Normen
FamLAG 1967 §2 Abs8;
FamLAG 1967 §2 Abs8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 11. Jänner 1975 geborene Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige der Slowakei, stellte einen am 6. Juli 2006 beim Finanzamt eingelangten Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihre am 6. Juni 2006 in Wien geborene Tochter.
Mit Bescheid vom 29. August 2006 wies das Finanzamt diesen Antrag mit der Begründung ab, für studierende oder in Ausbildung befindliche Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, und für deren etwaige Kinder bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe, weil sich diese Personen nur vorübergehend in Österreich aufhielten. Die Mitbeteiligte habe keine Anbindung an Österreich und befinde sich nur zu Studienzwecken in Österreich. Sie werde unter anderem auch von ihren Eltern in der Slowakei finanziell unterstützt.
Dagegen berief die Mitbeteiligte mit der Begründung, sie sei im Dezember 2002 zu Studienzwecken nach Österreich gezogen und studiere seither an der Universität Wien in der Studienrichtung Übersetzer- und Dolmetscherausbildung (Deutsch und Russisch). Seit März 2003 habe sie ihren Wohnsitz ausschließlich in Wien. Im Jahr 2004 habe sie den in Wien wohnhaften Dipl.Ing. D kennen gelernt. Sie sei mit diesem eine Lebensgemeinschaft eingegangen und im Juni 2005 zu ihm gezogen. Am 6. Juni 2006 sei in Wien die gemeinsame Tochter geboren worden. Diese Lebensgemeinschaft sei jedoch bereits während der Schwangerschaft "auseinander" gegangen. Die Mitbeteiligte sei in der Folge in ihre derzeitige Wohnung in Wien gezogen und führe dort mit ihrer Tochter einen eigenen Haushalt. Es sei ihr einziger Wohnsitz, insbesondere habe sie in der Slowakei keinen Wohnsitz. Sie übe derzeit keine berufliche Tätigkeit aus, studiere in Wien und werde von ihren Eltern finanziell unterstützt. Der Kindesvater Dipl.Ing. D leiste einen monatlichen Unterhalt von 500 EUR. Zu Wien habe sie einen besonderen Nahebezug, weil sie bereits in den Jahren 1993 bis 1996 mit ihrem Vater, Univ.Prof. Dr. B, der in dieser Zeit an der Botschaft der Slowakei in Wien tätig gewesen sei, gemeinsam mit ihrer (damaligen) Familie nach Wien gezogen sei und nicht zuletzt durch Kontakte ihres Vaters, der im Übrigen noch "heute" an der Wirtschaftsuniversität Wien wöchentlich Vorträge halte, einen großen Freundeskreis aufgebaut habe, der sie an Wien binde. Sie habe zunächst mit dem späteren Kindesvater Dipl.Ing. D in Wien in familienähnlicher Beziehung gelebt, nun bilde sie mit ihrer Tochter in Wien eine Familie, wobei auch der Kindesvater in räumlicher Nähe in Wien lebe und eine Bindung an die gemeinsame Tochter habe. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liege in Österreich.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes ersatzlos auf. Unter Annahme des von der Mitbeteiligten vorgebrachten Sachverhaltes liege der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Mitbeteiligten in Österreich. Die Mitbeteiligte wohne seit 2002 - zeitweise mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Vater ihrer Tochter - und seit 2006 mit ihrer Tochter in Österreich und beabsichtige, weiter in Österreich zu bleiben. Die belangte Behörde sehe keine Umstände, die für eine stärkere Bindung an einen anderen Staat als Österreich sprächen. Dass die Mitbeteiligte nur über einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der Ausbildung verfüge, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen.
Dagegen richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und brachte ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen unter in dieser Bestimmung näher angeführten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.
§ 2 Abs. 8 FLAG lautet:
"(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."
Angesichts des von der Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebrachten, von der belangten Behörde angenommenen und vom beschwerdeführenden Finanzamt nicht in Abrede gestellten oben geschilderten Sachverhalts ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde den Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG der Mitbeteiligten als in Österreich gelegen angenommen hat.
Das Finanzamt trägt vor, ein Aufenthalt zu Studienzwecken sei von Anfang an als begrenzt zu betrachten und niemals ein ständiger. Die Frage eines ständigen Aufenthaltes im Inland einer die Gewährung von Familienbeihilfe begehrenden Person, welche nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, war etwa nach der im Beschwerdefall nicht mehr anwendbaren Bestimmung des § 3 Abs. 2 FLAG bis zur Änderung durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, von Interesse. Doch auch dazu hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass der Umstand einer bloß befristeten Aufenthaltsberechtigung unerheblich ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 2009, 2009/16/0208, vom 5. November 2009, 2009/16/0215 und 2009/16/0239, sowie vom 17. Dezember 2009, 2009/16/0221 und 2009/16/0258). Bei der Antwort auf die im vorliegenden Beschwerdefall allein interessierende Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd § 2 Abs. 8 FLAG kommt es nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Bundesgebiet ein ständiger Aufenthalt ist. Der Umstand, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken begrenzt ist, steht der Beurteilung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege am Ort des Studiums, entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0325).
Das Finanzamt führt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitbeteiligten ins Treffen, wonach die Mitbeteiligte die Mittel zur Deckung der Lebensunterhaltskosten von ihren Eltern in der Slowakei beziehe (dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vorbringen der Mitbeteiligten, der Kindesvater, mit dem die Mitbeteiligte in Wien zeitweilig in Lebensgemeinschaft gestanden sei, leiste einen Beitrag von 500 EUR monatlich als Unterhaltskosten für das gemeinsame Kind, tritt die Beschwerde nicht entgegen). Dass bei der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im hg. Erkenntnis vom 18. November 2009, Zl. 2008/13/0218, ausgesprochen.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. Jänner 2010
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