VwGH Ra 2019/21/0182

VwGHRa 2019/21/018222.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M A in K, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Mai 2019, G302 2156701-3/2E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10 idF 2012/I/087
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §53 Abs1
MRK Art8
MRK Art8 Abs2
NAG 2005 §44b Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210182.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein im Februar 1982 geborener, aus Bagdad stammender irakischer Staatsangehöriger. Im Irak leben noch seine Eltern und mehrere Geschwister. Der Revisionswerber stellte nach seiner Einreise in Österreich am 24. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 18. April 2017 hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz ab. Unter einem erließ es eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak fest. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. Juli 2017 als unbegründet ab. Die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. September 2017, Ra 2017/01/0255, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurück. 3 Bereits am 31. Oktober 2017 stellte der Revisionswerber neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Asylfolgeantrag wies das BFA mit Bescheid vom 15. Oktober 2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück. Es wurde wieder eine Rückkehrentscheidung erlassen und damit ein mit zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden. Schließlich wurde noch einmal festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 9. November 2018 ab. Bei der Interessenabwägung zur Rückkehrentscheidung legte das BVwG in Bezug auf die Beschäftigungen des Revisionswerbers zugrunde, er habe von 16. November 2017 bis 6. Mai 2018 und von 12. Juli 2018 bis 16. September 2018 aufgrund hierfür erteilter befristeter Beschäftigungsbewilligungen für die Tätigkeit als Küchengehilfe in einem Restaurantbetrieb in Kaprun gearbeitet. Derzeit gehe er keiner geregelten Beschäftigung nach und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Nach der Aktenlage sei ein (weiteres) Ansuchen des genannten Restaurantbetriebes "um Wiedergenehmigung" des Revisionswerbers "als Mitarbeiter" an das Arbeitsmarktservice gerichtet worden.

5 Hierauf stellte der Revisionswerber am 11. Dezember 2018 einen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005. In diesem Antrag brachte er - soweit im Revisionsverfahren von Belang - in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen als wesentliche, seit der zuletzt ergangenen Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung vor, aufgrund des Antrags vom 4. Oktober 2018 sei dem erwähnten Restaurantbetrieb mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 für den Revisionswerber eine Bewilligung für die ganztägige Beschäftigung als Küchengehilfe für die Zeit vom 15. November 2018 bis 8. Mai 2019 mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.550,- EUR erteilt worden. Der Revisionswerber übe dem entsprechend seit 15. November 2018 wieder diese Beschäftigung aus, wobei ihm von der Arbeitgeberin in einem dem BFA vorgelegten Schreiben vom 7. Jänner 2019 äußerstes Engagement und Gewissenhaftigkeit attestiert wurde. Des Weiteren wurde darin zum Ausdruck gebracht, dass man dem Revisionswerber - soweit gesetzlich zulässig - gerne auch eine "Ganzjahresstelle" anbieten würde.

6 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 26. Februar 2019 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück, weil entsprechend der genannten Bestimmung gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte, nicht hervorgehe. 7 Diese Einschätzung bestätigte das BVwG und wies daher die dagegen erhobene Beschwerde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 6. Mai 2019 als unbegründet ab. Des Weiteren sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Nach der zu § 44b Abs. 1 Z 1 NAG, der Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005, ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (siehe VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Punkt. 3.5.1. der Entscheidungsgründe, mit dem Hinweis auf VwGH 22.7.2011, 2011/22/0127, und VwGH 5.5.2015, Ra 2014/22/0115). 11 Von diesen Grundsätzen ist auch das BVwG in seiner Entscheidung ausgegangen. Es war aber der Meinung, der Umstand, dass der Revisionswerber nunmehr über eine weitere Beschäftigungsbewilligung vom 15. November 2018 bis 8. Mai 2019 verfüge, weise keine solche Bedeutung auf, dass er eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde, zumal wegen der Befristung der Beschäftigungsbewilligung eine "fortwährende Selbsterhaltungsfähigkeit trotz derzeitiger Abmeldung von der Grundversorgung nicht gewährleistet" sei. 12 Dem tritt die Revision - mehrfach wiederholend - damit entgegen, dass sich durch die nunmehr zum dritten Mal erteilte Beschäftigungsbewilligung und die dem entsprechend ausgeübte Tätigkeit mit einem Bruttoentgelt von 1.550,- EUR die Beschäftigungsdauer bei derselben Arbeitgeberin auf nunmehr insgesamt 13 Monate und 14 Tage erhöht und eine deutlich günstigere Integrationsprognose betreffend die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben habe. Außerdem resultiere daraus eine weitere Verstärkung des Loyalitäts- und Vertrauensverhältnisses zur Arbeitgeberin.

13 Damit wird aber nicht dargetan, dass die einzelfallbezogene Beurteilung des BVwG, es sei gegenüber der vom BVwG mit Erkenntnis vom 9. November 2018 bestätigten Rückkehrentscheidung nicht zu einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung gekommen, die eine neue Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG erfordert hätte, unvertretbar ist (siehe zu diesem für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG bei einer Beurteilung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 maßgeblichen Kalkül VwGH 4.4.2019, Ro 2019/21/0003, Rn. 9; siehe auch allgemein zu einzelfallbezogenen Beurteilungen zuletzt VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0032, 0033, Rn. 22, mwN).

14 Zunächst lässt der Revisionswerber nämlich außer Acht, dass die in Rede stehende Beschäftigungsbewilligung bereits am 30. Oktober 2018, somit vor Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 9. November 2018, erteilt und der zugrunde liegende Antrag vom 4. Oktober 2018, durch den die Zufriedenheit der Arbeitgeberin und ihr Wunsch zur Weiterbeschäftigung des Revisionswerbers bereits zum Ausdruck gekommen waren, damals vom BVwG bei der nach § 9 BFA-VG in Bezug auf die Rückkehrentscheidung vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigt wurde. Schon deshalb musste die neuerliche Beschäftigung nicht als maßgebliche Änderung angesehen werden, zumal - worauf das BVwG ebenfalls hinwies - auch dieser zusätzliche Integrationsschritt dadurch relativiert ist, dass sich der Revisionswerber im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG der Unsicherheit seines Aufenthalts bewusst sein musste (siehe im Ergebnis ebenso zu einem sachverhaltsmäßig ähnlichen Fall VwGH 4.4.2019, Ro 2019/21/0003, Rn. 9; siehe zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit das insoweit auch vergleichbare Erkenntnis VwGH 13.9.2011, 2011/22/0035 bis 0039). Dieser Gesichtspunkt wird aber im vorliegenden Fall auch noch dadurch verstärkt, dass gegen den Revisionswerber schon wegen der Nichtbefolgung der ersten Rückkehrentscheidung (siehe das BVwG-Erkenntnis vom 4. Juli 2017) sodann im Zusammenhang mit der Zurückweisung seines Asylfolgeantrags rechtskräftig ein befristetes Einreiseverbot - mag es auch für sich genommen die Erteilung des beantragten Titels nicht von vornherein ausgeschlossen haben (vgl. zuletzt VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0034, Rn. 10, mit dem Hinweis auf VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037) - erlassen wurde. 15 Soweit sich der Revisionswerber unter Bezugnahme auf bestimmte Feststellungen im Bescheid des BFA vom 15. Oktober 2018 auch noch auf die schlechte Sicherheitslage im Irak beruft, geht es schon nach dem eigenen Vorbringen gerade nicht um Umstände, die seit der letzten Rückkehrentscheidung eine Änderung erfahren haben; schon von daher waren sie keiner neuerlichen inhaltlichen Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 23.4.2015, Ra 2015/21/0033, 0034). Sie verleihen aber - so ist die Zielrichtung der Revision - der zusätzlichen Beschäftigung auch in Verbindung mit den anderen für den Revisionswerber sprechenden, schon in der Vorentscheidung berücksichtigten Tatsachen (Mitgliedschaft in einem Sportverein, soziale Integration belegt durch Unterstützungsschreiben, Deutschprüfung auf dem Niveau A2 und Besuch eines Werte- und Integrationskurses) nicht eine solche Maßgeblichkeit, dass bei deren Abwägung insgesamt ein anderes Ergebnis hätte potentiell möglich erscheinen müssen (vgl. zur Verhältnismäßigkeit von Rückkehrentscheidungen trotz besonderer Integrationsbemühungen in Fällen mit ähnlicher Aufenthaltsdauer etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0149, und die dort in Rn. 8 und 9 zitierte Judikatur).

16 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 22. August 2019

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