Normen
AVG §62 Abs4;
KFG 1967 §134 Abs1;
KFG 1967 §80;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020248.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Aufwandersatzbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom 17. Juli 2017 wurde dem Mitbeteiligten "als Lenker (Fahrer)" des zur Güterbeförderung im Straßenverkehr eingesetzten Kraftfahrzeuges mit 3,5 t übersteigendem höchstzulässigen Gesamtgeweicht und dem behördlichen Kennzeichen MW-... zur Last gelegt, die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit nicht eingehalten zu haben. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 8 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 561/2006 übertreten, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 und 1b KFG eine Geldstrafe von EUR 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt wurde.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, hob das bekämpfte Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend wurde ausgeführt, dass den verba legalia der Art. 6 und 8 der VO (EG) Nr. 561/2006 der Begriff "Lenker" fremd sei, daher die durch den Klammerausdruck unbestimmte Bezeichnung nicht ausreichend konkret erscheine, und weil der Mitbeteiligte zum genannten Zeitpunkt zwar ein Sattelkraftfahrzeug, jedoch zweifelsfrei mit den Kennzeichen ME-... gelenkt habe, sei die vorgeworfene Tathandlung nicht als eine im Sinne des § 44a Z 1 VStG ausreichend konkretisierende Beschreibung anzusehen. Da die Tatbegehung während der Frist für die Verfolgungsverjährung nicht der erforderlichen Form angelastet worden sei, könne dieser Mangel nicht mehr korrigiert werden.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.
5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er um "Nachlass des Strafausmaßes" bittet.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als das Landesverwaltungsgericht die Beschreibung der verwaltungsstrafrechtlich relevanten Eigenschaft als Lenker nicht den Art. 6 und 8 der VO (EG) Nr. 561/2006 entsprechend und für das Konkretisierungsgebot des § 44a VStG zu unbestimmt erachtete (Hinweis auf VwGH 27.4.2017, Ro 2016/02/0007). Das Landesverwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die dem Mitbeteiligten innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung vorgehaltene Anzeige mit dem richtigen Kennzeichen des Fahrzeuges nicht als taugliche Verfolgungshandlung gewertet (Hinweis auf VwGH 13.12.2000, 2000/03/0294).
8 Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes, der zudem nur formelhaft, im Wesentlichen mit dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG, und damit nicht gesetzmäßig im Sinne des § 25a Abs. 1 VwGG begründet ist - zulässig und begründet:
9 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, Verwaltungsstrafgesetz2, Rz 3 § 44a, mwN).
10 Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 13.12.2017, Ro 2017/02/0027 bis 0028, mwN).
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Es ist somit erforderlich, dass sich die Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. zu alldem VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186, mwN).
12 Gemäß § 134 Abs. 1 erster Satz KFG 1967 begeht derjenige, der u.a. den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der VO (EG) Nr. 561/2006 zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung. Nach Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 561/2006 muss der Fahrer tägliche und wöchentliche Ruhezeiten einhalten. Die Definition des Art. 4 lit c VO (EG) Nr. 561/2006 bestimmt diesbezüglich unter anderem, dass unter "Fahrer" jede Person zu verstehen ist, die das Fahrzeug, sei es auch nur kurze Zeit, selbst lenkt (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2016/02/0007).
13 Wenn die Revisionswerberin im Straferkenntnis dem Mitbeteiligten "als Lenker (Fahrer)" die mangelnde Einhaltung der Ruhezeiten anlastet, stellte sie damit in nicht zu beanstandender Weise auf die - oben dargestellten - in der Person des Täters gelegenen Merkmale ab, wobei sie sich zur Klarstellung im Klammerausdruck auch noch des Gesetzeswortlautes bediente.
14 Soweit das Landesverwaltungsgericht eine Unzulänglichkeit im Spruch des Straferkenntnisses durch die Nennung eines falschen Kennzeichens des vom Mitbeteiligten gelenkten Kraftfahrzeuges sieht, ergibt sich schon aus dem Akteninhalt eindeutig, dass es sich bei der Anführung des Unterscheidungszeichens MW- (statt richtig ME-) um ein offenbares, für jedermann erkennbares Versehen handelt, wodurch die Identität der als erwiesen angenommenen Tat im Sinn des § 44a VStG nicht in Zweifel gesetzt wird (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 in E 37 zu § 44a VStG zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Hinzu kommt, dass ohnedies bereits in der vor Erlassung des Straferkenntnisses dem Mitbeteiligten zur Kenntnis gebrachten Anzeige das richtige Kennzeichen des Kraftfahrzeuges genannt wurde, was eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG darstellt (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/03/0294).
15 Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Mitbeteiligte durch die von der Revisionswerberin gesetzten Verfolgungshandlungen an der Wahrung seiner Verteidigungsrechte gehindert oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre.
16 Der Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes, dem Mitbeteiligten sei die Tatbegehung in nicht ausreichend konkretisierter Form angelastet worden, kann daher nicht beigetreten werden.
17 Das angefochtene Erkenntnis ist sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
18 Ein Aufwandersatz für die Amtsrevisionswerberin steht nach § 47 Abs. 4 VwGG nicht zu.
Wien, am 19. November 2018
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