VwGH Ra 2019/02/0212

VwGHRa 2019/02/02123.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des O in T (Deutschland), vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 12. September 2019, Zl. E 187/08/2019.001/007, betreffend Übertretungen des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §62 Abs4
B-VG Art133 Abs4
EURallg
KFG 1967 §134 Abs1
KFG 1967 §80
VStG §19
VStG §20
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
32006R0561 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art4 litc

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020212.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 15. Jänner 2019 wurde der Revisionswerber in Spruchpunkt 1. schuldig erkannt, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten LKWs, der zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt sei und dessen zulässige Höchstmasse 3,5 t übersteige, die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit nicht eingehalten zu haben. Er habe seit Beginn des 24-Stundenzeitraumes am 25. Mai 2017, um 21:51 Uhr, nicht innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen Ruhezeit eine tägliche Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden eingehalten, wobei die zulässige 3-malige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt worden sei. Die unzureichende tägliche Ruhezeit von weniger als 9 Stunden, bei der die reduzierte tägliche Ruhezeit gestattet sei, habe 5 Stunden und 26 Minuten betragen. Dies stelle anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar. Der Revisionswerber habe dadurch § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1b KFG eine Geldstrafe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage und 12 Stunden) verhängt wurde. 2 In Spruchpunkt 2. des genannten Straferkenntnisses wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten LKWs, der zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzt sei und dessen zulässige Höchstmasse 3,5 t übersteige, die vorgeschriebene Tageslenkzeit von höchstens 9 Stunden bzw. zwei Mal wöchentlich 10 Stunden zwischen zwei täglichen Ruhezeiten in der Zeit von 25. Mai 2017, 21:51 Uhr, bis 26. Mai 2017, 19:21 Uhr, mit einer Lenkzeit von 11 Stunden 36 Minuten überschritten zu haben. Die Überschreitung der verlängerten Tageslenkzeit von 10 Stunden habe 1 Stunde und 36 Minuten betragen. Dies stelle anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG einen schwerwiegenden Verstoß dar. Der Revisionswerber habe dadurch § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1b KFG eine Geldstrafe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 16 Stunden) verhängt wurde. 3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Burgenland (im Folgenden: Verwaltungsgericht) als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig. 4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht weiche von der hg. Rechtsprechung zum Konkretisierungsgebot des § 44a VStG ab. In der Strafverfügung vom 28. September 2017 sei der Revisionswerber als "'Fahrer' des Fahrzeuges (LKW) mit dem Kennzeichen 'W-...'" belangt worden. Mit Straferkenntnis vom 15. Jänner 2019 sei der Tatvorwurf dahingehend geändert worden, dass er als "'Lenker' eines Kraftwagenzuges, nämlich eines LKWs mit dem Kennzeichen 'WE-...'" belangt worden sei. Im Spruch der Strafverfügung sei fälschlich der 7. Juni 2017 als Tatzeitpunkt genannt worden, während die dem Revisionswerber angelasteten Übertretungen allenfalls am 26. Mai 2017 begangen worden seien. Die im Straferkenntnis vom 15. Jänner 2019 vorgenommenen Richtigstellungen bzw. Präzisierungen seien nicht mehr zulässig gewesen, weil die Verfolgungsverjährungsfrist spätestens am 26. Juni 2018 geendet habe. Das Verwaltungsgericht habe überdies die lange Dauer des Verfahrens nicht in die Strafzumessung einfließen lassen.

9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

10 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

11 Nach § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Es ist somit erforderlich, dass sich die Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. VwGH 19.11.2018, Ra 2017/02/0248, mwN). 13 Nach der ständigen hg. Judikatur zu § 44a Z 1 VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheids, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 20.11.2018, Ra 2017/02/0242, mwN). 14 Der Revisionswerber rügt die mangelnde Konkretisierung des Tatvorwurfs zunächst damit, dass er als "Fahrer" des genannten LKWs der Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und erst im Straferkenntnis als "Lenker" bezeichnet worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die belangte Behörde in nicht zu beanstandender Weise des Gesetzeswortlautes der angewandten Bestimmungen der VO (EG) Nr. 561/2006 bedient hat. In Art. 4 lit. c der VO (EG) Nr. 561/2006 wird definiert, dass als "Fahrer" unter anderem jede Person zu verstehen ist, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt. Der Begriff des "Fahrers" im Sinne dieser Bestimmung umfasst damit auch den "Lenker". Wenn die belangte Behörde dem Revisionswerber somit als "Fahrer" des genannten LKWs die mangelnde Einhaltung der Ruhe- und Lenkzeiten anlastet, stellt sie im Sinne der hg. Rechtsprechung auf in der Person des Täters gelegene Merkmale und damit auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten ab (vgl. idS erneut VwGH 19.11.2018, Ra 2017/02/0248, mwN). 15 Soweit der Revisionswerber durch die Nennung eines falschen Kennzeichens des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges ("W-..." statt richtigerweise "WE-...") in der Strafverfügung einen Verstoß gegen das Konkretisierungsgebots erblickt, ist zu erwidern, dass dem Revisionswerber bereits am 25. April 2018 in der zur Kenntnis gebrachten Anzeige das richtige Kennzeichen des Kraftfahrzeuges genannt wurde, was eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG darstellt. Aus dem Akteninhalt lässt sich zudem erkennen, dass es sich hierbei um ein offenbares, für jedermann erkennbares Versehen handelt, wodurch die Identität der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a VStG nicht in Zweifel gesetzt wird (vgl. erneut VwGH 19.11.2018, Ra 2017/02/0248, mwN). 16 Der Revision ist zuzustimmen, dass in der Strafverfügung zunächst der Tag der Anhaltung, nämlich der 7. Juni 2017, als Tatzeit angeführt wird. Aus dem weiteren Inhalt des Spruches der Strafverfügung sowie aus dem Inhalt der Anzeige lässt sich jedoch eindeutig erkennen, dass sich die dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretungen auf den Tatzeitraum vom 25. Mai 2017 bis 26. Mai 2017 bezogen haben, weshalb die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht besteht. Auch aus dem Akteninhalt, welcher dem Revisionswerber innerhalb der Verjährungsfrist übermittelt wurde, ergibt sich eindeutig, dass sich der Tatzeitraum vom 25. Mai 2017 bis 26. Mai 2017 erstreckt hat, während der 7. Juni 2017 den Tag der Anhaltung darstellte. Zudem ist der Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2018 sowie in den weiteren Schriftsätzen selbst davon ausgegangen, dass ihm Verwaltungsübertretungen im Zeitraum vom 25. Mai 2017 bis 26. Mai 2017 angelastet werden und er hat sich konkret und detailliert gegen die ihm angelasteten Taten zur Wehr gesetzt. 17 Dass der Revisionswerber an der Wahrung seiner Verteidigungsrechte gehindert gewesen oder er der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt wäre, ist somit nicht ersichtlich und lässt sich dem Revisionsvorbringen auch nicht entnehmen. 18 Der Revisionswerber moniert ferner, dass das Verwaltungsgericht die überlange Verfahrensdauer bei der Strafbemessung nicht mildernd berücksichtigt habe.

19 Nach der hg. Rechtsprechung ist die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, mwN).

20 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/02/0190, mwN).

21 Das gegenständliche Verfahren weist mit einer Dauer von zwei Jahren und knapp vier Monaten keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer auf (vgl. zu einer Verfahrensdauer von etwa zwei Jahren erneut VwGH 24.10.2019, Ra 2019/02/0190, mwN). 22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2020

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