Normen
B-VG Art133 Abs4;
FlVfGG §15;
FlVfLG Tir 1978 §33 Abs5 lita;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018070002.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 8. Februar 2017 verfügte die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde (im Folgenden: AB) von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 1 lit. c Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 - TFLG 1996 die Inkraftsetzung einer näher bestimmten Satzung für die revisionswerbende Agrargemeinschaft und sprach aus, dass mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides die bisherige Verwaltungssatzung vom 20. September 1999 außer Kraft trete.
2 Die von der AB in Kraft gesetzte Satzung trifft in Hinblick auf ihre Geltung keine Unterscheidung zwischen den als Gemeindegut gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 qualifizierten Grundstücken und den nicht zum Gemeindegut nach dieser Bestimmung zählenden Grundstücken der revisionswerbenden Agrargemeinschaft. § 5 Abs. 8 der Satzung sieht vor, dass die substanzberechtigte (mitbeteiligte) Gemeinde - unter bestimmten Voraussetzungen - jederzeit auf Substanzerlöse zugreifen könne.
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Oktober 2017 wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, wobei es die Revision gegen dieses Erkenntnis zuließ.
4 Dem legte das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - zugrunde, die revisionswerbende Agrargemeinschaft bestehe teilweise auf (näher bezeichnetem) Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 und teilweise auf (näher bezeichneten) nicht zum Gemeindegut gehörenden Grundstücken.
5 Die Entgelte für den Erwerb letzterer Grundstücke habe die revisionswerbende Agrargemeinschaft bezahlt. Zwecks Bezahlung der Kaufpreise seien keine Sonderabgaben oder Sonderleistungen von den Mitgliedern der Agrargemeinschaft eingehoben worden. Die Mittel für den Erwerb der Grundstücke hätten vorwiegend aus den Einnahmen der der Agrargemeinschaft zuzuordnenden erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen gestammt. Den Aufbau dieser Unternehmungen habe die revisionswerbende Agrargemeinschaft selbst finanziert und zu diesem Zweck Darlehen und Kredite aufgenommen, für welche Mitglieder der Agrargemeinschaft Haftungen über Wechselbürgschaften ohne vertragliche Beschränkung übernommen hätten. Die Bürgschaften seien - infolge der Rückzahlung durch die Agrargemeinschaft - nicht in Anspruch genommen worden.
6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht im Kern aus, dass "Ersatzanschaffungen", also Grundstücke, die aus dem Erlös der Veräußerung von Grundstücken des atypischen Gemeindeguts oder sonstigen Erträgen aus der Substanz angeschafft worden seien, als Substanzerlöse zu qualifizieren seien und zum Substanzwert nach § 33 Abs. 5 TFLG 1996 zählten, auch wenn in einem Verfahren nach § 73 lit. d TFLG 1996 festgestellt worden sei, dass sie keine (atypischen) Gemeindegutsgrundstücke darstellten.
7 Ausgehend davon kam das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass sämtliche nicht zum Gemeindegut zählenden Grundstücke der revisionswerbenden Agrargemeinschaft als "Ersatzanschaffungen" einzustufen seien und folglich zum Substanzwert zählten. Die AB habe somit zu Recht - gestützt auf § 69 Abs. 1 lit. c TFLG 1996 - die gegenständliche neue Satzung der Agrargemeinschaft erlassen.
8 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass im vorliegenden Fall die von den Höchstgerichten des öffentlichen Rechts noch nicht beantwortete Frage zu beurteilen sei, ob sich der Substanzwertanspruch der mitbeteiligten Gemeinde auch auf die als Nicht-Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 festgestellten Grundstücke erstrecke.
9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat. Die AB und die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
10 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
13 5. Entgegen der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts liegt zu der von ihm aufgeworfenen Frage bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes vor.
14 Nach dieser Rechtsprechung werden zwar Grundstücke, die mittels des aus dem Substanzwert von Gemeindegut erwirtschafteten Vermögens erworben wurden ("Ersatzanschaffungen"), selbst nicht Gemeindegut (vgl. etwa VfGH 10.12.2010, B 639/10 ua, VfSlg. 19.262; VwGH 25.2.2016, Ro 2015/07/0031, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof gab allerdings zu erkennen, dass der zum Kauf eines Ersatzgrundstückes eingesetzte Substanzwerterlös der Gemeinde zusteht und - dementsprechend - die angeschafften Ersatzgrundstücke ihrerseits als Substanzwerterlöse zum Substanzwert der Gemeindegut-Grundstücke zählen (vgl. wiederum Ro 2015/07/0031 sowie - zur Rechtslage nach der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 - VwGH 25.10.2017, Ro 2016/07/0017; vgl. weiters die diesbezüglich eindeutige Bestimmung des § 33 Abs. 5 lit. a TFLG 1996).
15 Die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes wirft somit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf.
16 6. Wenn das Verwaltungsgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, hat der Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen (vgl. etwa VwGH 20.12.2017, Ro 2016/10/0021, mwN). In einem solchen Fall ist vom Revisionswerber auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihm - über die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes hinaus - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, mwN).
17 Die Revision bringt zu ihrer "Zulässigkeit" (S. 14 und 15 der Revision) - über die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes hinaus - vor, im gegenständlichen Fall habe das Verwaltungsgericht geprüft, ob der Erwerb der nicht zum Gemeindegut zählenden Grundstücke als "Ersatzanschaffung" zu qualifizieren sei, ob also diese Grundstücke aus Erträgen der Substanz angeschafft worden seien. Die "(Abgrenzungs‑)Frage", wann konkret es sich um eine Anschaffung ohne Rückgriff auf die Substanz und wann und unter welchen konkreten Umständen es sich um einen (zumindest mittelbaren) Rückgriff auf die Substanz handle, sei allerdings von den Höchstgerichten des öffentlichen Rechts bisher nicht beantwortet worden.
18 Dazu ist festzuhalten, dass es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Grundstück aus Erträgen aus der Substanz von (atypischem) Gemeindegut angeschafft wurde, um eine einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichtes - anhand der von diesem vorzunehmenden Beweiswürdigung - handelt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 31.3.2016, Ro 2016/07/0002, mwN).
19 Dass dies vorliegend der Fall wäre, vermochten die Revisionswerber nicht aufzuzeigen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.
20 7. Weder das angefochtene Erkenntnis noch die Revision werfen somit Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Juli 2018
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