Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:
Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde T vom 12. Oktober 2011 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde T vom 27. Juli 2011, der in einer Bauangelegenheit ergangen war, zurückgewiesen. Der Bescheid vom 12. Oktober 2011 wurde der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer am 17. Oktober 2011 zugestellt, sodass die Vorstellungsfrist mit 31. Oktober 2011 endete. Die Vorstellung wurde am 31. Oktober 2011 erhoben, jedoch beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung und nicht bei der Gemeinde T eingebracht.
Vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung wurde den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 9. Jänner 2012, eingelangt bei der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer am 12. Jänner 2012, die Gelegenheit eingeräumt, sich zur in Aussicht genommenen Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Verspätung zu äußern. Daraufhin wurde von den Beschwerdeführern am 16. Jänner 2012 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, wobei gleichzeitig mit diesem Antrag die versäumte Vorstellung nachgeholt wurde.
Im Antrag auf Wiedereinsetzung wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Vorstellung von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer am Freitag, dem 28. Oktober 2011 endkorrigiert worden sei. Da das Sekretariat ab 15.00 Uhr nicht mehr besetzt und diese Endkorrektur danach erfolgt sei, sei die Vorstellung der zuständigen Sachbearbeiterin S. zur Versendung vorgelegt worden. Auf Grund der Tatsache, dass der 31. Oktober 2011 ein "Fenstertag" gewesen sei, sei an diesem Tag nur eine Kanzleikraft anwesend gewesen, da die Juristen und die zweite Kanzleikraft frei gehabt hätten. Es handle sich bei dieser Mitarbeiterin um eine sehr erfahrene und bewährte Kanzleikraft und es sei bisher zu keinen Beanstandungen ihrer Arbeit gekommen. Nachdem die Vorstellung bei der Gemeinde einzubringen sei, jedoch an das Land bzw. das Amt der Landesregierung zu richten sei, sei ordnungsgemäß im Adressfeld der Vorstellung das Amt der Landesregierung aufgeschienen. Der Akt sei mit einem Hinweis versehen gewesen, die Vorstellung an die Gemeinde T zu schicken. Die Kanzleikraft sei auf Grund der Adressierung davon ausgegangen, dass es sich um eine Verwechslung handle, und sie habe die Vorstellung direkt an das Land gerichtet. Die Möglichkeit einer Rückfrage habe nicht bestanden, da die Juristen, die in der Kanzlei beschäftigt seien, an diesem Tag nicht erreichbar gewesen seien. Die berufsgebotenen Vorkehrungen, insbesondere im Hinblick auf die Organisation des Kanzleibetriebes, zur Einhaltung und Wahrung von Fristen und zur Überwachung der Angestellten seien von der Rechtsvertreterin getroffen worden. Sie sei ihrer berufsbedingt auferlegten Sorgfaltspflicht nachgekommen. Es handle sich um eine nachvollziehbare und entschuldbare Fehlleistung der Kanzleikraft. Die Situation sei so gewesen, dass trotz aller gebotenen Vorsicht und Vorbereitungshandlungen diese Fehlleistung geschehen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass eine Rechtsanwaltskanzlei so organisiert und betrieben werde, dass die vollständige und fristgerechte Erfüllung von im Zusammenhang mit einem Einschreiten des Rechtsanwaltes ergehenden Aufträgen von Behörden und Gerichten gesichert erscheine. Dazu gehöre auch, dass der Rechtsanwalt erforderlichenfalls dem Einzelfall entsprechend klare und unmissverständliche Anweisungen an das Kanzleipersonal erteile. Dementsprechend wäre die Rechtsvertreterin angehalten gewesen, einen eindeutigen Vermerk für die Kanzleikraft bezüglich der Einbringungsstelle der Vorstellung auf dem Schriftsatz anzubringen. Bei einer derart klaren Anweisung wäre die Übermittlung an die falsche Einbringungsstelle nicht erfolgt, da es sich um eine nach den Angaben der Rechtsvertreterin sehr erfahrene und bewährte Kanzleikraft handle. Hätte diese bewährte Kanzleikraft die klare Anweisung gesehen, hätte sie entsprechend der offensichtlichen Erfahrung den Schriftsatz an die richtige Eingabestelle versandt. Andererseits, wenn sich die Kanzleikraft nicht an Anweisungen halte und selbständige Entscheidungen treffe, dies vor allem im Hinblick auf eine Einbringungsstelle, könne von einer zuverlässigen Kanzleikraft nicht mehr ausgegangen werden, da sie entgegen den Anweisungen der Rechtsvertreterin eigenständige Handlungen setze. Auch sei die Organisation der Kanzlei der Rechtsvertreterin scheinbar nicht ausreichend, zumal bei dringenden Rückfragen offensichtlich niemand erreichbar und die Kanzleikraft auf sich allein gestellt sei. Demnach könne nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, es sei ein eindeutiger Vermerk auf dem Akt angebracht gewesen, wonach die Übermittlung der Vorstellung dringend an die Marktgemeinde T zu erfolgen habe. Eine mündliche Anweisung sei nicht möglich gewesen, da die Endkorrektur des Schriftsatzes nach Kanzleischluss am Freitag erfolgt sei und auf Grund des "Fenstertages" der Akt der zuständigen Sekretärin zur weiteren Bearbeitung vorgelegt worden sei. Gerade in der Vorgangsweise der Kanzleikraft sei zu erkennen, dass diese erfahren und bewährt sei, indem sie an ein Versehen des Juristen geglaubt und den Schriftsatz an die im Adressfeld angeführte Behörde übermittelt habe. Bei dieser Vorgangsweise sei nicht davon auszugehen, dass sie sich generell nicht an Anweisungen halte, was dazu geführt hätte, dass sie sicherlich nicht mehr in der Kanzlei beschäftigt wäre. Sie habe auf Grund eines definitiv minderen Grades an Versehen diesen Schriftsatz an die Steiermärkische Landesregierung weitergeleitet. Aus ihrer suggestiven Sicht habe die Kanzleikraft keine Notwendigkeit gesehen, zu versuchen, einen der Juristen telefonisch zu erreichen. Ob dies gelungen wäre, könne dahingestellt bleiben. Eine Rechtsanwaltskanzlei müsse nicht so organisiert sein, dass bei Rückfragen immer jemand telefonisch erreichbar sei. Dies sei technisch bei klein strukturierten Kanzleien wie der gegenständlichen gar nicht möglich, zumal die beiden Juristen, die darin tätig seien, verheiratet seien und es bei gemeinsamer Ortsabwesenheit, wie z.B. im Urlaub, nicht möglich sei, eine ständige Erreichbarkeit zu gewährleisten. Diese sei auch weder vom Standesrecht gefordert noch gebe es sonstige rechtliche Vorschriften, die diesen Standpunkt unterstrichen. Auch freiberuflich Tätigen und Selbständigen werde zugestanden, einen Fenstertag für sich zu nutzen, ohne für die Kanzlei erreichbar zu sein. Auch bei Behörden sei nicht immer und zu jedem Zeitpunkt für jeden Akt eine zuständige Person erreichbar. Die Argumentation der belangten Behörde gehe daher zu weit und finde weder in der Judikatur noch in standesrechtlichen Grundlagen eine Deckung. Dass ein Fehler passiert sei, sei zuzugestehen, jedoch sei das Zustandekommens dieses Fehlers nachvollziehbar und beruhe auf einem minderen Grad des Versehens einer sehr bewährten und qualifizierten Kanzleikraft. Diese habe aus nachvollziehbaren Gründen die Entscheidung getroffen, den Schriftsatz an die im Adressfeld genannte Behörde zu übermitteln. Ein Rechtsanwalt könne die näheren Umstände der Postaufgabe etc. verlässlichen Kanzleiangestellten allein überlassen. Eine auffallende Sorglosigkeit liege nicht vor. Die Fehlübermittlung basiere auf einer entschuldbaren Fehlleistung. Die belangte Behörde sei zu Unrecht lapidar von einer scheinbar nicht ausreichenden Kanzleiorganisation ausgegangen, obwohl der Sachverhalt ausführlich dargestellt und die Organisation ausreichend erklärt worden sei.
Gemäß § 94 Abs. 2 erster Satz der Steiermärkischen Gemeindeordnung ist die Vorstellung schriftlich bei der Gemeinde einzubringen.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist auf Antrag der Partei gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs. 2 erster Fall AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
Das Verschulden des Parteienvertreters ist stets einem Verschulden der Partei gleichzusetzen, ein Verschulden der Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt selbst die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber seinen Angestellten unterlassen hat (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 1595 unter E 265 zitierte hg. Rechtsprechung). Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt dann nicht, wenn sich zeigt, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des Kanzleiangestellten beruht hat, ohne dass ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1596 unter E 269 zitierte hg. Judikatur).
Die Beschäftigung in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes bringt nicht schon an sich die Verlässlichkeit mit sich (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1592 unter E 250 zitierte hg. Rechtsprechung).
Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1596 f unter E 270 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall hat die Kanzleikraft bewusst den Schriftsatz anders adressiert, als in einer Anweisung des Rechtsanwaltes angeordnet war, weil sie der Meinung war, es liege eine Verwechslung vor. Es lag damit keine bloß manipulative Tätigkeit vor und auch nicht ein bloßes Versehen, das nicht aufgefallen wäre, sondern eine vorsätzlich vorgenommene bestimmte Adressierung eines Schriftsatzes. Abgesehen davon, dass eine durch falsche Adressierung eines Schriftsatzes verursachte Fristversäumnis in der Regel als verschuldet anzusehen ist (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1574 unter E 170 zitierte hg. Rechtsprechung), kann nicht erkannt werden, dass sich die Geschehnisse ohne Verschulden des Rechtsanwaltes ereignet hätten. Ein Rechtsanwalt muss nämlich die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1079 ff unter Z. 35 ff wiedergegebene umfangreiche hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall wurde nicht behauptet, dass es entsprechende Vorkehrungen gegen eigenmächtiges Vorgehen der Kanzleikräfte gegeben habe, dass diese etwa beauftragt worden seien, eigenmächtige Änderungen keinesfalls ohne vorherige Rücksprache mit dem Rechtsanwalt vorzunehmen. Dass eine solche Rücksprachemöglichkeit allein deshalb nicht bestand, weil der letzte Tag der Frist auf einen "Fenstertag" fiel, an dem kein Jurist in der Kanzlei anwesend oder erreichbar war, muss als schwerwiegendes Organisationsverschulden angesehen werden. Die Kanzleikraft sah sich auch weder veranlasst, von ihrer eigenmächtigen Tätigkeit mangels vorherigen Kontakts mit dem Rechtsanwalt abzusehen, noch auch, diesen unmittelbar danach über ihr Vorgehen zu informieren. Während nämlich die Aufgabe des gegenständlichen Schriftstückes am 31. Oktober 2011 erfolgte, befand sich der Rechtsanwalt offenbar erst durch die Mitteilung der belangten Behörde vom 12. Jänner 2012 in Kenntnis der falschen Adressierung. Es kann dahingestellt bleiben, ob angesichts dessen noch von einem rechtzeitigen Antrag auf Wiedereinsetzung auszugehen ist, hat sich doch die belangte Behörde darauf nicht gestützt; eine entsprechende Einrichtung der Kanzlei im Sinne der obigen Anforderungen kann damit aber keinesfalls mehr angenommen werden.
Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass nicht nur ein minderer Grad eines Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG gegeben war.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. Mai 2012
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