Normen
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §58
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §29
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180288.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 15. September 2018 mit einem von der ungarischen Botschaft in Teheran ausgestellten Visum der Kategorie D, gültig von 30. August 2018 bis 29. August 2019 und für einen dreißigtägigen Aufenthalt bestimmt, über Ungarn in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein. Am selben Tag reiste er mit dem Zug nach Österreich ein.
2 Am 23. April 2019 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. 3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 30. April 2019 ein auf Art. 34 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Informationsersuchen an die zuständige ungarische Behörde. Diese antwortete mit Schreiben vom 7. Mai 2019, dass die ungarische Botschaft in Teheran dem Revisionswerber ein Visum der Kategorie D am 28. August 2017 sowie einen Aufenthaltstitel zur Ausbildung ("residence permit for educational purposes"), gültig bis zum 31. Oktober 2019, erteilt habe.
4 Daraufhin stellte das BFA am 9. Mai 2019 ein auf Art. 12 Abs. 1 oder 3 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an die zuständigen ungarischen Behörden, welche mit Mitteilung vom 17. Mai 2019 einer Aufnahme des Revisionswerbers zustimmten. 5 In einer Stellungnahme vom 28. Mai 2019 brachte der Revisionswerber vor, es wäre zu einer radikalen Änderung des ungarischen Asylsystems gekommen, weshalb er bei Einreise gefährdet wäre, in eine Transitzone zu kommen bzw. in Haft genommen zu werden, weil er sich unrechtmäßig in Ungarn aufhalten würde und nicht gleich bei erstmaliger Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätte. Zudem hätte er in Ungarn nicht die geringste Chance, dass man ihm aufgrund seiner Konversion Asyl gewähre.
6 Mit Bescheid vom 6. Juni 2019 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), ohne in die Sache einzutreten, als unzulässig zurück und stellte fest, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem ordnete es die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG an und erklärte die Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig (Spruchpunkt II.).
7 Begründend führte das BFA aus, dass sich für den Revisionswerber die Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ergebe, weil er sowohl im Besitz eines ungarischen Visums als auch eines ungarischen Aufenthaltstitels für Studierende gewesen sei. Es spreche gegen die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers, dass er zu keinem Zeitpunkt den Aufenthaltstitel angegeben habe. Zudem stellte das BFA fest, dass sich die Mutter, der Bruder sowie die Verlobte des Revisionswerbers in Österreich als anerkannte Flüchtlinge aufhalten würden. Bezüglich des Vorbringens des Revisionswerbers, wonach ihm in Ungarn Schubhaft drohe, führte das BFA aus, dass er über einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge und sich daher in Zusammenschau mit den Länderberichten ergebe, dass er in Ungarn einen Asylantrag stellen könne und nicht in die Transitzone verbracht werden würde.
8 Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B). Begründend führte das BVwG aus, dass es in Zusammenschau der Länderberichte mit laufender Medienbeobachtung keine ausreichend begründeten Hinweise darauf gebe, dass das ungarische Asylverfahren grobe systemische Mängel aufweisen würde, welche im gegenständlichen Fall verfahrensrelevant wären.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zusammengefasst vorbringt, dass dem Revisionswerber tatsächlich kein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, weil er einen Antrag auf Erteilung eines solchen nicht gestellt habe. Die Auskünfte der ungarischen Behörden seien nicht richtig. Zudem hätten das BFA und das BVwG keine ausreichenden Ermittlungen zur Frage der Erteilung eines gültigen Aufenthaltstitels getätigt. Weiters sei das Recht auf Parteiengehör des Revisionswerbers nicht gewahrt worden, weil ihm das Ermittlungsergebnis nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Zuletzt gebe es keine Rechtsprechung zu der Frage, ob bereits die Ausstellung eines Visums der Kategorie D zum Zwecke der Entgegennahme, Ausfolgung oder Abholung eines Aufenthaltstitels tatsächlich einen Aufenthaltstitel im Sinne der Dublin III-VO darstelle.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 29.5.2019, Ra 2019/20/0225, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Erkenntnisses geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 14.2.2019, Ra 2018/18/0442, mwN).
15 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass ein Begründungsmangel im Hinblick auf die Annahme der Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliege, da nicht nachvollziehbar sei, wann und von welchen Behörden dem Revisionswerber ein solcher erteilt worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das BVwG sich in der Beweiswürdigung mit dem Schreiben der ungarischen Behörden auseinandergesetzt hat und sich aus diesem klar ergibt, dass dem Revisionswerber sowohl ein Visum der Kategorie D als auch ein studentischer Aufenthaltstitel, gültig bis zum 31. Oktober 2019, von der ungarischen Botschaft ausgestellt wurden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angaben der ungarischen Behörden unrichtig wären.
16 Wenn die Revision weiters vorbringt, dass der Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gehabt habe, weil er einen solchen nie beantragt habe, greift sie die Beweiswürdigung des BVwG an. Die Revision vermag jedoch nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2019/18/0106, mwN).
17 Sofern die Revision zudem moniert, das BFA habe nicht ausreichend ermittelt, ob tatsächlich ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist, lässt sich nicht erkennen, inwiefern das BFA von der Ermittlungspflicht abgewichen wäre, zumal es eine Anfrage an die zuständigen ungarischen Behörden gestellt hat.
18 In der Begründung zur Zulässigkeit wird außerdem ins Treffen geführt, das BFA habe das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör nicht gewahrt. Den Parteien ist gemäß § 37 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 AVG das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vorzuhalten, das sind insbesondere all jene rechtserheblichen Tatsachen, die das zuständige Organ als erwiesen erachtet. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, mwN). Nachdem die Beweiswürdigung nicht zu den Ergebnissen gehört, zu denen im Rahmen des Parteiengehörs zwingend die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen wäre, war das BFA nicht gehalten, dem Revisionswerber die Ergebnisse des Beweisverfahrens vorzuhalten. Darüber hinaus traf das BFA bereits im Bescheid die Feststellung, dass der Revisionswerber über einen ungarischen Aufenthaltstitel verfüge, nachdem die ungarischen Behörden dies bestätigten. Daher hatte der Revisionswerber bereits im Rahmen seiner gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde an das BVwG die Gelegenheit, sich zu dieser vom BFA getroffenen Feststellung zu äußern. Davon machte er ohnehin insofern Gebrauch, als er ausführte, dass es sich um eine Fehlinformation der ungarischen Behörden handle, weil er diesen Titel weder beantragt noch erhalten habe.
19 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0053, mwN). Bei dem Vorbringen des Revisionswerbers, es gebe keine Rechtsprechung zu der Rechtsfrage, ob ein Visum der Kategorie D einen Aufenthaltstitel im Sinne der Dublin III-VO darstelle, ist auszuführen, dass das BVwG bereits festgestellt hat, es sei ein studentischer Aufenthaltstitel vorgelegen. Damit wirft der Revisionswerber keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt des BVwG entfernt.
20 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. August 2019
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