VwGH 2009/16/0208

VwGH2009/16/020812.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer LL.M., über die Beschwerde des Finanzamtes Grieskirchen Wels in Wels, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 16. Juli 2009, GZ. RV/0546-L/09, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen (mitbeteiligte Partei: A Z), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §3 Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs2;
BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §3 Abs1;
FamLAG 1967 §3 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgendes zu entnehmen:

Die Mitbeteiligte hatte am 26. Juni 2001 Asyl beantragt und hielt sich seither in Österreich auf. Sie bezog zumindest für die Monate Juli 2006 und Februar 2007 bis März 2009 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für ihre drei minderjährigen Kinder.

Mit Bescheid vom 23. März 2009 forderte das Finanzamt die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge u.a. für die genannten Monate zurück. Personen, die bereits vor 2006 ein anhängiges und noch laufendes Asylverfahren hätten, hätten Anspruch auf Familienbeihilfe nur für Zeiträume einer durchgehenden unselbständigen rechtmäßigen Beschäftigung oder eines Krankengeldbezuges von zumindest mehr als drei Monaten. In den Rückforderungszeiträumen habe eine derartige Beschäftigung oder ein Krankengeldbezug nicht vorgelegen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor, sie habe sich nach ihrem Antrag auf Asyl vom 26. Juni 2001 ab Juli 2006 fünf Jahre, somit 60 Kalendermonate, im Bundesgebiet aufgehalten. Dabei spiele eine Beschäftigung keine Rolle mehr.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes für die Monate Juli 2006 und Februar 2007 bis März 2009 auf. Da das Asylverfahren der Mitbeteiligten vor dem 31. Dezember 2005 eingeleitet worden und somit noch nach dem Asylgesetz 1997 unter Berücksichtigung der in § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 angeführten Bestimmungen abzuführen sei, komme gemäß § 55 FLAG die Bestimmung des § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005 noch nicht zur Anwendung, sondern sei § 3 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 noch anzuwenden. Da sich die Mitbeteiligte unbestritten seit Juni 2001 in Österreich aufhalte, erfülle sie im in Rede stehenden Zeitraum (Juli 2006 und Februar 2007 bis März 2009) die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nach § 3 Abs. 2 FLAG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für in dieser Bestimmung festgelegte Voraussetzungen erfüllende Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 3 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 lautete:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974."

Mit Art. 22 des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, wurde § 3 Abs. 2 FLAG geändert und lautete dann:

"(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

Mit Art. 12 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wurde § 3 neuerlich geändert und lautete sodann:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde."

§ 55 Abs. 1 FLAG lautet:

"§ 55 (1) Die in §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit 1. Jänner 2006, nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 168/2006 wurden dem § 3 FLAG die Absätze 4 und 5 angefügt, welche lauten:

"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2008, 2007/15/0170, auf dessen Gründe nach § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, eingehend dargelegt, weshalb § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, die vor dem 1. Jänner 2006 einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren am 31. Dezember 2005 noch anhängig war, noch nicht anzuwenden ist. An dieser Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. September 2008, 2008/15/0199, festgehalten. Der Beschwerdefall bietet keinen Anlass, von dieser Auffassung abzuweichen.

Damit ist im Beschwerdefall auf die Mitbeteiligte, deren Asylantrag vor dem 1. Jänner 2006 gestellt wurde und deren Asylverfahren am 31. Dezember 2005 noch anhängig war, § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden.

Nach dieser Bestimmung gilt § 3 Abs. 1 FLAG nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur insoweit gleichen Rechtslage des § 3 Abs. 2 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 bereits im Erkenntnis vom 7. Juni 2001, 98/15/0025, dargelegt, dass der in § 3 Abs. 2 FLAG geforderte ständige Aufenthalt im Bundesgebiet dem ständigen Aufenthalt iSd § 26 Abs. 2 BAO entspricht und es dabei auf die körperliche Anwesenheit ankommt. Damit wird auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf einen "berechtigten Aufenthalt" abgestellt, weshalb es in jenem Beschwerdefall auf das Fehlen einer Aufenthaltsgenehmigung nicht ankam.

Erst jüngst hat der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 21. September 2009, 2009/16/0178, zum insoweit vergleichbaren Tatbestand des ständigen Aufenthaltes in § 5 Abs. 3 FLAG wieder klargestellt, dass auch dieser ständige Aufenthalt dem gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 26 Abs. 2 BAO entspricht, dass es bei der Frage dieses Aufenthaltes um objektive Kriterien geht, und dass eine Berechtigung zum dauernden Aufenthalt (in jenem Beschwerdefall war lediglich eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden) nicht ausschlaggebend ist.

Das beschwerdeführende Finanzamt vermeint, ein ständiger Aufenthalt der Mitbeteiligten im Bundesgebiet sei nicht gegeben, weil der Aufenthalt der Mitbeteiligten als Asylwerberin nicht auf einem zu dauerndem Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitel beruhe.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt demgegenüber die Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal des ständigen Aufenthaltes in § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes ebenfalls dem gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 26 Abs. 2 BAO entspricht und daher das vom beschwerdeführenden Finanzamt ins Treffen geführte Fehlen eines zu dauerndem Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitels unerheblich ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2009

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