VwGH Ra 2017/18/0210

VwGHRa 2017/18/02107.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision der L M alias D in W, vertreten durch Dr. Roman Keltner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Augustinerstraße 12/13, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017, Zl. L523 2148643-1/4E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Georgiens, beantragte am 9. Dezember 2015 internationalen Schutz in Österreich.

2 Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Georgien zulässig sei, sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 9. Mai 2017 als unbegründet ab. Zudem erklärte es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht moniert. Eine erhebliche Rechtsfrage sei schon alleine in der denkunmöglichen Ansicht des BVwG begründet, der Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG komme Vorrang vor jener des § 24 VwGVG zu. Weiters stelle sich die Frage der Vereinbarkeit von § 21 Abs. 7 BFA-VG mit Art. 46 GRC (gemeint wohl Art. 47 GRC). Darüber hinaus wäre im Sinne der hg. Judikatur zu § 21 Abs. 7 BFA-VG bereits aufgrund der substantiierten Beschwerde zu verhandeln gewesen. Schließlich wäre das BVwG auch verpflichtet gewesen, sich einen persönlichen Eindruck vom Gesundheitszustand der Revisionswerberin zu verschaffen.

8 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass im Anwendungsbereich der vom BFA-VG erfassten Verfahren § 21 Abs. 7 BFA-VG eigene Regelungen enthält, wann - selbst bei Vorliegen eines diesbezüglichen Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann; diese Bestimmung geht der bloß als subsidiär anwendbar ausgestalteten Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG vor (VwGH 24.3.2015, Ra 2015/21/0025).

9 Hinsichtlich der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

10 Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. So wandte sich die Beschwerde lediglich pauschal gegen die Beweiswürdigung des BFA, ohne jedoch einzelnen Feststellungen konkret entgegenzutreten. Entgegen dem Revisionsvorbringen kann daher nicht vom Vorliegen einer substantiierten Beschwerde gesprochen werden. Darüber hinaus stellte das BVwG - unter Verweis auf von der Revisionswerberin vorgelegte medizinische Unterlagen - ohnehin fest, dass diese an einem Paniksyndrom, an einer Sozialphobie und an einem schweren depressiven Syndrom leide. In der rechtlichen Beurteilung setzte sich das BVwG mit diesem Krankheitsbild auseinander und kam - auch unter Berücksichtigung der der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte zum Gesundheitssystem und den Behandlungsmöglichkeiten in Georgien - zu dem Schluss, dass der Revisionswerberin bei einer Rückkehr keine Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht darzulegen, warum das BVwG in Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Revisionswerberin dazu verpflichtet gewesen wäre, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

11 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 21 Abs. 7 BFA-VG im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht und sich somit - im Gegensatz zum Vorbringen in der Revision - auch aus unionsrechtlichen Überlegungen keine Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt (vgl. VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022).

12 Nach ständiger hg. Judikatur setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird; das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren -

Sachverhaltsgrundlage zu führen (etwa VwGH 4.9.2017, Ra 2017/20/0097).

13 Die Revision moniert zwar die mangelnde Aktualität der vom BVwG seinem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen, zeigt jedoch nicht auf, inwiefern die aktuelle Lage in Georgien - etwa in Bezug auf das Gesundheitssystem oder die Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte Personen - im Vergleich zu diesen Länderfeststellungen abweiche. Insofern gelingt es der Revision bereits nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 7. November 2017

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