VwGH Ra 2019/02/0075

VwGHRa 2019/02/007525.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2019, Zl. W172 2188762- 1/38E, betreffend Übertretung des Börsegesetzes (mitbeteiligte Partei: Mag. J B in W, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37
BörseG 1989 §48a Abs1 Z2 idF 2013/I/184
BörseG 1989 §48a Abs1 Z2 lita idF 2013/I/184
BörseG 1989 §48a Abs1 Z2 lita sublitaa
BörseG 1989 §48a Abs1 Z2 lita sublitaa idF 2013/I/184
BörseG 1989 §48a Abs1 Z2 lita sublitab idF 2013/I/184
BörseG 1989 §48a Abs1 Z5
BörseG 1989 §48a Abs1 Z5 idF 2013/I/184
BörseG 1989 §48c idF 2015/I/150
MpV 2005
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020075.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei vom 30. Jänner 2018 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe es als zur Vertretung nach außen befugtes Organ der G GmbH zu verantworten, dass er am 15. Februar 2016, im Zeitraum von 15:43:12 Uhr bis 16:41:30 Uhr an der Wiener Börse AG durch elektronische Ordereingabe via eine näher genannte Bank im Titel einer bestimmten AG fortgesetzt Marktmanipulation betrieben habe. Dies durch die Erteilung näher angeführter Order, die jeweils eine bestimmte näher dargestellte Änderung des Kursverlaufes des Titels der AG bewirkt habe. Wegen Verletzung des § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa und ab BörseG iVm. § 48c BörseG wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 48c BörseG eine Geldstrafe von EUR 40.000,--

sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. Die G GmbH hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 erster Fall VStG eingestellt. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig. 3 Das BVwG traf zunächst dem angefochtenen Straferkenntnis entsprechende Feststellungen zu den getätigten Geschäften und gab das Verhandlungsprotokoll vom 10. und 22. Jänner 2019 wörtlich wieder. In der Folge gab es beweiswürdigend an, dem Gutachten des "Sachverständigen" zu folgen, der Mitbeteiligte führe kein Eigenhandelsbuch, weshalb die Orders "kundengetrieben" gewesen seien. Der Sachverständige habe sich nicht zu Rechtsfragen geäußert. Den Aussagen der Zeugen zu den einzelnen Orders sei aus näher dargestellten Erwägungen zu folgen. Rechtlich erläuterte das BVwG, der Sachverständige habe die "Vorfrage", ob die "verfahrensgegenständlichen" Kauf- und Verkaufsorders im Gegensatz zu normalen Verhältnissen der Anforderung einer wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit nicht entsprochen hätten oder ob die Signale, die mit diesen Aufträgen ausgegeben worden seien, wirtschaftlich betrachtet tatsächlich "falsch" in dem Sinne gewesen seien, dass sie nicht den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das betreffende Finanzinstrument entsprochen hätten, verneint. Beim Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des anormalen oder künstlichen Kursniveaus sei als "Vorfrage" zu klären gewesen, ob das mit den "verfahrensgegenständlichen" Kauf- und Verkaufsorders hervorgerufene Kursniveau aus wirtschaftlicher Sicht auch im Hinblick auf relative Entwicklungen zu vergleichbaren Finanzinstrumenten vorliegen würde, was vom Sachverständigen bejaht worden sei. Die Marktkonformität sei vom Sachverständigen ebenso bejaht worden. Aus diesem Grund sei der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Mangels Vorsatz sei auch die subjektive Tatseite nicht erfüllt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde.

5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück- bzw. Abweisung der Revision sowie den Zuspruch von Aufwandersatz beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, das BVwG weiche von näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei; über weite Teile würden lediglich Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll zitiert, ohne den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt festzustellen.

7 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.

8 § 48a Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989, in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 184/2013, lautete auszugsweise:

"Marktmissbrauch

§ 48a. (1) Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. ‚Insider-Information' ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

b) In Bezug auf Warenderivate ist ‚Insider-Information' eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt ein solches Derivat oder mehrere solche Derivate betrifft und von der Teilnehmer an Märkten, auf denen solche Derivate gehandelt werden, erwarten würden, dass sie diese Information in Übereinstimmung mit der zulässigen Marktpraxis an den betreffenden Märkten erhalten würden. Das sind Informationen, die direkt oder indirekt ein solches Derivat oder mehrere solche Derivate betreffen und den Teilnehmern auf solchen Märkten regelmäßig zur Verfügung gestellt werden oder in Anwendung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Handelsregeln, Verträgen oder Regeln, die auf dem Markt, auf dem die Warenderivate gehandelt werden, bzw. auf der jeweils zugrunde liegenden Warenbörse üblich sind, öffentlich bekannt gegeben werden müssen. In Bezug auf Warenderivate, die keine Finanzinstrumente gemäß WAG 2007 sind, werden die nach diesem Bundesgesetz sonst der FMA zugewiesenen Zuständigkeiten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wahrgenommen, die §§ 48i bis 48p sind jedoch nicht anzuwenden.

c) Für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen betreffend Finanzinstrumente beauftragt sind, bedeutet ‚Insider-Information' auch eine Information nach lit. a oder b, die von einem Kunden mitgeteilt wurde und sich auf die noch nicht erledigten Aufträge des Kunden bezieht.

d) In Bezug auf Zwei-Tage-Spots auf Emissionszertifikate ist ‚Insider-Information' eine nicht öffentlich bekannte genaue Information, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Fünf-Tage-Futures auf Emissionszertifikate oder Zwei-Tage-Spots auf Emissionszertifikate betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, die Gebote im Sinne von Art. 3 Z 5 der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 zu beeinflussen; für Personen, die mit der Ausführung von Geboten beauftragt sind, bedeutet ‚Insider-Information' auch eine Information, die von einem Kunden mitgeteilt wurde und sich auf noch offene Gebote des Kunden bezieht, die genau ist, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Auktionsobjekte betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, das Preisgebot erheblich zu beeinflussen.

2. ‚Marktmanipulation' sind

a) Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die

aa) falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten, oder

ab) den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird,

es sei denn, dass die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen.

Bei der Beurteilung der Geschäfte oder Kaufbzw. Verkaufsaufträge gemäß lit. a als Marktmanipulation sind unbeschadet der Fälle von Marktmanipulation gemäß Abs. 2 insbesondere folgende Umstände - die als solche nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind - zu berücksichtigen:

Bei der Beurteilung der Geschäfte oder Kaufbzw. Verkaufsaufträge gemäß lit. b als Marktmanipulation sind unbeschadet der Fälle von Marktmanipulation gemäß Abs. 2 insbesondere folgende Umstände - die als solche nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind - zu berücksichtigen:

(2) Als ‚Marktmanipulation' im Sinne des Abs. 1 Z 2 gelten insbesondere:

1. Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge einer direkten oder indirekten Festsetzung des Ankaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen;

2. Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Börsenschluss mit der Folge, dass Anleger, die auf Grund des Schlusskurses tätig werden, irregeführt werden;

3. Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument (oder indirekt zu dem Emittenten dieses Finanzinstruments), wobei zuvor Positionen bei diesem Finanzinstrument eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt auf ordnungsgemäße und effiziente Weise mitgeteilt wird.

(3) Ob eine ‚zulässige Marktpraxis' gemäß Abs. 1 Z 5 vorliegt, kann die FMA durch Verordnung festlegen. ..."

§ 48c BörseG idF BGBl. I Nr. 150/2015, lautete:

"Marktmanipulation

§ 48c. Wer Marktmanipulation betreibt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar. Ein erzielter Vermögensvorteil ist von der FMA als verfallen zu erklären."

9 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 24 VStG die Begründungspflicht im Sinn des § 58 AVG von Bedeutung (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2018/03/0134, mwN).

10 Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN).

11 Nach der hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 30.7.2019, Ra 2017/05/0001, 0002, mwN).

12 Diesen Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:

13 Unter den Tatbestand der Marktmanipulation gemäß § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a BörseG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung fallen einerseits Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten, andererseits aber auch Kauf- oder Verkaufsaufträge, die den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird. In beiden Fällen liegt jedoch keine Marktmanipulation vor, wenn die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, legitime Gründe dafür hatte und diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen (VwGH 26.5.2014, 2010/17/0123, 0124; vgl. zur zulässigen Marktpraxis auch § 48a Abs. 1 Z 5 BörseG).

14 Während nach § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. ab auf das Ergebnis der Kursbeeinflussung abgestellt wird ("dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird"), genügt es nach sublit. aa, dass die Geschäfte "falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten". Im Fall der sublit. aa wird somit nicht auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs abgestellt, sondern lediglich darauf, dass von den Geschäften bestimmte Signale "für den Kurs" ausgehen könnten (vgl. dazu VwGH 24.2.2014, 2012/17/0004).

15 Die Frage, ob durch die angelasteten Geschäfte falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Kurs der Finanzinstrumente gegeben werden oder gegeben werden könnten, zielt auf die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts (die Geschäfte) unter den gesetzlichen Tatbestand des § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG ab. Die Prüfung, ob dieser erfüllt ist, stellt daher eine Rechtsfrage dar. Eine bloße Wiedergabe eines gesetzlichen Tatbestandes würde nämlich für die Feststellung des Sachverhaltes nicht ausreichen (vgl. VwGH 29.4.2014, 2012/17/0148).

16 Somit ist die Frage, ob durch die von der vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft verursachten Geschäfte irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder die Kursbildung der damit gehandelten Aktien geben konnten, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu behandeln.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch den Standpunkt vertreten, dass es für das Vorliegen einer zulässigen Marktpraxis im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 5 BörseG erforderlich ist, dass eine nach der Marktpraxisverordnung (MpV), BGBl. II Nr. 1/2005, zulässige Marktpraxis vorliegt (VwGH 28.3.2011, 2010/17/0175). Ob ein bestimmtes gesetztes Verhalten von einer Verordnung gedeckt ist, ist ebenfalls eine Rechtsfrage.

18 Weiters ist auszuführen, dass die Strafbarkeit nach § 48c in Verbindung mit § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG nicht den Eintritt eines bestimmten Schadens voraussetzt (vgl. etwa VwGH 29.11.2010, 2010/17/0132).

19 Im vorliegenden Fall hat das BVwG nun in seinem mit "Feststellungen" betitelten Teil des Erkenntnisses zunächst mit den Feststellungen des angefochtenen Straferkenntnisses der revisionswerbenden Partei idente Feststellungen zur vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft und weiteren an den angelasteten Geschäften beteiligten (juristischen und natürlichen) Personen und den gehandelten Aktien getroffen. Wortgleich sind weiters die Feststellungen zur auffälligen Kursbewegung, die unter Wiedergabe der Schwankungen des Kurswertes der gehandelten Aktie im Orderbuch erfolgt sowie die Wiedergabe der Telefongespräche des Mitbeteiligten am Tattag. Darauf folgen im Konjunktiv gehaltene Ausführungen des Mitbeteiligten im Verfahren vor der revisionswerbenden Partei sowie die im Indikativ gehaltene Feststellung zur Vorgangsweise der Eintragung einer Order gemäß dem "Organisationshandbuch" der vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft. Danach erschöpft sich die "Sachverhaltsfeststellung" in der wörtlichen Wiedergabe des Verhandlungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 10. und 22. Jänner 2019. 20 In der Beweiswürdigung findet sich in der Folge der Satz "(D)em Gutachten konnte vollinhaltlich gefolgt werden". Das BVwG befasst sich in seiner Beweiswürdigung in der Folge mit "gutachterlichen" Ausführungen zum fehlenden Eigenhandelsbuch des Mitbeteiligten sowie der Beweiswürdigung zu den zuvor festgestellten Telefonaten. In seinen rechtlichen Erwägungen kommt das BVwG zum Schluss, dass "aufgrund der Feststellungen, die auf den gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen" beruhten, der angelastete Tatbestand nicht erfüllt sei. Der Sachverständige sei zur Beantwortung von Tatfragen herangezogen worden, es seien als "Vorfragen" zu klären gewesen, ob die "verfahrensgegenständlich en Kauf- und Verkaufsorders im Gegensatz zu ‚normalen' Verhältnissen der Anforderung einer wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit nicht entsprochen" hätten oder "ob die Signale, die mit diesen Aufträgen ausgegeben" worden seien, wirtschaftlich betrachtet, tatsächlich "falsch" in dem Sinne gewesen seien, dass sie nicht den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das betreffende Finanzinstrument entsprochen hätten. Ebenso verhalte es sich mit dem Vorliegen eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus. Diese "Vorfragen" habe der Sachverständige beurteilt.

21 Das BVwG hat im Wesentlichen wortidente Feststellungen wie die revisionswerbende Partei zur Aufgabe der jeweiligen Order und den Telefonaten getroffen. Es hat jedoch in der Folge keinerlei über die Feststellungen der FMA im Straferkenntnis hinausgehende Feststellungen getroffen, die das von ihm erzielte rechtliche Ergebnis stützen könnten. Die diesbezüglich nach Ansicht des BVwG tragenden "Feststellungen" sollen sich in der wörtlichen Wiedergabe des Verhandlungsprotokolles finden ("(a)ufgrund der Feststellungen, die auf den gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen beruhen").

22 Die Feststellung des für die Entscheidung relevanten Sachverhalts vermag durch die Wiedergabe eines Verhandlungsprotokolles nicht ersetzt zu werden (vgl. VwGH 1.3.2016, Ro 2014/11/0024, zur Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens; 24.3.2015, Ra 2014/21/0049, zur Wiedergabe des Verhandlungsprotokolls).

23 Es ist hier nicht ersichtlich, dass sich das BVwG bei der Wiedergabe des Verhandlungsprotokolls mit dem seiner Meinung nach die Entscheidung tragenden Vorbringen, den Zeugenaussagen und den Aussagen des "Sachverständigen" in einer einen Sachverhalt feststellenden Weise auseinandergesetzt hat; es findet sich keine im Indikativ gehaltene Aussage, von welchem Sachverhalt das BVwG in diesem Zusammenhang ausgeht. Der pauschale Hinweis auf ein "Sachverständigengutachten", das im Übrigen nirgends näher dargestellt wird und das für keine nähere Feststellung als Beweismittel konkret angeführt wird, stellt weder eine Feststellung noch eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung dar. 24 Der Verwaltungsgerichtshof verweist nochmals darauf, dass die Frage, ob es durch die von der vom Mitbeteiligten vertretenen Gesellschaft verursachten Geschäfte irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder die Kursbildung der damit gehandelten Aktien geben konnte, ebenso wie die Frage, ob ein künstliches Kursniveau hergestellt wurde, jeweils eine Rechtsfrage und nicht eine einem Sachverständigenbeweis zugängliche "Vorfrage" darstellt.

25 Der Vollständigkeit halber weist der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin, dass es nach dem Wortlaut des § 48a Abs. 1 Z 2 BörseG bei der Prüfung des Vorwurfes der Marktmanipulation nicht darauf ankommt, ob ein "Eigenhandelsbuch" geführt wird (vgl. näher zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 48a BörseG:

VwGH 29.4.2014, 2012/17/0148; sowie 24.2.2014, 2012/17/0003). 26 Indem das BVwG in Verkennung der Rechtslage seine rechtlichen Erwägungen ohne zuvor getätigte Feststellungen lediglich auf die Wiedergabe der Aussagen eines Sachverständigen in einem Verhandlungsprotokoll stützte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

27 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. Oktober 2019

Stichworte