European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010344.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Sache den Antrag der Revisionswerberin, einer somalischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerberin nach Somalia fest, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen fest und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2277/2019-5, deren Behandlung ablehnte. Über nachträglichen Antrag der Revisionswerberin trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juli 2019, E 2277/2019-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Im Zulässigkeitsvorbringen macht die Revisionswerberin auf das Wesentliche zusammengefasst geltend, das BVwG habe sich nicht im gebotenen Maß mit ihrem Parteivorbringen auseinandergesetzt und diesen Umstand in seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Das BVwG gehe entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin außerdem davon aus, dass sie in einen funktionierenden Familienverband zurückkehren könne. Diese Annahme einer Rückkehrmöglichkeit sei, mit näher dargestellten Argumenten, aktenwidrig. Zudem habe das BVwG entgegen der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beurteilung, ob subsidiärer Schutz zu gewähren sei, von der Gefährdung durch Akteure abhängig gemacht.
8 Der vorgebrachten fehlenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin ist zu entgegen:
9 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben dem Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die Revisionswerber bei richtiger rechtlicher Beurteilung günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 14.8.2018, Ra 2018/01/0344, mwN).
10 Die Revision zeigt mit ihren diesbezüglichen Ausführungen eine derartige Relevanz nicht auf. Vom BVwG hätte allenfalls festgestellt werden können, dass die behaupteten Narben existieren; dieser Umstand allein ließe jedoch keinen zwingenden Rückschluss auf das verursachende Geschehen dieser Narben zu. Es könnte damit auch durch ein medizinisches Gutachten nicht geklärt werden, im Zuge welcher Ereignisse die Revisionswerberin diese Verletzungen erlitt. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben der Revisionswerberin fiele jedoch nicht in das Aufgabengebiet eines Sachverständigen, sondern dies wäre vielmehr dem Kernbereich der richterlichen Beweiswürdigung zuzurechnen. Unter diesen Umständen wäre die Existenz von Narben allein nicht geeignet, die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens zu belegen (vgl. zur Eignung eines medizinischen Gutachtens in ähnlichem Kontext VwGH 20.2.2018, Ra 2017/20/0464, mwN).
11 Mit dem Vorbringen zur Aktenwidrigkeit wegen der Annahme eines bestehenden, funktionierenden Familienverbandes entgegen den Angaben der Revisionswerberin durch das BVwG rügt die Revision die Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt ausschließlich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0229, mwN). Einen derart krassen Fehler des BVwG vermag die Revision nicht darzulegen. Das BVwG stützt seine Entscheidung nicht bloß auf die behaupteten aktenwidrigen Ausführungen, sondern es zieht für seine Beurteilung in vertretbarer Weise weitere tragfähige Begründungselemente heran.
12 Weiters rügt die Revision, das BVwG habe entgegen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, die Beurteilung, ob subsidiärer Schutz zu gewähren sei, anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union im Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13 , M'Bodj, beurteilt. Dem ist zu entgegnen, dass das BVwG fallbezogen eine Verletzung von Art. 3 EMRK geprüft hat; es ist dabei ausgehend vom festgestellten Sachverhalt zum vertretbaren Ergebnis gelangt, dass die Gefahr einer derartigen Verletzung im Fall der Rückkehr der Revisionswerberin nicht besteht. Eine solchermaßen einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 22.7.2019, Ra 2019/01/0184, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
14 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Verwaltungsgerichtshofes über den mit der Revision verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 15. Oktober 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)