VwGH Ra 2019/19/0144

VwGHRa 2019/19/014425.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des K N, vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Februar 2019, Zl. W144 2177298- 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
AVG §37
AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190144.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 8. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe in Afghanistan zwei Selbstmordattentate überlebt. Es herrsche Krieg und sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr. Sein Vater habe als Fahrer für einen Regierungsangehörigen gearbeitet, deshalb seien er und seine Familie bedroht worden.

2 Mit Bescheid vom 15. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Es stützte sich in der Begründung u.a. auf das Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, es liege keine bzw. keine einheitliche Rechtsprechung dahingehend vor, welche Sachverständige vom BVwG zur Frage der Länderberichte bzw. Rückkehrgefahren beizuziehen seien. Eine Klärung dieser Frage sei auch unter Berücksichtigung der aktuellen Medienberichte hinsichtlich der Entziehung des Status eines näher genannten Sachverständigen notwendig. In den Feststellungen zur Lage in Afghanistan werde auf das Länderinformationsblatt sowie ein Gutachten von F.S. verwiesen. Es handle sich bei den getroffenen Feststellungen offenbar um einen "copy/paste Standardtext", welcher wohl regelmäßig f��r hilfesuchende afghanische Flüchtlinge in den Entscheidungen des BVwG Verwendung finde. Soweit sich das BVwG auf ein Gutachten der Sachverständigen der F. S. vom 28. März 2018 beziehe, bestehe auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darüber, wie alt ein Sachverständigengutachten sein dürfe, wenn es für derart wichtige Entscheidungen verwendet werde. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung sei das Gutachten bereits ein gutes Jahr alt gewesen. In einem Krisenland (failed state) wie Afghanistan würden äußerst schnell geänderte Verhältnisse vorherrschen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0315, mwN).

9 Eine Relevanzdarstellung in diesem Sinne lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen (wie auch den weiteren Revisionsausführungen) nicht entnehmen. Insgesamt zeigt die Revision fallbezogen daher weder auf, dass in der Stadt Mazar-e Sharif eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellen würde, noch dass ihm eine Ansiedlung in dieser Stadt nicht zumutbar wäre (vgl. in Bezug auf Mazar-e Sharif VwGH 7.5.2019, Ra 2019/20/0144; 6.5.2019, Ra 2019/14/0192; 25.4.2019, Ra 2019/19/0133; 12.4.2019, Ra 2019/18/0133).

10 Im Übrigen ist, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0336, mwN). Im gegenständlichen Fall hat sich das BVwG bei seiner Beurteilung der allgemeinen Begebenheiten in Afghanistan nicht nur auf das - vom Revisionswerber zudem selbst ins Verfahren eingeführte - Gutachten der F.S., sondern auch tragend auf Länderberichte gestützt, denen die Revision nicht überzeugend entgegen getreten ist. Schon allein deshalb hängt das rechtliche Schicksal der Revision nicht von der Lösung der vom Revisionswerber in Bezug auf die Beiziehung von Sachverständigen aufgeworfenen Rechtsfrage ab.

11 Insoweit der Revisionswerber schließlich geltend macht, ihm sei keine ausreichende Möglichkeit eingeräumt worden, zum Sachverständigengutachten eine Stellungnahme abzugeben, ist ihm zu entgegnen, dass der Revisionswerber selbst - wie bereits dargelegt - das genannte Gutachten mittels Stellungnahme vom 7. Februar 2019 in das Verfahren eingeführt hat. Was den Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs anbelangt, ist daher nicht zu erkennen, dass das BVwG weitere Ermittlungen vorgenommen oder neue Tatsachen eingeführt hätte, sodass es nicht gehalten war, neuerlich Parteiengehör einzuräumen (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2017/22/0143, mwN).

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2019

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