VwGH 2009/16/0178

VwGH2009/16/017821.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, LL.M., über die Beschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung in Graz gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 24. Juni 2009, GZ. RV/0207-G/09, betreffend Familienbeihilfe ab 1. August 2007 (mitbeteiligte Partei: L J in S), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §3 Abs2;
FamLAG 1967 §5 Abs3;
NAG 2005 §63;
NAG 2005 §8 Abs1 Z5;
BAO §26 Abs2;
FamLAG 1967 §3 Abs2;
FamLAG 1967 §5 Abs3;
NAG 2005 §63;
NAG 2005 §8 Abs1 Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Die Mitbeteiligte ist die Tante eines Kindes, welches die Staatsangehörigkeit der Volksrepublik China besitzt und sich seit August 2007 in Österreich aufhält. Das Kind besucht hier als ordentlicher Schüler ein Gymnasium. Für das Kind wurde jeweils eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" für den Zeitraum vom 4. Juli 2007 bis zum 4. Juli 2008 und für den Zeitraum vom 5. Juli 2008 bis zum 5. Juli 2009 erteilt. Das Kind lebt mit der Mitbeteiligten und deren Ehemann im gemeinsamen Haushalt. Die Mitbeteiligte und deren Ehemann sind die Pflegeeltern des Kindes; es besteht ein Pflegschaftsvertrag zwischen den leiblichen Eltern des Kindes und den Pflegeeltern.

Die Mitbeteiligte beantragte für das Kind die Gewährung der Familienbeihilfe ab August 2007.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Februar 2009 ab, weil für ausländische Schüler mit einer Aufenthaltsbewilligung "Schüler" gemäß § 8 NAG kein Familienbeihilfeanspruch bestehe. Denn diese Personen hielten sich nur für Ausbildungszwecke vorübergehend in Österreich auf.

Dagegen berief die Mitbeteiligte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes vom 11. Februar 2009 (ersatzlos) auf. Die Mitbeteiligte und ihr Ehemann, die Pflegeeltern des Kindes, besorgten die Pflege und die Erziehung des Kindes zur Gänze und zwischen dem Kind und seinen Pflegeeltern bestehe eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung. Da das Kind über eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" verfüge, halte es sich rechtsmäßig in Österreich auf.

Der für die Anspruchsvoraussetzung erforderliche ständige Aufenthalt des Kindes sei nach objektiven Kriterien zu prüfen. Ein solcher Aufenthalt verlange grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Das Kind halte sich nach der Aktenlage seit August 2007 ununterbrochen in Österreich auf und habe zweifellos seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Die Aufenthaltsbewilligung für einen vorübergehend befristeten Aufenthalt zu einem bestimmten Zweck sei dabei nicht entscheidungswesentlich. Die belangte Behörde komme daher zum Ergebnis, dass das Kind sich nicht ständig im Ausland aufhalte.

Mit der nach § 292 BAO erhobenen Beschwerde bekämpft das Finanzamt diesen Bescheid in vollem Umfang.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG - haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für in dieser Bestimmung festgelegte Voraussetzungen erfüllende Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

Kinder sind nach § 2 Abs. 3 lit. d leg. cit. in diesem Zusammenhang die Pflegekinder einer Person.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind nach § 2 Abs. 5 leg. cit. dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs. 3 FLAG für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 FLAG nehmen die belangte Behörde und das beschwerdeführende Finanzamt übereinstimmend an. Da für das Kind für den Streitzeitraum eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler (§ 8 Abs. 1 Z 5 iVm § 63 Abs. 1 NAG) erteilt wurde, hielt sich das Kind rechtmäßig iSd § 3 Abs. 2 FLAG in Österreich auf.

Strittig ist lediglich die Frage, ob sich das Kind iSd § 5 Abs. 3 FLAG ständig im Ausland aufhält.

Den Feststellungen der belangten Behörde, dass sich das Kind seit seiner Einreise im August 2007 ohne Unterbrechung in Österreich aufgehalten hat, hier mit seinen Pflegeeltern im gemeinsamen Haushalt lebt und ein österreichisches Gymnasium besucht, tritt das beschwerdeführende Finanzamt nicht entgegen. Dass die belangte Behörde diesen Sachverhalt nicht dem Tatbestand des § 5 Abs. 3 FLAG subsumiert und nicht angenommen hat, dass sich das Kind ständig im Ausland aufhält, ist nicht für rechtswidrig zu befinden.

Dem Umstand allein, dass die Aufenthaltsbewilligung nach § 8 Abs. 1 Z 5 iVm § 63 NAG nicht unbefristet erteilt worden ist, hat die belangte Behörde zu Recht keine entscheidende Bedeutung zugemessen, zumal eine Verlängerung (§ 63 Abs. 3 NAG) möglich und einmal auch tatsächlich bereits erfolgt ist.

Das beschwerdeführende Finanzamt will die Zeitdauer des Aufenthalts des Kindes im Inland deshalb vernachlässigen, weil es eine Abgrenzung zwischen gewöhnlichem und vorübergehendem Aufenthalt im Inland vornimmt und darauf abstellt, dass in der Lebensphase der Berufsausbildung, der Vorstufe zur Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit, die persönliche und wirtschaftliche Bindung am Ort der Ausbildung nicht entsprechend gefestigt sei und es durchaus üblich sei, die Berufsausbildung an einem anderen Ort als seinem Familienwohnsitz, der im Normalfall den Mittelpunkt der Lebensinteressen darstelle, zu absolvieren. Dabei übersieht das beschwerdeführende Finanzamt, dass es bei der Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG nach der hg. Rechtsprechung um objektive Kriterien geht, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. April 2009, Zl. 2008/15/0323, vom 28. November 2007, 2007/15/0055, und vom 15. November 2005, 2002/14/0103). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, wie es das beschwerdeführende Finanzamt mit dem Hinweis auf den Familienwohnsitz und die persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen im Auge zu haben scheint, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit. Angesichts des seit der Einreise im August 2007 bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides über einen Zeitraum von 22 Monaten währenden, ununterbrochenen Aufenthaltes im Inland musste die belangte Behörde, wie erwähnt, keinesfalls von einem ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland ausgehen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag auf aufschiebende Wirkung.

Wien, am 21. September 2009

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