Normen
VwGG §46 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150051.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2016 eine Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. Die Zustellung des Erkenntnisses erfolgte am 28. Dezember 2016.
2 Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2017 brachte der Revisionswerber u.a. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG wegen Versäumung der Revisionsfrist beim Bundesfinanzgericht ein und führte aus:
"In umseits bezeichneter Finanzverwaltungssache war der Revisionswerber durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Revision gehindert und würde dadurch den Rechtsnachteil des Ausschlusses der vorzunehmenden Rechtshandlung (Einbringung der Revision) erleiden, wobei die Versäumung nicht auf ein Verschulden des Revisionswerbers oder zumindest nur auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen ist. Die Voraussetzungen gem. § 46 Abs. 1 VwGG sind daher verwirklicht.
Die Fristversäumung ist auf folgende Umstände zurückzuführen:
Im Büro der (X GmbH), ist Frau (R) als Chefsekretärin beschäftigt und unter anderem mit der Vormerkung der anstehenden Fristen, auch Beschwerde- und Revisionsfristen, betraut. Im Rahmen dieser Tätigkeit übt sie auch die entsprechenden Sekretariatsarbeiten für die (Y GmbH) aus, die sich im gleichen Bürogebäude befindet. Auch für diese Gesellschaft ist sie mit der Vormerkung der Fristen betraut.
Frau (R) erfüllt diese Aufgabe bereits seit Dienstantritt verlässlich und zur vollsten Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten. Ihr ist bei der Vormerkung der Fristen noch nie ein Fehler unterlaufen. Frau (R) ist eine äußerst berufserfahrene und gewissenhafte Sekretärin.
Die Arbeit der Kanzleiangestellten, insbesondere auch die korrekte Vormerkung der Fristen, wird sowohl von Herrn (Mag. D), dem unmittelbaren Vorgesetzten der Frau (R), als auch von Herrn (Dr. B) regelmäßig stichprobenartig überprüft. Bei derartigen Überprüfungen sind bisher nie fehlerhafte Fristvormerkungen der Frau (R) zum Vorschein gekommen.
In der hier vorliegenden Revisionssache ist Frau (R) insoweit ein Fehler unterlaufen, als sie das Ende der Revisionsfrist versehentlich nicht mit 08.02.2017, sondern eine Woche später, mit 15.02.2017, im Vormerkkalender eingetragen hat.
Am 10.02.2017 hat Frau (R) den Akt Herrn (Dr. B) zur Bearbeitung (Ausarbeitung der Revisionsschrift) vorgelegt. Dieser hat zu Beginn der Ausarbeitung der Revision (anhand des Zustellvermerks auf S. 1 oben der Ausfertigung der zu bekämpfenden Entscheidung) bemerkt, dass die Frist zur Einbringung der Revision bereits abgelaufen war.
Dieses der Kanzleikraft unterlaufene Versehen (unrichtige Eintragung des Endes der Revisionsfrist) ist somit erstmals am 10.02.2017 bekannt geworden. Mit diesem Tag ist das Hindernis weggefallen; die Frist zur Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begann somit am 10.02.2017 und ist noch offen."
3 Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lag eine eidesstättige Erklärung von Frau R mit folgendem Inhalt bei:
"Ich, (R) bin im Büro der (X GmbH) als Chefsekretärin beschäftigt und unter anderem mit der Vormerkung der anstehenden Fristen, auch Beschwerde- und Revisionsfristen, betraut. lm Rahmen dieser Tätigkeit übe ich auch die Sekretariatsarbeiten einschließlich Fristvormerkungen für die (Y GmbH) aus, die sich im gleichen Bürogebäude befindet.
Ich erfülle diese Aufgabe seit Dienstantritt zur vollsten Zufriedenheit meiner Vorgesetzten und ist mir dabei bisher noch nie ein Fehler unterlaufen. Mein unmittelbarer Vorgesetzter, Herr (Mag. D), und auch Herr (Dr. B) überprüfen dabei regelmäßig stichprobenartig, ob die Fristen richtig vorgemerkt werden.
Im vorliegenden Fall (Revisionssache (Revisionswerber)) ist mir insoweit ein Fehler unterlaufen, als ich die Revisionsfrist versehentlich nicht für den 08.02.2017, sondern eine Woche später mit 15.02.2017 im Kalender eingetragen habe. Wie ausgeführt ist mir ein solcher Fehler bisher noch nie passiert.
Herr (Dr. B) hat am 10.02.2017 mit der Bearbeitung der Revision begonnen und die Frist nochmals nachgerechnet. Dabei ist das Versehen (unrichtige Fristeintragung) erstmals zum Vorschein gekommen."
4 Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war weiters eine eidesstättige Erklärung von Dr. B mit folgendem Inhalt beigelegt:
"Ich, (Dr. B) erkläre an Eides statt, dass in der Rechtssache (Revisionswerber) meine berufserfahrene und äußerst p?ichtbewusste Sekretärin (Frau R) die Revisionsfrist versehentlich nicht mit 8.2.2017, sondern irrtümlich eine Woche später mit 15.2.2017 im Kalender vorgemerkt hat.
Sowohl ich als auch der unmittelbare Vorgesetzte der Frau (R) überprüfen in unsere Kanzlei immer wieder stichprobenartig, ob die Fristen richtig eingetragen werden. Bei diesen stichprobenartigen Überprüfungen ist noch nie eine unrichtige Fristvormerkung der Frau (R) entdeckt worden.
Die irrtümliche Eintragung ist von mir erst am Tag der Aktvorlage, das war der 10.02.2017, entdeckt worden (somit nach Ablauf der vorgesehenen Rechtsmittelfrist)."
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, der Verwaltungsgerichtshof habe in zahlreichen Beschlüssen (Hinweis auf VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098; 29.7.2004, 2004/16/0058; 27.1.1995, 94/17/0486; 23.9.1994, 92/17/0276) festgehalten, dass die kalendarische Vormerkung einer Rechtsmittelfrist kein manipulativer Vorgang, sondern eine juristische Tätigkeit sei. Ein Steuerberater dürfe daher die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Vielmehr sei für die richtige Berechnung der Rechtsmittelfristen in einer Steuerberatungskanzlei stets der Steuerberater verantwortlich, denn er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden sei und es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte.
6 Die im gegenständlichen Fall erfolgte stichprobenartige Überprüfung der Fristenvormerkung sei nicht ausreichend. Abgesehen davon beschränkten sich die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag - die den Rahmen für die Untersuchung der Frage absteckten, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben sei - darauf, dass der steuerliche Vertreter seinen Kontrollpflichten durch stichprobenartige Überprüfungen nachgekommen sei. Wie die Überprüfungen ausgesehen haben und wie oft sie durchgeführt worden seien, werde nicht dargelegt. Es werde auch nicht dargelegt, wie die Fristenvormerkung erfolge und wie lange die Kanzleiangestellte bereits beim steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers beschäftigt gewesen sei.
7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil der gegenständliche Beschluss nicht von der bisherigen, in der Entscheidung dargestellten, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
8 In der gegen diesen Beschluss gerichteten Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schade eine gewisse Selbständigkeit in der Erledigung der Kanzleiagenden, insbesondere auch bei der Besorgung des Fristvormerks nicht, weil eine Überwachung der Kanzleiangestellten "auf Schritt und Tritt" nicht nötig sei (Hinweis auf VwGH 24.11.1998, 98/14/0155; 23.5.1996, 95/18/0538). Dass eine stichprobenartige Überprüfung nicht ausreiche, um der nach der Sachlage gebotenen Überwachungs- und Kontrollpflicht nachzukommen, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der im "Erkenntnis" vom 14. März 1995, 94/20/0653, ausgesprochen habe, dass sich das Kontrollsystem auf zweckmäßige und zumutbare Kontrollmaßnahmen beschränken könne. Bei konkreten Anordnungen sei, sofern nicht Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine weitere Kontrolle angezeigt wäre, eine weitere Überprüfung der Ausführung nicht erforderlich (Hinweis auf VwGH 22.3.1991, 90/10/0122). Insbesondere bei erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikräften sei der Kontrollmaßstab deutlich geringer anzusetzen als bei unerfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Hinweis auf VwGH 31.5.2012, 2012/06/0054).
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision ist nicht zulässig.
13 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
14 Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. z.B. VwGH 24.9.2008, 2008/15/0186, 0187).
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Der Fehler einer Kanzleimitarbeiterin eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber der Mitarbeiterin verletzt hat. Zu den Aufgaben des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Wahrung einer Frist gehört es, die Frist festzusetzen (zu berechnen), ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. z.B. VwGH 30.10.2003, 2003/15/0042 und 0071, sowie 29.9.2004, 99/13/0248). Er hat Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er z.B. eine andere geschulte und verlässliche Mitarbeiterin mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt. Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleimitarbeiters seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden (vgl. etwa VwGH 28.4.2010, 2009/13/0239, mwN).
16 Im Wiedereinsetzungsantrag wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers "Frau (R) als Chefsekretärin beschäftigt und unter anderem mit der Vormerkung der anstehenden Fristen, auch Beschwerde- und Revisionsfristen, betraut" habe, Frau R "diese Aufgabe bereits seit Dienstantritt verlässlich und zur vollsten Zufriedenheit" erfülle, die Arbeit von Frau R, "insbesondere auch die korrekte Vormerkung der Fristen", "regelmäßig stichprobenartig überprüft" werde und dabei "noch nie eine unrichtige Fristvormerkung (...) entdeckt worden" sei.
17 Mit dieser auf die Tätigkeit einer Kanzleiangestellten und deren Überwachung eingeschränkten Sachverhaltsdarstellung wird nicht aufgezeigt, dass der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers in einer seiner Verantwortung zur Fristwahrung entsprechenden Weise tätig geworden wäre, in dem er die Frist festgesetzt (berechnet) und ihre Vormerkung - allgemein oder konkret im Revisionsfall - angeordnet hat. Auch den vorgelegten eidesstättigen Erklärungen ist derartiges nicht zu entnehmen.
18 Somit ist das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wenn es von einem über den minderen Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG hinausgehenden Verschulden des steuerlichen Vertreters ausgegangen ist und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben hat.
19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Juni 2018
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