Normen
FamLAG 1967 §2 Abs8;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin hatte am 25. April 2013 einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter KIA gestellt, worauf für dieses Kind während der Monate April bis November 2013 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gewährt wurden. Am 31. Oktober 2013 überprüfte das Finanzamt die Gewährung für KIA.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes über die genannten Leistungen während des Zeitraumes April bis November 2013 als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst aus,
"(a)m 8.7.2015 reichte die (Revisionswerberin) zwei Bescheide des Landes Wien, Magistratsabteilung 35 für sich und KIA nach, demgemäß deren Aufenthalt in Österreich vom 4. 11. 2014 bis zum 20. 5. 2015 rechtmäßig war und der Aufenthaltstitel ab 21. 5. 2015 rechtsgültig erteilt werde. Der davor innegehabte Aufenthaltstitel hatte bis zum 3. 11. 2014 Gültigkeit.
Am 13. 11.2015 reichte die (Revisionswerberin) eine Bescheidausfertigung des AMS nach, der gemäß ihr eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 9. 11. 2015 bis zum 9. 11. 2016 erteilt werde.
Am 29. 6.2016 legte die (Revisionswerberin) die Rot-Weiß-Rot Karte für sich und ihren Sohn vor."
3 Nach weiterer Zitierung der Rechtsgrundlagen führte das Gericht weiter aus:
"Die (Revisionswerberin) verfügt zwar seit 27. 2. 2013 einen Aufenthaltstitel jedoch nur zum Zweck eines Studiums. Gemäß dem Bescheid des Landes Wien, Magistratsabteilung 53 ist der Aufenthalt der (Revisionswerberin) in Österreich erst seit 4. 11. 2015 rechtmäßig.
Der Mietvertrag für die Wohnung lautete auf den Gatten der (Revisionswerberin) mit dem sie im Rückforderungszeitpunkt noch im gemeinsamen Haushalt lebte.
Auch wenn der Aufenthalt der (Revisionswerberin) in Österreich gem. § 8 und 9 NAG in Österreich rechtmäßig war, erfolgte dieser nur zu Studienzwecken. Darüber hinaus muss für einen Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich liegen. Hierbei ist jedoch nicht das Wunschdenken der (Revisionswerberin) ausschlaggebend, sondern ist dies objektiv zu beurteilen.
Wie dargestellt hielt sich die (Revisionswerberin) eben nur zu Studienzwecken in Österreich auf, wurde ihr Unterhalt von ihrer Mutter getragen, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügte und hatte sie auch keine eigene Wohnung. Auch hielt sich ihr Gatte ebenfalls nur zu Studienzwecken in Österreich auf und verfügte über kein eigenes Einkommen. Objektiv gesehen mangelte es im Beschwerdezeitpunkt somit an einer ausreichend intensiven Anbindung an Österreich, weshalb die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zu Recht erfolgte."
Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision im Kern damit, im beschwerdegegenständlichen Fall liege eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb das Gericht die Revision als nicht zulässig erachte.
4 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legt ihre Zulässigkeit darin dar, aus der "Entscheidung 2009/16/0179 und auch aus der Entscheidung 2009/16/0125" ergebe sich, dass bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führten, die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort bestehe, an dem sie mit ihrer Familie lebten. Selbst ein Zuzug für immer sei nicht erforderlich. Im angefochtenen Erkenntnis werde die "Entscheidung 2008/15/0325" zitiert und daraus der unrichtige Schluss gezogen, dass diese Entscheidung dafür spreche, dass der gegenständlichen Beschwerde nicht stattzugeben sei. Zu Unrecht vermeine das Gericht, dass schon deshalb der Lebensmittelpunkt der Revisionswerberin nicht in Österreich gelegen sei, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt habe und auch keine eigene Wohnung gehabt hätte. Zu Unrecht gehe das Gericht davon aus, dass aus dem Aufenthalt zu Studienzwecken und dem Mangel an eigenem Einkommen eine ausreichend intensive Anbindung an Österreich nicht gegeben sei. Damit entferne sich das Gericht von der bisherigen Rechtsprechung.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erklärte, eine Revisionsbeantwortung nicht zu erstatten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Das Gericht zieht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 und 2 FLAG nicht in Zweifel; es sieht jedoch den Mittelpunkt des Lebensinteresses im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG deshalb nicht im Bundesgebiet gelegen, weil sich die Revisionswerberin nur zu Studienzwecken in Österreich aufgehalten habe, deren Unterhalt von ihrer Mutter getragen worden sei, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt habe, und sie auch keine eigene Wohnung gehabt habe. Auch ihr Gatte habe sich nur zu Studienzwecken in Österreich aufgehalten und über kein eigenes Einkommen verfügt.
7 Nach § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
8 Bei der Beantwortung der Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG kommt es nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Bundesgebiet ein ständiger ist. Der Umstand, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken begrenzt ist, steht der Beurteilung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege am Ort des Studiums, nicht entgegen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 2010, 2007/13/0129, und vom 27. Jänner 2010, 2009/16/0114).
Bei der Prüfung der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend (vgl. das Erkenntnis vom 24. Februar 2010, 2007/13/0128, mwN). Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Besteht die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich, so ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz (vgl. das Erkenntnis vom 18. November 2009, 2008/13/0218, mwN).
9 Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung sind die vom Gericht ins Treffen geführten Umstände (Aufenthalt zu Studienzwecken in Österreich, Tragen des Unterhaltes durch die Mutter, keine ausreichenden eigenen Mittel) nicht geeignet, die Annahme des Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet auszuschließen.
10 Die vor diesem Hintergrund zulässige Revision erweist sich damit auch als berechtigt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist.
11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. April 2017
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