Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §26 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018010343.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach den unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Wien (VwG) vollzogen Beamte der Landespolizeidirektion Wien am 24. Juli 2017 in einer näher genannten Wohnung in Wien einen gegen Familienmitglieder des Revisionswerbers gerichteten Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG.
2 Der Revisionswerber erhob beim VwG Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der "Bundespolizeidirektion Wien" (wohl gemeint: Landespolizeidirektion Wien) sowie das von diesen Organen gesetzte Verhalten am 24. Juli 2017 in Wien und zwar gegen die Vereitelung der telefonischen Kontaktaufnahme des Revisionswerbers mit seiner Freundin, die Verhinderung des Betretens der Wohnung durch seine Freundin, sowie deren Begleitung des Revisionswerbers beim Rettungseinsatz und Rettungstransport ins Krankenhaus; das gewaltsame Umwerfen des im Rollstuhl sitzenden Revisionswerbers; das Anlegen von Handfesseln, die Misshandlung und Fixierung des Revisionswerbers am Boden sowie das Zuspielen von Informationen über die Amtshandlung an Medien.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das VwG die Maßnahmenbeschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Unzuständigkeit zurück und sprach aus, dass die Beschwerde gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur weiteren Veranlassung übermittelt wird, verpflichtete den Revisionswerber gegenüber dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde zum Aufwandersatz in der Höhe von insgesamt EUR 426,20 und erklärte die Revision für unzulässig.
4 Begründend führte das VwG zusammengefasst aus, Gegenstand der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde sei zwar nicht der Festnahmeauftrag gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 BFA-VG des BFA gewesen, der gegen die Familie des Revisionswerbers und nicht gegen ihn gerichtet gewesen sei. Die gegen den Revisionswerber gesetzten und von diesem in Beschwerde gezogenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hätten jedoch der Durchsetzung des Festnahmeauftrags gedient und seien daher mit diesem in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang gestanden. Eine davon losgelöste Betrachtung, ob deren Gesetzmäßigkeit denkmöglich sei, komme nicht in Betracht. Ohne den von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchzuführenden Festnahmeauftrag des BFA wäre es nicht zu der Auseinandersetzung zwischen dem Revisionswerber und den eingeschrittenen Organen bzw. zu den mit der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde bekämpften Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie zum weiter gesetzten Verhalten gekommen.
Nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das BVwG nicht nur zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem
1. Hauptstück des 2. Teils des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG zuständig, sondern auch gegen die Modalitäten dieser Maßnahmen. Dementsprechend seien auch die in Beschwerde gezogenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie das weitere gesetzte Verhalten der Organe der öffentlichen Sicherheitsverwaltung Modalitäten des konkreten Festnahmeauftrags des BFA. Somit sei gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG das BVwG für die vorliegende Maßnahmenbeschwerde zuständig.
Die Unzulässigkeit der Revision begründete das VwG pauschal mit dem Fehlen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG. 5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 27.5.2019, Ra 2019/01/0190, Rn. 8, mwN).
10 Die Revision rügt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst die Unterlassung jeglicher Begründung des Zulässigkeitsausspruchs. 11 Dem ist zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Begründung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision nicht dazu führt, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig wäre. Die Zulässigkeitsbegründung der außerordentlichen Revision muss vielmehr Gründe anführen, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Lösung des Revisionsfalles von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhinge (vgl. VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0191, Rn. 5, mwN); diese Voraussetzung erfüllt das Zulässigkeitsvorbringen jedoch nicht. 12 Hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit des VwG brachte die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, zu den in Beschwerde gezogenen Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei es anlässlich eines Festnahmeauftrags gekommen, der nicht gegen den Revisionswerber, sondern gegen andere Personen durch das BFA angeordnet worden sei. Der angefochtene Beschluss widerspreche dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2015, G 233/2014, G 5/2015, zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den ordentlichen Gerichten und den Verwaltungsgerichten für faktische Amtshandlungen. Die auszugsweise wörtlich wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis würden auch "für die Abgrenzung zwischen Rechtsakten, deren Rechtsgrundlage das Asylgesetz" bilde, "für die das BFA zuständig" sei "und sonstigen Rechtsakten, wie die Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegenüber dem Beschwerdeführer, für die das nicht" zutreffe, gelten. "Infolge Verletzung der Judikatur des VfGH" sei "die außerordentliche Revision an den VwGH zulässig".
13 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit mit dem Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begründet und im Zulässigkeitsvorbringen als Beleg für ihre Rechtsansicht auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verweist, ist festzuhalten, dass Art. 133 Abs. 4 B-VG das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage und somit die Zulässigkeit einer Revision an das Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, bzw. das Fehlen von
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder an eine Uneinheitlichkeit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der zu lösenden Rechtsfrage knüpft. Das (behauptete) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vermag hingegen schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0120, Rn. 11, sowie VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rn. 14, jeweils zum Fehlen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, bzw. VwGH 28.5.2019, Ra 2019/10/0049, Rn. 10, zum Vorliegen einer allfälligen Judikaturdiskrepanz zwischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof jeweils als nicht ausreichende Zulässigkeitsbegründung).
14 Von der Revision wird diesbezüglich somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu ihrer Zulässigkeit dargetan.
15 Soweit der Revisionswerber die Ausführungen zur Zulässigkeit mit dem am 7. Juni 2019 eingebrachten Schriftsatz ergänzte, ist zu bemerken, dass die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen ist, wobei diese gesondert darzustellenden Zulässigkeitsgründe in der innerhalb der Revisionsfrist (§ 26 Abs. 1 VwGG) erhobenen Revision enthalten sein müssen. Ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen ist somit bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen (vgl. VwGH 30.10.2018, Ra 2017/05/0111, Rn. 11, mwN). Das in dem am 7. Juni 2019 nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz ergänzend erstattete Zulässigkeitsvorbringen war bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision daher nicht zu berücksichtigen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
17 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 9. Jänner 2020
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