VwGH Ra 2019/10/0049

VwGHRa 2019/10/004928.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der "Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich" in Wien, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29. Jänner 2019, Zl. VGW-101/073/17170/2017-60, betreffend Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, nunmehr: Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100049.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Jänner 2019 bestätigte das Verwaltungsgericht Wien einen im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Mai 2015, mit dem ein Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft abgewiesen worden war.

2 Dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis liegt ein Vergleich zwischen den Statuten der "Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich", ALEVI, einerseits und jenen der revisionswerbenden Partei in den Fassungen vom 4. September 2009 bzw. 7. Mai 2015 zugrunde. Zu den beiden behandelten Fassungen der Statuten der revisionswerbenden Partei vertrat das Verwaltungsgericht (näher begründet) die Auffassung, dass sich diese im Wesentlichen nicht unterschieden. Der vorgenommene Statutenvergleich zwischen der ALEVI und der revisionswerbenden Partei ergibt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die beiden Statuten im Wesentlichen (weitgehend "nahezu wortident") übereinstimmten.

3 Die von der revisionswerbenden Partei erst am 22. Jänner 2019, nachdem diese die aktuellen Statuten der ALEVI in der Verhandlung am 4. Jänner 2019 erhalten habe, vorgelegten geänderten Statuten legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde, weil diese - nach dem Dafürhalten des Verwaltungsgerichtes -ausschließlich zu dem Zweck vorgelegt worden seien, sich von den aktuellen Statuten der ALEVI zu unterscheiden, um auf diese Weise eine Anerkennung zu erwirken.

4 Dem entsprechend stützte das Verwaltungsgericht seine Abweisung des Antrags der revisionswerbenden Partei auf die "Ermangelung eines Unterschiedes der Religionslehre" der revisionswerbenden Partei zu jener der ALEVI (vgl. § 4 Abs. 1 Z 2 iVm § 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (RRBG 1998)). 5 Darüber hinaus stützte sich das Verwaltungsgericht darauf, dass die Festlegung des Beginns der Mitgliedschaft in Punkt 6.1. der Statuten der revisionswerbenden Partei, wonach jede natürliche Person, die sich zum Alevitentum bekenne und ihren Hauptwohnsitz in Österreich habe, Mitglied der revisionswerbenden Partei sei, zu unbestimmt sei; danach wären etwa auch die Mitglieder der ALEVI Mitglieder der revisionswerbenden Partei.

6 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 3.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision behaupten zunächst (unter lit. a.), eine grundsätzliche Rechtsfrage liege schon deshalb vor, weil die vom Verwaltungsgericht (in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung; vgl. etwa VwGH 15.9.2003, 2001/10/0139, VwSlg. 16.161 A, oder 5.11.2014, 2012/10/0005) vertretene Rechtsauffassung, das Vorliegen einer eigenständigen religiösen Bekenntnisgemeinschaft müsse gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 RRBG 1998 aufgrund der vorgelegten Statuten beurteilt werden, der Auffassung des VfGH widerspreche (Hinweis auf VfSlg. 19.240).

10 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine grundsätzliche Rechtsfrage zufolge Art. 133 Abs. 4 B-VG (u.a.) durch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet wird, nicht aber durch eine allfällige Judikaturdiskrepanz zwischen VfGH und VwGH. Im Übrigen hat der VfGH in seinem von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Erkenntnis vom 1. Dezember 2010, B 1214/09, VfSlg. 19.240, gerade ausgesprochen, dass die auch vorliegend interessierende Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Z 2 RRBG 1998 eine Beurteilung der "Darstellung" der Unterschiedlichkeit der vertretenen Religionslehre von jener bestehender religiöser Bekenntnisgemeinschaften bzw. von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften erfordert. Die behauptete Judikaturdiskrepanz liegt daher nicht vor.

11 3.2. Das weitere Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Partei (unter lit. b.), das Verwaltungsgericht habe entgegen der hg. Rechtsprechung die Beurteilung einer eigenständigen religiösen Bekenntnisgemeinschaft (nach § 4 Abs. 1 Z 2 RRBG 1989) nicht allein anhand eines Statutenvergleichs vorgenommen, trifft nach dem oben wiedergegebenen wesentlichen Inhalt der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu. 12 3.3. Im Weiteren wendet sich die revisionswerbende Partei (unter lit. c. und d.) näher begründet dagegen, dass das Verwaltungsgericht dem von ihm vorgenommenen Statutenvergleich nicht die im Verfahren zuletzt vorgelegten Statuten 2019 der revisionswerbenden Partei zugrunde gelegt hat (und so zur Auffassung gelangt ist, die darin dargestellte Religionslehre der revisionswerbenden Partei unterscheide sich nicht von jener der ALEVI). Auch angesichts der langen Dauer von Verfahren zur Anerkennung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft - so die revisionswerbende Partei - müsse eine Weiterentwicklung des in den vorgelegten Statuten beschriebenen Glaubens möglich sein. 13 Mit diesem Vorbringen lässt die revisionswerbende Partei allerdings die oben (Rz 5) wiedergegebene (tragfähige) Alternativbegründung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Festlegung des Beginns der Mitgliedschaft in Punkt 6.1. der Statuten der revisionswerbenden Partei, wonach jede natürliche Person, die sich zum Alevitentum bekenne und ihren Hauptwohnsitz in Österreich habe, Mitglied der revisionswerbenden Partei sei, zu unbestimmt sei, außer Acht. Die genannte Statutenbestimmung findet sich - nach Ausweis der Verfahrensakten - auch in den von der revisionswerbenden Partei mit Schriftsatz vom 22. Jänner 2019 vorgelegten Statuten.

14 Beruht ein angefochtenes Erkenntnis jedoch auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, so ist die Revision unzulässig (vgl. etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2017/10/0052, mwN, oder 25.5.2018, Ra 2018/10/0060).

15 3.4. Mit den abschließend (unter lit. e. und f.) unterbreiteten Verfahrensrügen wird eine Darlegung der konkreten Relevanz nicht verknüpft, sodass damit schon aus diesem Grund eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt werden kann (vgl. etwa die Judikaturnachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, E 140 ff zu § 28 VwGG); insbesondere stellen diese Verfahrensrügen keinerlei Bezug zu der erwähnten Alternativbegründung des Verwaltungsgerichtes her. 16 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

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