VwGH Ra 2019/20/0225

VwGHRa 2019/20/022529.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision

1. des M S, 2. der A G, 3. der Z S und 4. der D S, alle in E, alle vertreten durch Mag. Titus Trunez in 4150 Rohrbach, Bahnhofstraße 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Februar 2019, Zlen. 1. W182 2176175-1/27E (hg. prot. zu Ra 2019/20/0225),

  1. 2. W182 2176171-1/25E (hg. prot. zu Ra 2019/20/0226),
  2. 3. W182 2176176-1/12E (hg. prot. zu Ra 2019/20/0227) und
  3. 4. W182 2176174-1/12E (hg. prot. zu Ra 2019/20/0228), betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG §133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200225.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet, die Dritt- und Viertrevisionswerberinnen sind deren minderjährige Töchter. Alle revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die Zweit- bis Viertrevisionswerberinnen stellten am 6. April 2015, der Erstrevisionswerber am 16. Oktober 2015 Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden jeweils vom 25. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerber Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Überdies wurde den Revisionswerbern eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise gewährt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 29. Juni 2018 und am 13. Juli 2018 - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B). 4 Mit Beschluss vom 13. März 2019, E 722-725/2019-8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 25.2.2019, Ra 2019/20/0049, mwN).

9 In der vorliegenden außerordentlichen Revision werden zur Zulässigkeit im Wesentlichen Begründungsmängel vorgebracht. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang moniert, es fehle eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme des BVwG, die Revisionswerber seien politisch aktiv gewesen und keine Angehörigen des sunnitisch-muslimischen Glaubens, liegt ein solcher Begründungsmangel schon deshalb nicht vor, weil dem angefochtenen Erkenntnis eine solche Feststellung nicht zu entnehmen ist. Vielmehr ging das BVwG eindeutig davon aus, dass die Revisionswerber der sunnitisch-muslimischen Glaubensrichtung angehören und nicht politisch aktiv waren.

10 Soweit die Revision darüber hinaus moniert, das BVwG hätte den Revisionswerbern den Status der Asylberechtigten zuerkennen müssen, weil es von der Richtigkeit der Angaben des Erstrevisionswerbers über dessen asylrelevante Verfolgung im Jahr 2013 ausgegangen sei, zeigt sie nicht auf, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG vorgelegen wären (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203, mwN). 11 In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters geltend gemacht, es fehle eine konkrete rechtliche Begründung, weshalb gerade im gegenständlichen Fall keine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe und warum das BVwG rechtlich "festgestellt" habe, dass den Revisionswerbern keine Übergriffe von ausreichender Intensität drohten.

12 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der von der Revision angesprochenen Beurteilung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. zuletzt etwa VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0175, mwN).

13 Das BVwG hat konkrete Feststellungen zur individuellen Situation der Revisionswerber getroffen und seinen Feststellungen aktuelle Länderberichte zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere in der Republik Dagestan, zugrunde gelegt. Darunter finden sich auch - entgegen dem Vorbringen in der Revision - Berichte zur Versorgungslage im Herkunftsland der Revisionswerber. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die auf diesen Feststellungen gegründete rechtliche Einschätzung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre.

14 Soweit die Revision schließlich vorbringt, die getroffenen Länderfeststellungen seien nicht nur unvollständig, sondern in sich widersprüchlich, ohne dabei aber einen konkreten Fallbezug herzustellen, wird sie mit ihren pauschalen Behauptungen den Anforderungen an eine konkrete Darlegung der Zulässigkeitsgründe nicht gerecht (vgl. wiederum VwGH 25.2.2019, Ra 2019/20/0049, mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zur��ckzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

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