Normen
NAG 2005 §64 Abs3 idF 2011/I/038;
NAGDV 2005 §8 Z7 litb idF 2013/II/481;
UniversitätsG 2002 §52;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220140.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte, eine mongolische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum 24. Oktober 2016.
2 Mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Verlängerungsantrag der Mitbeteiligten vom 6. Oktober 2016 gemäß § 64 Abs. 3 NAG in Verbindung mit § 8 Z 7 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) und § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) ab, weil die Mitbeteilige keinen ausreichenden Studienerfolg für das vorangegangene Studienjahr nachweisen habe können. Somit seien die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nicht erfüllt.
3 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte zusammengefasst vor, dass sie den Vorstudienlehrgang bereits nach einem Semester am 13. Februar 2015 positiv abschließen habe können und mit Sommersemester 2015 als ordentliche Studierende zum Bachelorstudium der Politikwissenschaften an der Universität Wien zugelassen worden sei. Sie habe die Prüfung "BAK 1.1. Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie" im Ausmaß von zwei Semesterstunden bzw. 6 ECTS-Punkten am 10. Juni 2015 positiv absolviert. Weiters machte sie im Zusammenhang mit § 8 Z 7 lit. b NAG-DV geltend, dass die Verwendung des Wortes "insbesondere" die Einräumung des Ermessens bei der Beurteilung des Vorliegens eines Studienerfolges indiziere, weshalb nicht ausschließlich ein Erfolgsnachweis im Sinn des § 75 Abs. 6 UG zur Beurteilung des Studienerfolges heranzuziehen sei. Daher hätte die belangte Behörde näher begründen müssen, warum sie ihr Ermessen zum Nachteil der Mitbeteiligten ausgeübt habe. Es wäre notwendig gewesen, das Vorliegen eines Studienerfolges in Gesamtschau der bisherigen studentischen Leistungen der Mitbeteiligten zu prüfen und insbesondere die sehr rasche Absolvierung des Vorstudienlehrganges zu berücksichtigen.
4 Mit dem angefochtenen am 30. Mai 2017 - nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen in Anwesenheit der Mitbeteiligten -
mündlich verkündeten und am 16. Juni 2017 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde der Mitbeteiligten statt, hob den Bescheid vom 14. Dezember 2016 auf und gab dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" statt (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass der Aufenthaltstitel ab Rechtskraft des Erkenntnisses auf Basis des gültigen mongolischen Reisepasses befristet auf ein Jahr auszustellen sei (Spruchpunkt II.), und stellte fest, dass der Aufenthalt gemäß § 20 Abs. 2 NAG seit Antragstellung bis zur Erteilung des verlängerten Aufenthaltstitels rechtmäßig gewesen sei (Spruchpunkt III.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig (Spruchpunkt IV.). Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, dass die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung der beantragten Aufenthaltsbewilligung nunmehr erfüllt seien und der im angefochtenen Bescheid angeführte Abweisungsgrund nicht mehr gegeben sei. Die Mitbeteiligte habe mit der Urkundenvorlage vom 7. März 2017 einen Nachweis über die positive Absolvierung eines Prüfungsmoduls am 20. Jänner 2017 im Umfang von 9 ECTS-Punkten erbracht und im Zuge der mündlichen Verhandlung am 21. April 2017 überzeugend in Aussicht gestellt, dass sie bis spätestens 30. Mai 2017 die erforderlichen Zeugnisse nachreichen könne. Innerhalb der gewährten Frist habe die Mitbeteiligte am 4. Mai 2017 eine Bestätigung vorgelegt, aus welcher die positive Absolvierung einer weiteren Prüfung am 26. April 2017 im Umfang von 5 ECTS-Punkten hervorgehe. Seit Jänner 2017 habe sie somit insgesamt 14 ECTS-Punkte erreicht und dadurch ihre Bemühungen und das ernsthafte Betreiben ihres Studiums unter Beweis gestellt. Das Verwaltungsgericht vertrete die Auffassung, dass "aus dem laufenden Semester derivierende Nachweise auch im Rechtsmittelverfahren" berücksichtigt werden könnten. Demnach sei die Einbeziehung dieser Erfolgsnachweise im zwischenzeitlich fortgesetzten Studienjahr zulässig. Unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 2013, 2012/22/0028, führte es zudem aus, dass es dem Fremden möglich sei, die erforderlichen Voraussetzungen durch die Erbringung eines Erfolgsnachweises für das jüngst abgelaufene Semester nachzuweisen, wenn aufgrund der Dauer des Verlängerungsverfahrens ein weiteres Studiensemester verstrichen sei. Dies sei hier der Fall, weshalb die besonderen Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG erfüllt seien und der Beschwerde spruchgemäß Folge zu geben sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
6 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, bis Mai 2017 Prüfungen absolviert und ab Oktober 2017 näher beschriebene gesundheitliche und psychische Probleme gehabt zu haben, aufgrund derer sie für das Wintersemester 2017 durch die Universität Wien beurlaubt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.
7 In der Revision wird zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei in Verkennung der Rechtslage von der ständigen Rechtsprechung zum Thema Studienerfolg abgewichen. In dem im gegenständlichen Fall für die Beurteilung des Studienerfolges maßgeblichen Studienjahr, das sich über den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 erstreckte, scheine im vorgelegten Sammelzeugnis vom 6. Oktober 2016 lediglich eine einzige innerhalb des maßgeblichen Beurteilungszeitraumes liegende Prüfung auf, die jedoch negativ beurteilt worden sei. Außerdem bestreite die Mitbeteiligte nicht, dass sie im maßgeblichen Studienjahr den erforderlichen Studienerfolgsnachweis nicht erbracht habe. Ein weiteres Studienjahr sei während des gegenständlichen Verfahrens nicht verstrichen. Unter Verweis auf das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 2012/22/0028 gehe das Verwaltungsgericht verfehlt davon aus, dass nicht das jüngst abgeschlossene Studienjahr, sondern das jüngst abgelaufene Semester für die Beurteilung des Studienerfolges heranzuziehen sei. Die Mitbeteiligte habe keinen Studienerfolg nachweisen können, weshalb die besonderen Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nicht vorlägen.
8 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und berechtigt.
9 § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, lautet:
"Studierende
§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
- 1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
- 2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer
Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.
...
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."
10 § 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 481/2013, lautet auszugsweise:
"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen
§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:
...
7. für eine ‚Aufenthaltsbewilligung - Studierender':
...
b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher
Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 13/2011 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG;
..."
11 Nach den oben angeführten Bestimmungen ist der Studienerfolg eines ausländischen Studierenden für das vorangegangene Studienjahr zu prüfen, wobei dies grundsätzlich jenes Studienjahr ist, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt (vgl. VwGH 23.5.2018, Ra 2017/22/0109, mwN). Maßgeblich ist daher das abgeschlossene und nicht das aktuell laufende Studienjahr. Anders stellt sich die Sach- und Rechtslage dar, wenn - was hier jedoch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht der Fall ist - aufgrund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen ist (vgl. VwGH 20.8.2013, 2012/22/0028, sowie 13.9.2011, 2010/22/0036, mwN).
12 Im vorliegenden Fall ist für die Beurteilung des Vorliegens eines Studienerfolges - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - das vorangegangene Studienjahr 2015/2016, welches gemäß § 52 Abs. 1 UG am 1. Oktober 2015 begann und am 30. September 2016 endete, maßgeblich. Für dieses Studienjahr konnte die Mitbeteiligte keinen Studienerfolgsnachweis erbringen. Die seit Jänner 2017 und somit - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses - im laufenden Studienjahr abgelegten Prüfungen liegen außerhalb des maßgeblichen Beurteilungszeitraumes und können deshalb keinen beachtlichen Studienerfolg im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG begründen (vgl. zu den gegen ein Akzeptieren des Studienerfolges im aktuell laufenden Jahr sprechenden Gründen VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0004, Rn. 10; sowie - im Zusammenhang mit einem Schulerfolg - 21.6.2018, Ra 2017/22/0155, Rn. 13, mwN). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes gibt es keine Anhaltspunkte dafür, abweichend von der auf das "Studienjahr" abstellenden Regelung des § 8 Z 7 lit. b NAG-DV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Studienerfolgs auf ein bloßes Semester abzustellen.
13 Demnach gelangte das Verwaltungsgericht zu Unrecht zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte einen Studienerfolgsnachweis im maßgeblichen Studienjahr nach den relevanten studienrechtlichen Bestimmungen erbrachte und deshalb die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG erfüllte.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen. Neue Tatsachen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht werden, können bei der Entscheidung über die Revision keine Berücksichtigung finden (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0005, mwN).
15 Die erstmals in der Revisionsbeantwortung vorgebrachten, den Zeitraum ab Oktober 2017 betreffenden gesundheitlichen und psychischen Probleme der Mitbeteiligten sind wegen des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu berücksichtigenden Neuerungsverbotes somit unbeachtlich (§ 41 VwGG). Zudem beziehen sie sich auf das Studienjahr 2017/2018, auf das es fallbezogen jedoch nicht ankommt.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 9. August 2018
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