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts insoweit unangewendet zu bleiben habe, fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Verwaltungsgericht sei zudem insofern von der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es das anwendbare Unionsrecht weder ermittelt, noch dem vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat; dies, obwohl der Anwendungsbereich des Unionsrechts gegenständlich eröffnet sei und die vom Revisionswerber geäußerten Bedenken etwa hinsichtlich der unionsrechtlichen Eigentumsfreiheit nicht unplausibel seien. Schließlich sei die Revision auch vor dem Hintergrund der erforderlichen Klärung der Rechtsfragen durch den EuGH im Wege eines (vom Verwaltungsgerichtshof einzuleitenden) Vorabentscheidungsverfahrens zuzulassen.

10 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurück- in eventu auf Abweisung der Revision erstattet.

11 Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulässigkeitsbegründung als zulässig. Sie ist auch begründet.

12 Die maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

§ 49. (1) Die Rechtsanwaltskammern haben Einrichtungen zur Versorgung der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Rechtsanwalts oder des Rechtsanwaltsanwärters entsprechend der vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zu beschließenden Satzung (§ 36 Abs. 1 Z 6) zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Die Satzung der auf dem Umlagesystem beruhenden Versorgungseinrichtungen hat ‑ unter Wahrung bereits erworbener Rechtspositionen ‑ vorzusehen, dass alle Leistungen aus der Versorgungseinrichtung in Abhängigkeit von der Anzahl der erworbenen Beitragsmonate festgesetzt werden, dass bei Erreichen einer bestimmten Anzahl von Beitragsmonaten (Normbeitragsmonate) der Anspruch auf eine in der Leistungsordnung betraglich festgesetzte Altersrente (Basisaltersrente) erworben wird und dass sich bei Über- oder Unterschreiten der Normbeitragsmonate die zuzuerkennende Altersrente gegenüber der Basisaltersrente erhöht oder reduziert. Die versicherungsmathematischen Grundlagen der dabei erfolgenden Festlegungen sind in regelmäßigen, einen Zeitraum von fünf Jahren nicht übersteigenden Abständen durch einen versicherungsmathematischen Sachverständigen zu überprüfen. Bei ihrer erstmaligen Festsetzung darf die Basisaltersrente die nach 35‑jähriger Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach der bis dahin gültigen Leistungsordnung vorgesehene Altersrente nicht unterschreiten. Bei der Erlassung der Satzung und bei der Vornahme von Änderungen daran sind wohlerworbene Rechte zu berücksichtigen und der Vertrauensschutz zu wahren.

(...)

(2) Beitragspflichtig sind grundsätzlich alle in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte sowie die in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwaltsanwärter, es sei denn, dass diese wegen ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit bereits auf Grund anderer Rechtsvorschriften einer Pflichtversicherung in einem Altersversicherungssystem eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft unterliegen. Zwei oder mehr Rechtsanwaltskammern können auch eine gemeinsame Versorgungseinrichtung schaffen.

(...)

§ 50. (1) Jeder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter sowie deren Hinterbliebene haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Dieser Anspruch ist in der Satzung der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Anspruch auf Altersversorgung haben beitragspflichtige und ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung die Witwe beziehungsweise der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines beitragspflichtigen oder ehemals beitragspflichtigen Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsanwärters.

(...)

2. Voraussetzungen für den Anspruch sind

a) im Fall der Altersversorgung die Beitragspflicht zu einer Versorgungseinrichtung in der Dauer von mindestens zwölf Monaten, wobei in der Satzung vorgesehen werden kann, dass Beitragsmonate von Rechtsanwaltsanwärtern (§ 53 Abs. 2 erster Satz) und Rechtsanwälten, die aufgrund einer in der betreffenden Umlagenordnung gemäß § 53 Abs. 2 Z 4 lit. a getroffenen Regelung vorübergehend geringere Beiträge entrichten, entsprechend deren geringerer Beitragsleistung nur anteilsmäßig erworben werden können, sowie die Vollendung des 70. Lebensjahrs; in der Satzung kann ferner angeordnet werden, dass ungeachtet einer Befreiung von der Leistung der Umlage aufgrund einer gemäß § 53 Abs. 2 Z 4 lit. b getroffenen Regelung die auf die Dauer der Befreiung entfallende Beitragszeit ungekürzt erworben wird; eine vorzeitige Alterspension kann bis zu vier Jahre vor Erreichen des für den Betreffenden maßgeblichen Pensionsalters bei Abschlägen, die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnen sind, vorgesehen werden;

(...)

c) im Fall der Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung

aa) der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland;

bb) bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten darüber hinaus eine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Stelle über diesen Verzicht;

cc) der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste;

...

(3) In der Satzung der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs. 2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden, insbesondere günstigere Wartezeiten; ...“

13 § 6 der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Rechtsanwaltskammer Wien in der Fassung des Beschlusses der Plenarversammlung vom 27. November 2013 (iF: Satzung) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 6 Altersrente und vorzeitige Altersrente

§ 6. (1) Bedingung für Ansprüche auf Bezahlung von Altersrenten sind:

a) der Erwerb eines Beitragsmonates bei dieser Rechtsanwaltskammer und die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 5 Abs 2,

b) die Vollendung

...

des 66. Lebensjahres für Beitragspflichtige, die am oder nach dem 1.1.1949 aber vor dem 1.1.1959,

...

geboren sind und

c) der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste sowie

d) bei Rechtsanwälten gem. § 1 Abs 1 RAO das Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO,

e) bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten und bei Personen, die den Beruf als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zum EIRAG Art I BGBl I Nr. 27/2000 in der jeweils geltenden Fassung angeführten Bezeichnung in einem der dort genannten Staaten berechtigt ausüben, der Nachweis der Beendigung der Zugehörigkeit des Rechtsanwaltes zu diesem Beruf durch Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Stelle oder der Beendigung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Ländern, die eine Eintragung als Rechtsanwalt bei einer Standes- oder Registrierungsbehörde nicht vorsehen, und die Streichung aus allen Listen der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte,

f) bei Rechtsanwaltsanwärtern der Verzicht auf die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter,

g) der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft wo immer.

(2) Vorzeitige Altersrente:

a) Dem Beitragspflichtigen steht es ungeachtet des § 6 Abs 1 frei, bis zu 4 Jahre vor Erreichung des für ihn gemäß § 6 Abs 1 lit b) anwendbaren Pensionsalters die Altersrente bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen in Anspruch zu nehmen.

b) Dem Beitragspflichtigen steht bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente die sich für den Beitragspflichtigen gemäß § 6 Abs 6 (unter allfälliger Berücksichtigung von § 6 Abs 7) zu errechnende Altersrente gekürzt um 0,4 % pro angefangenem Monat des vorzeitigen Pensionsantrittes zu.

(3) Der Anspruch auf Gewährung der Altersrente beginnt bei Vorliegen und Nachweis aller hiefür erforderlichen Voraussetzungen mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.

(4) Der Rechtsanspruch auf Bezug einer Altersrente endet

a) durch Verzicht auf die Altersrente,

b) durch Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte oder der Rechtsanwaltsanwärter einer Rechtsanwaltskammer oder Ausübung der Rechtsanwaltschaft, wo auch immer,

c) durch den Tod.

Der Anspruch auf Gewährung der Altersrente endet mit dem Ende jenes Monates, in welchem die Bedingungen für den Wegfall des Anspruches eingetreten sind.

(5) Der Rechtsanspruch auf Bezug einer Altersrente ruht bei Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt, ab dem der Ausübung der Tätigkeit folgenden Kalendermonat für die Dauer der Tätigkeit, mindestens aber für die Dauer von 3 Monaten. Kein Ruhen wird bewirkt durch die Ausübung von Hilfstätigkeiten in einer Rechtsanwaltskanzlei, der der Rechtsanwalt vor seinem Verzicht angehört hat, wobei als Hilfstätigkeit nur administrative Tätigkeiten gelten.“

14 Relevante Bestimmungen des AEUV, BGBl. III Nr. 86/1999 idF BGBl. III Nr. 171/2013, lauten:

DAS NIEDERLASSUNGSRECHT

Artikel 49

(ex-Artikel 43 EGV)

Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.

...

DIENSTLEISTUNGEN

Artikel 56

(ex-Artikel 49 EGV)

Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.“

15 Zudem ist im vorliegenden Fall auch auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166/1 vom 30. April 2004 (iF: VO 883/2004 ), sowie auf deren Durchführungsverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284/1 vom 30. Oktober 2009 (iF: VO 987/2009 ), Bedacht zu nehmen.

16 Die maßgeblichen Bestimmungen der VO 883/2004 lauten auszugsweise:

TITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

...

Artikel 2

Persönlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

...

Artikel 3

Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

...

d) Leistungen bei Alter;

...

 

TITEL II

BESTIMMUNG DES ANWENDBAREN RECHTS

Artikel 11

Allgemeine Regelung

(1)Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

...

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

...

Artikel 13

Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten

...

(2) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt:

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt,

oder

b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

...

 

TITEL III

BESONDERE BESTIMMUNGEN ÜBER DIE VERSCHIEDENEN ARTEN VON LEISTUNGEN

...

KAPITEL 5

Alters- und Hinterbliebenenrenten

Artikel 50

Allgemeine Vorschriften

(1) Wird ein Leistungsantrag gestellt, so stellen alle zuständigen Träger die Leistungsansprüche nach den Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten fest, die für die betreffende Person galten, es sei denn, die betreffende Person beantragt ausdrücklich, die Feststellung der nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erworbenen Ansprüche auf Leistungen bei Alter aufzuschieben.

...

TITEL VI

ÜBERGANGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 87

Übergangsbestimmungen

(1) Diese Verordnung begründet keinen Anspruch für den Zeitraum vor dem Beginn ihrer Anwendung.

(2) Für die Feststellung des Leistungsanspruchs nach dieser Verordnung werden alle Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind.

(3) Vorbehaltlich des Absatzes 1 begründet diese Verordnung einen Leistungsanspruch auch für Ereignisse vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in dem betreffenden Mitgliedstaat.

...“

17 Die maßgeblichen Bestimmungen der VO 987/2009 lauten auszugsweise:

Artikel 14

Nähere Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung

...

(6) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte ‚eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt‘ insbesondere auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere gesonderte selbständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und zwar unabhängig von der Eigenart dieser Tätigkeiten.

...

(8) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung ‚eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit‘ in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

...

b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.

Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.

(9) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird bei Selbständigen der ‚Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten‘ anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.

...

Artikel 45

Beantragung von Leistungen

...

B. Beantragung von Leistungen in sonstigen Fällen

(4) In anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen stellt der Antragsteller einen entsprechenden Antrag beim Träger seines Wohnorts oder beim Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für ihn galten. Galten für die betreffende Person zu keinem Zeitpunkt die Rechtsvorschriften, die der Träger ihres Wohnorts anwendet, so leitet dieser Träger den Antrag an den Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für sie galten.

(5) Der Zeitpunkt der Antragstellung ist für alle beteiligten Träger verbindlich.

...

Artikel 47

Bearbeitung der Anträge durch die beteiligten Träger

A. Kontakt-Träger

(1) Der Träger, an den der Leistungsantrag nach Artikel 45 Absatz 1 oder 4 der Durchführungsverordnung gerichtet oder weitergeleitet wird, wird nachstehend als ‚Kontakt‑Träger‘ bezeichnet. Der Träger des Wohnorts wird nicht als Kontakt‑Träger bezeichnet, wenn für die betreffende Person zu keinem Zeitpunkt die von diesem Träger angewandten Rechtsvorschriften galten.

Zusätzlich zur Bearbeitung des Leistungsantrags nach den von ihm angewandten Rechtsvorschriften fördert dieser Träger in seiner Eigenschaft als Kontakt-Träger den Austausch von Daten, die Mitteilung von Entscheidungen und die für die Bearbeitung des Antrags durch die beteiligten Träger erforderlichen Vorgänge und übermittelt dem Antragsteller auf Verlangen alle die Gemeinschaftsaspekte der Bearbeitung betreffenden Angaben und hält ihn über den Stand der Bearbeitung seines Antrags auf dem Laufenden.

...“

18 Die vorliegende Revision macht (u.a.) zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht habe es ‑ in Abweichung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ unterlassen, das anwendbare Unionsrecht zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, obwohl der Revisionswerber in seiner Beschwerde auf das Spannungsverhältnis der nationalen Regelung, die für den Bezug einer Altersrente den generellen Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft fordere, mit dem Unionsrecht hingewiesen habe.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 2018, Ra 2017/03/0108, die sich für nationale Gerichte aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen umfassend dargestellt. Er hat darin u.a. Folgendes ausgeführt:

„Zunächst ist für den vorliegenden Fall in Erinnerung zu rufen, dass das Recht eines Mitgliedstaates die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen grundsätzlich nicht zu konterkarieren vermag. ...

In diesem Sinne ist es gemäß Art. 19 EUV, mit dem der Wert der in Art. 2 EUV proklamierten Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, Sache der nationalen Gerichte und des EuGH, die volle Anwendung des Unionsrechts und in allen Mitgliedstaaten den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen. ...

Ausgehend davon trifft die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden insbesondere die Verpflichtung, im Anwendungsbereich des Unionsrechts die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zu identifizieren und deren Sinn auch anhand der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union, insbesondere des EuGH, der letztlich zur Auslegung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union zuständig ist (vgl. Art. 267 AEUV), zu erfassen. Auf dieser Grundlage ist der Inhalt der österreichischen Rechtsvorschriften zu klären, die damit im Zusammenhang stehen. Dies betrifft insbesondere solche österreichischen Rechtsvorschriften, die unionsrechtliche Vorgaben umsetzen. Maßgebend für das Zusammenwirken zwischen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften sind insbesondere die unionsrechtlichen Grundsätze des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts samt der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechtes.

Soweit die rechtliche Grundlage einer verwaltungsgerichtlichen oder einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht nur österreichisches Recht, sondern auch (etwa im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung) Unionsrecht sein kann, erfordert die nach dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht bestehende Begründungspflicht gegebenenfalls auch eine Begründung dafür, weshalb die Anwendung der nationalen Regelung entgegen dem (nicht erkennbar völlig grundlosen) am Unionsrecht orientierten Parteienvorbringen erfolgte. Dies schließt auch die Verpflichtung ein, sich mit den von einer Partei vorgetragenen Bedenken, sofern diese plausibel sind, auseinanderzusetzen. Verlangt die Begründung, weshalb die innerstaatliche Vorschrift entgegen solchen aus dem Blickwinkel des Unionsrechts bestehenden Bedenken angewendet wird, Sachverhaltsfeststellungen, sind diese in diesen Entscheidungen zu treffen...

Da eine etwaige Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ... nur auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts erfolgen kann, sind für die Unionsrechtsproblematik erforderliche Sachverhaltsfeststellungen zunächst von der Verwaltungsbehörde und in der Folge vom Verwaltungsgericht zu treffen, und zwar vom Verwaltungsgericht auch dann, wenn es von seiner Zuständigkeit zur Vorlage nach Art. 267 AEUV nicht Gebrauch macht und eine allfällige Vorlageverpflichtung dann dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zukommt...“.

20 Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall abgewichen.

21 Eingangs ist festzuhalten, dass der Revisionswerber bereits in seinem verfahrenseinleitenden Antrag darauf hingewiesen hat, dass er neben seiner Zulassung als Rechtsanwalt in Österreich auch in Deutschland und in der Schweiz zum Rechtsanwaltsberuf zugelassen sei. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt und es infolgedessen verabsäumt, die allenfalls zur Anwendung gelangenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu identifizieren.

22 Im Beschwerdeverfahren wies der Revisionswerber ergänzend (u.a.) darauf hin, dass er als deutscher Staatsangehöriger seit dem Jahr 1984 in Deutschland als Rechtsanwalt tätig, Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln sei und dort eine Kanzlei führe. Seit 1996 sei er aufgrund bestandener Eignungsprüfung als österreichischer Rechtsanwalt zugelassen und zahle seit diesem Zeitpunkt auch Beiträge zur Pensionsversicherung. Einen festen Wohnsitz habe er in Österreich nie gehabt. Infolge seiner Übersiedlung in die Schweiz sei er seit dem Jahr 2007 auch dort als Rechtsanwalt zugelassen. Die in § 50 RAO normierte Anspruchsvoraussetzung sei schon deshalb rechtswidrig, weil es dem nationalen Gesetzgeber bzw. der österreichischen Berufskörperschaft an der Kompetenz fehle, europaweite bzw. unionsrechtliche Regelungen im Bereich der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes zu treffen. Diese Bestimmung könne daher nicht so ausgelegt werden, dass ein in Österreich zugelassener Anwalt, der gleichzeitig auch in einem anderen Staat als Anwalt tätig sei, bei Bezug der österreichischen Pension auf seine Zulassung in einem anderen Staat verzichten müsse. Der Revisionswerber machte in diesem Zusammenhang Verletzungen der (u.a.) in der Grundrechtecharta der Europäischen Union geschützten Rechte auf Erwerbsfreiheit und Berufsausübung geltend und monierte, ein verpflichtendes und rechtswirksames Pensionssystem müsse so geregelt sein, dass außergewöhnliche Situationen wie die des Revisionswerbers (Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in der Schweiz, Zulassung als deutscher Rechtsanwalt und Rechtsanwaltstätigkeit in Deutschland und der Schweiz) Berücksichtigung finden.

23 Trotz dieser Ausführungen hat sich das Verwaltungsgericht nicht mit der unionsrechtlichen Rechtslage auseinandergesetzt, obwohl es anhand des Vorbringens des Revisionswerbers offenkundig ist, dass für ihn als (seinen Angaben zufolge) deutschen Staatsangehörigen, der in mehreren Mitgliedstaaten einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt nachgeht, die Freiheiten nach dem AEUV (zu denken ist hier insbesondere an die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49ff AEUV oder die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56ff AEUV) bzw. auch sekundärrechtliches Unionsrecht (etwa die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, ABl. L 77/36) einschlägig sein können (vgl. EuGH 12.7.1984, Rs 107/83 , Klopp; 30.11.1995, Rs C‑55/94, Gebhard; 6.12.2018, Rs C‑480/17, Montag).

24 Darüber hinaus hat es das Verwaltungsgericht infolge gänzlicher Außerachtlassung des Unionsrechts unterlassen, die für die Auseinandersetzung mit der vom Revisionswerber geltend gemachten Unionsrechtsproblematik erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Insbesondere wurden keine Feststellungen ‑ etwa zur Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers oder zur Frage, in welcher Weise der Revisionswerber seine Rechtsanwaltstätigkeit in den genannten Staaten ausübt ‑ getroffen, anhand derer beurteilt werden könnte, ob der Anwendungsbereich der in der Revision geltend gemachten unionsrechtlich garantierten Grundrechte und Grundfreiheiten eröffnet ist und bejahendenfalls, welche unionsrechtlichen Bestimmungen konkret einschlägig sind (vgl. etwa EuGH 30.11.1995, Rs C‑55/94, Gebhard; 29.4.2004, Rs C‑171/02, Kommission/Portugal; zum persönlichen Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV etwa Schlag, Art. 49 AEUV, Rn. 27ff, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg), EU‑Kommentar4 [2019]; zu jenem des Art. 56 AEUV sowie zur Abgrenzung der Dienstleistungs‑ von der Niederlassungsfreiheit Kluth, Art. 56, 57 AEUV, Rn. 15ff; 36ff, in: Calliess/Ruffert (Hrsg), EUV/AEUV5 [2016]; Holoubek, Art. 56, 57 AEUV, Rn. 25ff; 49ff, in: Becker/Hatje/Schoo/Schwarze (Hrsg), EU‑Kommentar4 [2019]).

25 Hinzu tritt, dass die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Feststellungen darauf schließen lassen, dass der vorliegende Sachverhalt auch vom Anwendungsbereich der VO 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit umfasst ist.

26 Die VO 883/2004 gilt seit dem Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung (VO 987/2009 ) am 1. Mai 2010 in den Mitgliedstaaten der EU. Seit 1. April 2012 gelten die VO 883/2004 und die VO 987/2009 im Übrigen auch im Verhältnis zur Schweiz (VwGH 7.4.2016, Ro 2014/08/0047). Nach Art. 87 Abs. 3 VO 883/2004 sind dabei für die Begründung eines aktuellen Anspruchs (vgl. Art. 87 Abs. 1) auch Sachverhalte oder Ereignisse zu berücksichtigen, die vor Beginn der Anwendung der Verordnung ‑ im Verhältnis zur Schweiz mit 1. April 2012 ‑ liegen (VwGH 1.6.2017, Ra 2014/08/0042).

27 Leistungen bei Alter fallen, wenn sie in einer Erklärung im Sinne des Art. 9 VO 883/2004 aufgeführt sind, in den Geltungsbereich dieser Verordnung(vgl. EuGH 21.1.2016, Rs C‑453/14, Knauer, Rn. 23, mwN). Berufsständische Sondersysteme in Europa, wie etwa die in Österreich (u.a.) für Rechtsanwälte errichteten Versorgungseinrichtungen, sind in den sachlichen Geltungsbereich der VO 883/2004 einbezogen (vgl. Fuchs, Art. 3 VO Nr. 883/2004 , Rn. 6, in: Fuchs (Hrsg), Europäisches Sozialrecht7 [2018]; vgl. auch VwGH 6.7.2016, Ro 2016/08/0008, Rn. 18).

28 Es ist daher anzunehmen, dass der Revisionswerber infolge seiner Rechtsanwaltstätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten und der Schweiz den Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit (zumindest) eines Mitgliedstaats unterliegt und daher vom Geltungsbereich der VO 883/2004 (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit. d) umfasst ist.

29 Gemäß Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Mit diesem Grundsatz sollen die Komplikationen, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ergeben können, vermieden und die Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden, die für innerhalb der Union zu- und abwandernde Personen aus einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften folgen würden (EuGH 13.7.2017, Rs C‑89/16, Szoja, Rn. 35; 6.6.2019, Rs C‑33/18, V, Rn. 42, jeweils mwN).

30 Doppelversicherungen (und doppelte Beitragslasten) sollen also vermieden werden. Dementsprechend sieht § 49 Abs. 2 RAO auch vor, dass die ‑ grundsätzlich für alle in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte geltende ‑ Beitragspflicht zu den Versorgungseinrichtungen der österreichischen Rechtsanwaltskammern dann nicht besteht, wenn der Rechtsanwalt aufgrund seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit bereits aufgrund anderer Rechtsvorschriften einer Pflichtversicherung in einem Altersversicherungssystem eines Mitgliedstaats der EU, eines anderen Vertragsstaats des Abkommen über den EWR oder der Schweiz unterliegt.

31 Die Regelung des § 50 Abs. 2 RAO wiederum knüpft insofern an die Beitragspflicht an, als diese grundsätzlich Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersversorgung ist (§ 50 Abs. 2 Z 1, Z 2 lit. a RAO).

32 Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 statuiert den Grundsatz, dass eine Person, vorbehaltlich der Art. 12 bis 16 leg. cit., den Rechtsvorschriften jenes Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie eine Beschäftigung ausübt.

33 Für Personen, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, bestimmt Art. 13 Abs. 2 VO 883/2004 , nach welchen Kriterien die anzuwendenden Rechtsvorschriften zu ermitteln sind. Demnach unterliegt eine Person, die von Art. 13 Abs. 2 leg. cit. erfasst ist, entweder den Rechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaats oder, wenn sie dort nicht einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet. Nähere Vorschriften zur Ermittlung der für diesen Personenkreis geltenden Rechtsvorschriften enthält Art. 14 Abs. 6 bis 10 VO 987/2009 .

34 Wird ‑ wie hier ‑ ein Leistungsantrag auf Bezug einer Altersrente gestellt, sieht Art. 45 Abs. 4 VO 987/2009 entsprechend diesen Grundsätzen vor, dass der Antrag entweder beim Träger des Wohnorts oder beim Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften zuletzt für den Antragsteller galten, gestellt wird.

35 Angesichts des Vorbringens des Revisionswerbers, wonach er in Österreich nie über einen festen Wohnsitz verfügt habe und seit über 35 Jahren eine eigene Rechtsanwaltskanzlei in Köln führe, scheint sohin schon fraglich, ob die belangte Behörde für die Bearbeitung des verfahrenseinleitenden Antrags unionsrechtlich zuständig ist (vgl. zu den Modalitäten der Beantragung von Leistungen bei Alter auch Pöltl, Art. 45 VO 987/2009 , Rn. 5; Art. 47 VO 987/2009 , Rn. 3ff, in: Spiegel (Hrsg), Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, 23. Lfg; Janda, Art. 50 VO 883/2004 , Rn. 3ff, in: Fuchs (Hrsg), Europäisches Sozialrecht7 [2018]; OGH 25.11.2014, 10 ObS 109/14y).

36 Auch dazu wird das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren die im Sinne der genannten Rechtsgrundlagen erforderlichen Feststellungen (insbesondere zum Wohnort des Revisionswerbers, zum Mittelpunkt seiner Tätigkeiten iSd Art. 13 Abs. 2 VO 883/2004 und, daran anknüpfend, zu ‑ aktuellen und vergangenen ‑ Zugehörigkeit(en) des Revisionswerbers zu einem System der sozialen Sicherheit) zu treffen haben.

37 Dies erfordert die Durchführung einer mündlichen Verhandlung: Entgegen der ‑ nicht einmal ansatzweise begründeten ‑ Auffassung des Verwaltungsgerichts lagen vor dem oben dargestellten Hintergrund die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG für ein Absehen von der vom Revisionswerber in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung nämlich nicht vor (vgl. zu den Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ungeachtet eines entsprechenden Parteienantrags insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom heutigen Tag, Ro 2019/03/0029, mwN).

38 Das Verwaltungsgericht hat daher ‑ in offenkundiger Verkennung der Rechtslage ‑ die zur abschließenden rechtlichen Beurteilung des Revisionsfalles notwendigen Feststellungen nicht getroffen. Auf das weitere Revisionsvorbringen betreffend die Frage der Unionsrechtskonformität der in § 50 Abs. 2 RAO statuierten Anspruchsvoraussetzung des Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland war daher nicht einzugehen. Bei diesem Ergebnis kommt auch eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV, wie sie vom Revisionswerber angeregt wird, schon deshalb nicht in Betracht, weil eine solche Vorlage nur auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts erfolgen kann (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0108, Rn. 25, mwN).

39 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

40 Von der Durchführung der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

41 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Das den Ersatz der Umsatzsteuer betreffende Kostenmehrbegehren des Revisionswerbers war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. etwa VwGH 21.5.2019, Ro 2018/03/0050, mwN).

Wien, am 25. Februar 2020

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