Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs3;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51 Abs1;
32008L0115 Rückführungs-RL;
32013L0033 Aufnahme-RL Art8 Abs1;
32013L0033 Aufnahme-RL Art8 Abs3 litd;
32013L0033 Aufnahme-RL Art8 Abs3 litf;
32013L0033 Aufnahme-RL Art8 Abs3;
32013L0033 Aufnahme-RL;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art28;
32013R0604 Dublin-III;
62011CJ0534 Arslan VORAB;
BFA-VG 2014 §52;
BuLVwG-EGebV 2015 §2;
EURallg;
FrPolG 2005 §76 Abs2 idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1 idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2 idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §76 Abs3 idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §76 Abs6 idF 2015/I/070;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
FrPolG 2005 §76 idF 2015/I/070;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §8a Abs1 idF 2017/I/024;
VwGVG 2014 §8a Abs2 idF 2017/I/024;
VwGVG 2014 §8a idF 2017/I/024;
VwRallg;
ZPO §64 Abs1 Z1 lita;
Spruch:
1. Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als mit Spruchpunkt A.I. in (teilweiser) Stattgebung der Beschwerde die Anhaltung des R N in Schubhaft "nach Ablauf von 24 Stunden nach Stellung seines Asylantrags bis zur Zustellung dieses Erkenntnisses" für rechtswidrig erklärt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als mit Spruchpunkt A.I. die Beschwerde betreffend die Anhaltung des R N in Schubhaft während des Zeitraums von 24 Stunden ab der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, und insoweit, als mit Spruchpunkt A.II. festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
3. Im Übrigen wird die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, nämlich soweit sie sich gegen die mit Spruchpunkt A.III. vorgenommene Abweisung des Antrags des R N auf Bewilligung der Verfahrenshilfe "im Ausmaß der Eingabengebühr" richtet, als unbegründet abgewiesen.
4. Der Bund hat R N Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 R N (im Folgenden: Revisionswerber), ein iranischer Staatsangehöriger, reiste über die Türkei, Bulgarien und Serbien letztlich mit dem Zug von Ungarn kommend am 21. Jänner 2017 illegal nach Österreich ein. In Ungarn hatte er - entsprechenden "Eurodac-Treffern" zufolge - am 19. Dezember 2016 und am 13. Jänner 2017 Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
2 Am 23. Jänner 2017 wurde der Revisionswerber in Wien am Hauptbahnhof, wo er sich seit seiner Einreise aufgehalten hatte, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Kontrolle unterzogen und in der Folge festgenommen. Gegenüber den Sicherheitsorganen gab er an, in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen; er beabsichtige nach Deutschland weiterzureisen und wolle nicht in Österreich bleiben. Das bestätigte der Revisionswerber in einer anschließenden Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Er wolle nicht nach Ungarn zurückkehren und eigentlich auch nicht in Österreich bleiben, sondern nach Deutschland weiterreisen, um dort "um Asyl" anzusuchen. Er warte hier nur auf einen Schlepper, den er in Ungarn kennengelernt habe und der ihn nach Deutschland bringen solle. Im Übrigen bestritt er, in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben.
3 In der Folge wurde über den Revisionswerber mit Mandatsbescheid des BFA vom 23. Jänner 2017 gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
4 Während der Anhaltung in Schubhaft stellte der Revisionswerber sodann am 24. Jänner 2017 (nach der Aktenlage: um 14.40 Uhr) einen Antrag auf internationalen Schutz. Hierauf teilte ihm das BFA im Rahmen einer niederschriftlichen, unter Beiziehung eines Dolmetschers am 27. Jänner 2017 vorgenommenen Vernehmung mit, dass er den Antrag auf internationalen Schutz nach Einschätzung des BFA eindeutig nur zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt habe, sodass die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 6 FPG zur weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft vorlägen.
5 Gegen die Schubhaftanordnung und die darauf gegründete Anhaltung erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 Beschwerde.
6 Dieser Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses vom 9. Februar 2017 dahingehend Folge, dass die Anhaltung des Revisionswerbers "nach Ablauf von 24 Stunden nach Stellung seines Asylantrags bis zur Zustellung dieses Erkenntnisses" für rechtswidrig erklärt werde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Spruchpunkt A.II. stellte das BVwG sodann gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG gestützt auf Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und Abs. 6 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen. Weiters wies das BVwG mit Spruchpunkt A.III. den in der Beschwerde gestellten Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe "im Ausmaß der Eingabengebühr" ab. Schließlich sprach das BVwG mit Spruchpunkt B. gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die (ordentliche) Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
7 Das BVwG ging in seiner Entscheidungsbegründung zunächst davon aus, dass das BFA im Sinne der von ihm herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen die Schubhaft zu Recht angeordnet und den Revisionswerber grundsätzlich auch zu Recht bis zur gegenständlichen Entscheidung wegen Vorliegens von erheblicher Fluchtgefahr angehalten habe. Aus dem bisherigen Verhalten des Revisionswerbers habe nämlich mit Sicherheit geschlossen werden können, dass er seine Abschiebung nach Ungarn "zu hintertreiben sucht". Diese Einschätzung gründete das BVwG vor allem darauf, dass der Revisionswerber, der sich nach seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht "angemeldet" habe, wiederholt geäußert habe, nur in Deutschland einen Asylantrag stellen zu wollen. Daraus sei klar ersichtlich, dass ihn in Österreich "nichts hält" und er nicht nach Ungarn zurückkehren wolle. Außerdem sei er mehrfach illegal in europäische Länder eingereist und er habe sich in Ungarn dem Asylverfahren entzogen. Diesbezüglich habe er im Übrigen anlässlich seiner letzten Einvernahme sein bisheriges Vorbringen geändert und behauptet, in Ungarn keinen Asylantrag gestellt zu haben, sodass er mit dieser "Falschaussage" seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und seine mangelnde Kooperation mit den Behörden bewiesen habe. Unter Berücksichtigung "sämtlicher Umstände" sei die Schubhaft auch verhältnismäßig, wobei das bisherige Verhalten des Revisionswerbers und "seine persönliche Situation im Bundesgebiet in der Vergangenheit" die Anordnung gelinderer Mittel ausschließen.
8 In der weiteren Begründung gab das BVwG den Inhalt des § 76 Abs. 6 FPG, auf den das BFA die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 24. Jänner 2017 gestützt hatte, wieder. Danach sei das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, nämlich dass Gründe zur Annahme bestehen, der Antrag sei zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden, mit einem dem Fremden in verständlicher Sprache zur Kenntnis zu bringenden Aktenvermerk festzuhalten. Diesbezüglich bemängelte das BVwG, das BFA habe einen solchen Aktenvermerk nicht vorlegen können. Die Behörde sei jedoch gehalten, der Bestimmung des § 76 Abs. 6 FPG vollinhaltlich und ohne unnötigen Aufschub zu entsprechen. Dazu wäre eine Einvernahme des Schubhäftlings nach Vorführung vor das BFA notwendig, um festzustellen, ob der Antrag auf internationalen Schutz tatsächlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei. Weiters müsse dem Schubhäftling in der Folge eine Mitteilung im Sinne der zitierten Bestimmung zukommen. Für diese Amtshandlungen erscheine im Hinblick auf den nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bei Freiheitsentziehungen anzuwendenden strengen Maßstab (nur) eine "24-stündige Höchstfrist" zulässig. "In diesem Sinne" sei die Anhaltung des Revisionswerbers "in dem im Spruch ausgesprochenen Zeitraum" rechtswidrig gewesen.
9 Hinsichtlich des mit Spruchpunkt A.II. getroffenen Ausspruchs über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft bezog sich das BVwG sodann auf die in Rz 7 dargestellte Begründung zur (teilweisen) Abweisung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung des Revisionswerbers bis "24 Stunden nach Stellung seines Asylantrags". Diesbezüglich seien mittlerweile keine maßgeblichen Änderungen eingetreten.
10 Die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags begründete das BVwG schließlich damit, dass der Revisionswerber über ausreichende Mittel zur Bestreitung der Eingabengebühr verfüge.
11 Zur Zulässigkeit der (ordentlichen) Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG verwies das BVwG darauf, dass die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen "im Hinblick auf die aufgeworfene Frage zu § 76 Abs. 6 FPG" vorlägen.
12 Gegen den die Beschwerde abweisenden Teil von Spruchpunkt A.I. und gegen den mit Spruchpunkt A.II. vorgenommenen positiven Fortsetzungsausspruch richtet sich die Revision des R N. Gegen die beschwerdestattgebende Feststellung der teilweisen Rechtswidrigkeit der Anhaltung des R N in Schubhaft in Spruchpunkt A.I. und gegen Spruchpunkt A.III. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA.
Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens durch das BVwG, im Zuge dessen R N zur Amtsrevision eine Revisionsbeantwortung erstattete, und nach Aktenvorlage gemeinsam erwogen:
Zur Amtsrevision des BFA betreffend Schubhaft - Spruchpunkt II.1.
13 Zum bekämpften ersten Teil des Spruchpunktes A.I. des angefochtenen Erkenntnisses erklärte das BFA in der Amtsrevision, sich der Zulässigkeitsbegründung des BVwG anzuschließen. Ergänzend wurde konkretisiert, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob den Erfordernissen des § 76 Abs. 6 FPG auch durch eine mit dem Fremden aufgenommene Niederschrift entsprochen werde und ob die Annahme des BVwG zum Bestehen einer "24-stündigen Höchstfrist" gerechtfertigt sei.
14 Auf diese Fragen kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht an, weil schon die - vorgelagerte - Frage, ob die Schubhaft gegen den Revisionswerber nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 24. Jänner 2017 (nur) unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG aufrecht erhalten werden durfte, zu verneinen ist. Zu dieser - mit den in der Amtsrevision angesprochenen Fragen untrennbar verbundenen - Frage hat der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht Stellung genommen, sodass diesbezüglich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen.
15 Die gegenständliche Schubhaft wurde vom BFA mit Bescheid vom 23. Jänner 2017 auf Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt, die weitere Anhaltung nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 24. Jänner 2017 (um 14.40 Uhr) auf § 76 Abs. 6 FPG. Primärer Zweck war jeweils die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG, und zwar zunächst zur Sicherung der Erlassung einer solchen Überstellungsentscheidung im Sinne der Dublin III-VO gemäß der Z 2 und dann gemäß der Z 1 der genannten Bestimmung des FPG.
16 Die somit im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des mit "Schubhaft" überschriebenen § 76 FPG lauten in der seit 20. Juli 2015 geltenden Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 (FrÄG 2015) wie folgt:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer
aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) ... (5)
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
17 Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 11. Mai 2017, Ro 2016/21/0021, in Rz 17 und 18 iVm Rz 15 fest, dass nach den dort zitierten ErläutRV zum FrÄG 2015 (582 BlgNR 25. GP 21 ff) mit der Neufassung des § 76 FPG unionsrechtlichen Vorgaben entsprochen werden sollte, wobei in diesem Zusammenhang in den Gesetzesmaterialien die Aufnahme-RL (Richtlinie 2013/33/EU ) und die Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG ) sowie die Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ) ausdrücklich erwähnt worden seien. Die Neufassung des § 76 FPG solle also einerseits der Umsetzung der in den genannten Richtlinien getroffenen einschlägigen Anordnungen sowie andererseits der Anpassung der österreichischen Rechtslage an die unmittelbar geltenden Vorschriften der Dublin III-VO dienen. Vor dem Hintergrund dieser zweifachen unionsrechtlichen Aufgabenstellung erkläre sich auch die in § 76 Abs. 2 FPG vorgenommene Aufgliederung der Schubhaftfälle, wobei der Tatbestand der Z 1 des § 76 Abs. 2 FPG alle außerhalb der Dublin-III-VO liegenden Situationen, die mit der Z 2 geregelt werden, erfasse. Allerdings könne - unabhängig vom ausdrücklich geäußerten Umsetzungswillen des österreichischen Gesetzgebers - kein Zweifel bestehen, dass im jeweiligen Anwendungsbereich der Aufnahme-RL und der Rückführungs-RL auch eine an deren Regelungen zur Haft orientierte unionsrechtskonforme Auslegung des § 76 FPG Platz zu greifen habe.
18 Vor diesem Hintergrund ist zunächst auf die Aufnahme-RL einzugehen, die gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen gilt, die (insbesondere) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen. Art. 8 dieser Richtlinie, zu dem im
15. Erwägungsgrund (u.a.) festgehalten wird, dass Antragsteller nur in den in der Richtlinie eindeutig definierten Ausnahmefällen in Haft genommen werden dürfen, lautet:
"Artikel 8
Haft
(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie ein Antragsteller im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist.
(2) In Fällen, in denen es erforderlich ist, dürfen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung den Antragsteller in Haft nehmen, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
(3) Ein Antragsteller darf nur in Haft genommen werden,
a) um seine Identität oder Staatsangehörigkeit
festzustellen oder zu überprüfen;
b) um Beweise zu sichern, auf die sich sein Antrag auf
internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen
nicht zu erhalten wären, insbesondere wenn Fluchtgefahr des
Antragstellers besteht;
c) um im Rahmen eines Verfahrens über das Recht des
Antragstellers auf Einreise in das Hoheitsgebiet zu entscheiden;
d) wenn er sich aufgrund eines Rückkehrverfahrens gemäß der
Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger zur Vorbereitung seiner Rückführung und/oder Fortsetzung des Abschiebungsverfahrens in Haft befindet und der betreffende Mitgliedstaat auf der Grundlage objektiver Kriterien, einschließlich der Tatsache, dass der Antragsteller bereits Gelegenheit zum Zugang zum Asylverfahren hatte, belegen kann, dass berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass er den Antrag auf internationalen Schutz nur beantragt, um die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern oder zu vereiteln;
e) wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der
öffentlichen Ordnung erforderlich ist,
f) wenn dies mit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist, in Einklang steht.
Haftgründe werden im einzelstaatlichen Recht geregelt."
19 Die Abs. 1 und 2 des Art. 28 Dublin III-VO, auf den in der lit. f des zitierten Art. 8 der Aufnahme-RL Bezug genommen und auf den das BFA (iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG) die gegenständliche Schubhaftanordnung gestützt hatte, lautet:
"Artikel 28
Haft
(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.
(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen."
20 In Art. 8 Abs. 1 der Aufnahme-RL wird zunächst der Grundsatz normiert, dass ein Fremder nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. In diesem Sinn ordnet auch Art. 28 Abs. 1 der Dublin III-VO an, dass die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Asylwerber, die in den Anwendungsbereich der Aufnahme-RL fallen, dürfen vielmehr nur unter den in Art. 8 Abs. 3 genannten Voraussetzungen in Haft genommen werden, wobei die Haftgründe nach dem letzten Satz dieser Bestimmung einer Ausgestaltung im nationalen Recht bedürfen. Dem wird § 76 FPG insoweit gerecht, als einerseits mit dem die "Dublin-Konstellationen" erfassenden Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2 Z 2 (iVm Abs. 3) FPG der Haftgrund des Art. 8 Abs. 3 lit. f der Aufnahme-RL und andererseits mit § 76 Abs. 6 FPG im Wesentlichen der Haftgrund des Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL umgesetzt wird. Demnach kann nach den erstgenannten Bestimmungen gegen Asylwerber zur Sicherung des Verfahrens zur Überstellung in den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat Schubhaft verhängt werden, wenn (neben weiteren Bedingungen) erhebliche Fluchtgefahr vorliegt, und nach den zweitgenannten Bestimmungen eine in Vollzug befindliche Schubhaft trotz nachträglicher Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlangung der Stellung als Asylwerber dann aufrechterhalten werden, wenn die Antragstellung in Verzögerungsabsicht erfolgt.
21 Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL gilt nur für den Fall, dass sich der Fremde im Rahmen eines Verfahrens im Sinne der Rückführungs-RL in Schubhaft befindet (siehe in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30. Mai 2013, C-534/11 , Rs "Arslan"). Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die vorliegende Konstellation, dass die Schubhaft in einem der Dublin III-VO unterliegenden Fall wegen Vorliegens von erheblicher Fluchtgefahr angeordnet wurde und nach späterer Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz aufrechterhalten werden soll; diese Fallgestaltung ist vielmehr von Art. 8 Abs. 3 lit. f der Aufnahme-RL iVm Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-VO erfasst. Demzufolge ist auch § 76 Abs. 6 FPG - mag dessen Wortlaut generell jeden Fall der Stellung eine Antrags auf internationalen Schutz während der Anhaltung in Schubhaft erfassen - richtlinienkonform in diesem (eingeschränkten) Sinn zu verstehen, zumal kein Anhaltspunkt ersichtlich ist, dass der österreichische Gesetzgeber von den unionsrechtlichen Vorgaben abweichen wollte. Demnach kann eine gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnete Schubhaft auf Basis dieser Bestimmungen unter den dort genannten Voraussetzungen, insbesondere dem weiterem Vorliegen von erheblicher Fluchtgefahr, ohne Weiteres auch nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz aufrechterhalten werden. Hierfür kommt es auf das Vorliegen einer Verzögerungsabsicht iSd § 76 Abs. 6 FPG und auf die Erfüllung der dort (wegen der damit verbundenen Änderung des Haftgrundes) vorgesehenen verfahrensrechtlichen Kautelen nicht an.
22 Andernfalls stellte sich nämlich die Frage, weshalb für die Fortsetzung der Haft gegen einen nachträglich zum Asylwerber gewordenen Fremden eingeschränktere Voraussetzungen gelten sollen als für die Verhängung der Haft gegen einen Fremden, der schon davor Asylwerber war. Auf den vorliegenden Fall bezogen wäre es somit nicht nachvollziehbar, wenn ein sich in Freiheit befindender Asylwerber wegen Vorliegens von erheblicher Fluchtgefahr gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung des "Dublin-Überstellungsverfahrens" in Schubhaft genommen werden darf, während dieser Haftgrund bei einem bereits gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG vor der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich inhaftierten Fremden, der aufgrund der nachträglichen Antragstellung zum Asylwerber wird, nicht genügen soll, sondern es in Bezug auf diesen Antrag überdies noch einer Umgehungsabsicht bedürfte. Eine solche Deutung wäre - wie bereits erwähnt - mit Art. 8 Abs. 3 der Aufnahme-RL nicht in Einklang zu bringen, weil der dort in der lit. f normierte Haftgrund - Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 28 Dublin III-VO - eigenständig neben dem (eine Sonderkonstellation regelnden) Tatbestand der lit. d und davon unabhängig besteht.
23 Daraus folgt für den gegenständlichen Fall, dass es auf die Voraussetzungen gemäß § 76 Abs. 6 FPG nicht angekommen wäre. Auf das - vom BVwG unterstellte - Fehlen dieser Bedingungen hätte somit die mit der vorliegenden Amtsrevision bekämpfte Feststellung der (teilweisen) Rechtswidrigkeit der Schubhaft nicht gegründet werden dürfen. Insoweit erweist sich Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses als inhaltlich rechtswidrig, sodass in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG dessen Aufhebung vorzunehmen war.
Zur Revision des R N betreffend Schubhaft - Spruchpunkt I. und II.2.
24 Unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wird in dieser Revision geltend gemacht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es entgegen dem ausdrücklichen Antrag in der Beschwerde keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe und zu Unrecht vom Vorliegen von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen sei.
25 Dieser Vorwurf trifft insoweit zu, als das BVwG die Beschwerde in Bezug auf die Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen den Revisionswerber für 24 Stunden nach Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz am 24. Jänner 2017 um 14.40 Uhr abgewiesen und überdies einen positiven Fortsetzungsausspruch getroffen hat. Die Revision erweist sich hingegen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 23. Jänner 2017 und gegen die darauf gegründete Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft bis 24. Jänner 2017, 14.40 Uhr, richtet, mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.
26 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde nämlich schon wiederholt dargelegt, dass die Frage, ob bei Vorliegen eines Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG dann auch konkret von (erheblicher) Fluchtgefahr auszugehen ist, stets eine solche des Einzelfalles sei, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel sei, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde. Das gelte sinngemäß auch für die Frage, ob von einem Sicherungsbedarf auszugehen ist, dem nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne (vgl. etwa den Beschluss vom 11. Mai 2017, Ro 2016/21/0022, Rz 12, mwN).
27 Das ist vorliegend der Fall, weil die diesbezügliche Beurteilung durch das BVwG vor dem Hintergrund des eingangs dargestellten, auch in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Sachverhalts nicht unvertretbar war. Aufgrund der vom Revisionswerber geäußerten Absicht, weder in Österreich bleiben, noch in den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat Ungarn zurückkehren, sondern nach Deutschland weiterreisen zu wollen, war jedenfalls der Tatbestand nach der lit. c des § 76 Abs. 3 Z 6 FPG ("es aufgrund der Ergebnisse der Befragung ... oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt") verwirklicht. Dazu kommt, dass sich die Ernsthaftigkeit dieser Absicht nicht nur aus ihrer wiederholten Bekundung ableiten ließ, sondern auch daraus, dass der Revisionswerber nach seiner Einreise mit den österreichischen Behörden von sich aus keinen Kontakt aufnahm, sondern sich zwei Tage im Bereich des Ankunftsbahnhofs aufhielt, um von dort die bereits organisierte Weiterreise mittels Schleppers anzutreten. Außerdem durfte in diesem Stadium noch berücksichtigt werden, dass es der Revisionswerber ablehnte, in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, sodass er keinen Anspruch auf Grundversorgung hatte. Eine Anordnung im Sinne des § 77 Abs. 3 Z 1 und 2 FPG, in vom BFA bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden, musste aber im Hinblick auf die manifeste Weiterreiseabsicht des Revisionswerbers nicht zwingend als zielführend angesehen werden.
28 Vor diesem Hintergrund war die Annahme, es liege erhebliche Fluchtgefahr iSd Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-VO vor, der nur durch Schubhaft begegnet werden könne, in diesem Verfahrensstadium insgesamt zumindest vertretbar, sodass sich in diesem Zusammenhang am Maßstab der in Rz 26 erwähnten Rechtsprechung keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG stellen. Die Parteirevision war daher in dem aus Spruchpunkt I. ersichtlichen Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat zurückzuweisen.
29 Den Erwägungen des BVwG, soweit es die Beschwerde für den Zeitraum nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz abgewiesen und einen positiven Fortsetzungsausspruch getroffen hat, liegt maßgeblich die Annahme zugrunde, der Revisionswerber habe auch noch in diesem Zeitraum die Absicht zur illegalen Weiterreise nach Deutschland gehabt und er hätte das Verfahren über diesen Antrag nicht in Österreich abwarten wollen. Das steht allerdings im Widerspruch zum gegenteiligen Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Revisionswerber beabsichtigt habe, sein Asylverfahren in Österreich zu führen. Mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz habe er zum Ausdruck gebracht, dass eine Weiterreise nach Deutschland nicht mehr in Frage komme. Insbesondere zu diesem Thema hatte der Revisionswerber in der Beschwerde auch ausdrücklich die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt. Diesbezüglich lag somit kein "aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärter Sachverhalt" iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG vor, weshalb sich die auf diese Bestimmung gestützte Begründung des BVwG für die Nichtdurchführung der Beschwerdeverhandlung als nicht tragfähig erweist (vgl. dazu auch noch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2017/21/0080, Rz 15 ff, mwN). Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis in dem aus Spruchpunkt II.2. ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Zur Amtsrevision des BFA betreffend Verfahrenshilfe - Spruchpunkt II.3.
30 Der Revisionswerber hatte den Antrag, ihm die Verfahrenshilfe in Bezug auf die Befreiung von der für die Beschwerde zu entrichtenden Pauschalgebühr zu gewähren, auf § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO gestützt. Das BVwG wies diesen Antrag in Anwendung der genannten Bestimmungen mit dem von der Amtsrevision des BFA weiters bekämpften Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Erkenntnisses ab.
31 Dem tritt das BFA insofern entgegen, als es der Auffassung ist, aus Abs. 1 des § 8a VwGVG ergebe sich dessen subsidiäre Anwendbarkeit. Für den gegenständlichen Fall einer Schubhaftbeschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG werde die Verfahrenshilfe aber in § 52 iVm § 48 BFA-VG abschließend geregelt, sodass § 8a VwGVG überhaupt nicht zur Anwendung komme. In den genannten Bestimmungen des BFA-VG sei die Gewährung von Verfahrenshilfe in Bezug auf die Eingabengebühr gar nicht vorgesehen, sodass das BVwG den Antrag nicht hätte meritorisch erledigen dürfen, sondern ihn hätte zurückweisen müssen.
32 Die Amtsrevision erweist sich auch in diesem Punkt als zulässig iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, weil zur aufgeworfenen Frage noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert; sie ist aber nicht berechtigt.
33 Der seit 1. Jänner 2017 geltende, mit der Novelle BGBl. I Nr. 24/2017 eingefügte § 8a VwGVG lautet auszugsweise:
"Verfahrenshilfe
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. ...
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird."
34 Vorauszuschicken ist, dass die gegenständliche Schubhaft als Maßnahme im Sinn des Art. 28 der Dublin III-VO zu verstehen und damit die über die Rechtmäßigkeit dieser Schubhaft absprechende Entscheidung des BVwG in "Durchführung des Rechts der Union" im Sinn des Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) ergangen ist, weshalb im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich der GRC - und damit insbesondere des in § 8a Abs. 1 VwGVG angeführten Art. 47 Abs. 3 GRC - eröffnet ist (vgl. in Bezug auf Schubhaft im Sinne der Rückführungs-RL das hg. Erkenntnis vom 3. September 2015, Ro 2015/21/0032, Punkt 3.2. der Entscheidungsgründe).
35 Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO kann die Verfahrenshilfe als Begünstigung die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und von anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren umfassen. In der Amtsrevision wird eingeräumt, dass nach dieser gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich anzuwendenden Bestimmung die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der für eine Beschwerde gemäß § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b GebührenG 1957 iVm § 1 und § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV zu entrichtenden Pauschalgebühr in Betracht kommt (vgl. auch die ErläutRV zur genannten Novelle des VwGVG, 1255 BlgNR 25. GP 1, wonach die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Verfahrenshilfe im zivilgerichtlichen Verfahren entsprechen soll, und aaO. 3, wo an zwei Stellen als mögliche Begünstigung ausdrücklich die vorläufige Befreiung von Gebühren neben der Beigebung eines Rechtsanwaltes genannt wird). Richtig ist auch, dass § 52 BFA-VG für bestimmte Verfahren, wie auch für das gegenständliche Schubhaftbeschwerdeverfahren, nähere Regelungen betreffend die unentgeltliche Beigabe eines Rechtsberaters, dessen Anforderungsprofil in § 48 BFA-VG im Einzelnen umschrieben ist, enthält (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0152, in dem Punkt 2. der Entscheidungsgründe in Rz 26 dahin zusammengefasst wurde, dass es in Anbetracht der den Rechtsberatern nach dem FrÄG 2015 gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG im Schubhaftbeschwerdeverfahren zukommenden Befugnisse und Verpflichtungen zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nicht der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer bedarf).
36 Allerdings lässt sich § 52 BFA-VG nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - entgegen der Meinung in der Amtsrevision - nicht als "abschließende" Regelung der Verfahrenshilfe verstehen. Sonst würde sich unter Gleichheitsgesichtspunkten die Frage stellen, welche sachliche Rechtfertigung es gibt, dass in den von § 52 BFA-VG erfassten Verfahren eine - für andere Verfahren vor den Verwaltungsgerichten im Wege des § 8a Abs. 2 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO vorgesehene - Befreiung von der Entrichtung der Pauschalgebühr für die Beschwerde generell nicht möglich sein soll. Eine solche sachliche Rechtfertigung wird weder in der Amtsrevision dargetan, noch lässt sie sich den erwähnten ErläutRV (aaO. 2), auf die das BFA in der Revision noch rekurriert und wonach § 8a VwGVG "im
Anwendungsbereich des BFA-VG ... (überhaupt) nicht zur Anwendung"
gelangt, entnehmen. Im Übrigen wurde vor dieser pauschalen Beurteilung in den Gesetzesmaterialien auch nur die Beigebung eines Rechtsberaters nach § 52 BFA-VG (anstelle eines rechtsanwaltlichen Verfahrenshelfers) erörtert. Außerdem heißt es im Anschluss an die zitierte Stelle in den ErläutRV noch, die Subsidiarität des § 8a VwGVG habe "auch zur Folge, dass gesetzliche Bestimmungen, die einen entsprechenden Inhalt aufweisen, mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes nicht außer Kraft treten". Das steht durchaus im Einklang mit der hier vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung, wonach die in § 8a Abs. 1 VwGVG normierte Subsidiaritätsklausel nicht zum Tragen kommt, weil § 52 BFA-VG keinen dem § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO iVm § 8a Abs. 2 VwGVG entsprechenden Inhalt aufweist, weil also insoweit "nicht anderes bestimmt ist".
37 Demzufolge ist davon auszugehen, dass auch in einem Schubhaftbeschwerdeverfahren - so die Voraussetzungen nach § 8a Abs. 1 VwGVG im jeweiligen Einzelfall vorliegen - die Bewilligung der Verfahrenshilfe in Bezug auf die Befreiung von der Pauschalgebühr für die in § 2 BuLVwG-EGebV genannten Eingaben in Betracht kommt. Die eine gegenteilige Position vertretende Amtsrevision war daher insoweit mit Spruchpunkt II.3. gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
38 Von der in der Parteirevision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
39 Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. August 2017
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