UFS RV/0208-W/07

UFSRV/0208-W/0725.9.2007

Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder ausländischer Studenten

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0129 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 20.1.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., W., vom 13. September 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom 29. August 2006 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab 1. Juni 2006 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. ist slowakische Staatsbürgerin. Seit Dezember 2002 studiert sie an der Wiener Universität und hat seit 28.03.2003 ihren Wohnsitz in Wien. Sie stellte am 6. Juli 2006 den Antrag auf Familienbeihilfe für ihre am 6. Juni 2006 in Wien geborene Tochter. Das Finanzamt ersuchte in einem Ergänzungsschreiben um eine Bestätigung, wer für ihren Lebensunterhalt aufkomme.

Die Bw. gab bekannt, dass sie vom Kindesvater und von ihren Eltern finanziell unterstützt werde. Sie legte eine Bestätigung des Kindesvaters vor, in der er angab, eine monatliche Zahlung in Höhe von € 500,- zu leisten.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab. Begründend wurde ausgeführt, dass für Studierende/in Ausbildung befindliche Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind und für etwaige Kinder derselben kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, da sich diese Personen nur vorübergehend in Österreich aufhielten, und auch im Hinblick auf das Prinzip der Gegenseitigkeit (Österreich zahle die Familienbeihilfe für österreichische Studierende im Ausland und deren Kinder) bestünde kein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe. Der Antrag auf Familienbeihilfe werde daher abgewiesen, da die Bw. eine mangelnde Anbindung an Österreich habe. Sie befände sich nur zu Studienzwecke in Österreich und werde unter anderem auch von ihren Eltern in der Slowakei finanziell unterstützt.

Gegen den Abweisungsbescheid brachte die Bw. Berufung ein. Zum Sachverhalt brachte sie u.a. vor, dass sie slowakische Staatsbürgerin und im Dezember 2002 zu Studienzwecke nach Österreich gezogen sei und seither als ordentliche Hörerin an der Universität in Wien studiere. Seit 28.03.2003 hätte sie ihren Wohnsitz ausschließlich in Wien. Sie benötige als Angehörige eines Mitgliedstaates weder eine Aufenthaltsbewilligung noch eine Niederlassungsbewilligung. Zunächst hätte sie im X.. Bezirk, dann bei ihrem Lebensgefährten, dem Kindesvater, im Y.. Bezirk gewohnt. Anschließend hätte sie mit ihrer Tochter im Z.. Bezirk ihren einzigen Wohnsitz begründet. Sie verfüge derzeit über keine berufliche Tätigkeit und werde von ihren Eltern finanziell unterstützt. Da ihr Vater in Wien tätig gewesen sei, hätte ihre Familie bereits in Wien gewohnt. Ein großer Freundeskreis in Wien und gute Deutschkenntnisse vermittelten eine große Anbindung zu Wien.

Zusammenfassend führte die Bw. aus,

Eine mit dem Europarecht konforme Auslegung müsse ihres Erachtens dazu führen, dass auch ihr und ihrer Tochter als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates Familienbeihilfe deshalb gewährt werde, weil sie alle Voraussetzungen (dauernder Wohnsitz in Wien, Mittelpunkt der Lebensinteressen) erfüllten und sie beabsichtigten, ihren dauernden Wohnsitz auch in absehbarer Zukunft weiterhin in Österreich zu haben.

Der Umstand, dass die ausländische Person keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, hätte keine Bedeutung, wenn sein Familienbezug in Österreich liege (VwGH 30.01.1990,89/14/0054). Durch die Geburt der Tochter und den gemeinsamen Wohnsitz, sowie die Nähe des örtlichen Wohnsitzes des Kindesvaters sei entgegen der Ansicht der Erstbehörde ein ausreichender Nahebezug zu Österreich gegeben. Eben sowenig schließe der Umstand, dass ihre Eltern sie von der Slowakei finanziell unterstützten, die Berechtigung, Familienbeihilfe nach dem FLAG zu beziehen, aus.

Beigelegt wurde eine Kopie des" Aufenthaltstitels" gemäß § 7 Abs.4 Z 1 FRG, ein Versicherungsdatenauszug und ein Sammelzeugnis der Universität Wien.

Über die Berufung wurde erwogen:

 

Strittig ist vor allem, ob der Bw. die Familienbeihilfe zusteht, obwohl sie "nur" über einen Aufenthaltstitel als "Studentin" verfügt.

Dazu sind die einschränkenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 (kurz FLAG) in der nach dem Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) gültigen Fassung zu beachten, die lauten:

§ 3 Abs. 1 FLAG:

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

§ 3 Abs. 2 FLAG:

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Die erläuternden Bemerkungen (EB) zur Regierungsvorlage GP XXII RV 952 bestimmen, dass geregelt werden soll, dass Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, einschließlich Staatenloser, dann Anspruch auf die Familienbeihilfe haben, wenn sie zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind (§§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes). Das gilt auch für deren nicht österreichische Kinder (§§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

Die Bw. hatte eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 7 Abs.4 Z 1 FRG vorgelegt.

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe für haushaltszugehörige, minderjährige Kinder (§ 2 Abs. 1 FLAG), wenn sie selbst auch den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben (§ 2 Abs. 8 letzter Satz FLAG 1967).

Aus der Tatsache, dass ein Aufenthalt zu Ausbildungszwecken erfolgt, kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass keine Anbindung an Österreich bestehe und den Bezug von Familienbeihilfe ausgeschlossen wird. Die Frage des notwendigen Inlandsbezuges ist richtigerweise anhand der Prüfung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Anspruchsberechtigten sowie des ständigen Aufenthalts des Kindes zu beurteilen.

Diese Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu welchem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Unter persönlichen sind dabei all jene Beziehungen zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen, auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden, während den wirtschaftlichen Beziehungen nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zukommt (vgl. VwGH 25.2.1970, 1001/69).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt im Regelfall voraus, dass ein gemeinsamer Haushalt geführt wird und keine Umstände vorliegen, die ausschlaggebende und stärkere Bindungen zu einem anderen Ort bewirken (VwGH 30.1.1990, 89/14/0054 u.a.).

Im Zweifel ist lediglich ein Vergleich zwischen den Beziehungen zu den in Betracht kommenden Staaten zu ziehen. § 2 Abs. 8 FLAG verlangt nicht, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ausschließlich Österreich gelten oder gar, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen für immer im Bundesgebiet beibehalten werden muss (vgl. VwGH 30.1.1990, 89/14/0054 mwN).

Auf den konkreten Fall umgelegt bedeutet das nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenats, dass der Mittelpunkt des Bw. eindeutig in Österreich gelegen ist.

Die Bw. wohnte seit 2002 zeitweise mit ihrem Lebensgefährten, dem Vater ihrer Tochter und seit 2006 mit ihrer gemeinsamen Tochter in Österreich und beabsichtigt, weiter in Österreich zu bleiben. In Betrachtung all dieser Umstände vermag der unabhängige Finanzsenat keine Umstände zu erkennen, die für eine stärkere Bindung an einen anderen Staat als Österreich sprechen könnten.

Dass die Bw. nur über einen Aufenthaltstitel nach § 7 Abs.4 Z.1 FrG (Aufenthalt ausschließlich zum Zwecke der Ausbildung) verfügt (der für den Berufungszeitraum weitergilt), steht für sich allein der Annahme einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes nicht entgegen.

Es wird zwar in vielen Fällen typisch sein, dass der Lebensmittelpunkt von Studierenden, die sich nur zu Studienzwecken in Österreich aufhalten, weiterhin in ihrem Herkunftsland liegen wird. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass dies in jedem Fall so sein muss.

Im gegenständlichen Fall - wie vorstehend ausgeführt - geht der UFS davon aus, dass sich Lebensmittelpunkt der Bw. und ihrer Tochter in Österreich ist.

Die Bw. hat deshalb ab Juni 2006 (Geburt der Tochter) Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Wien, am 25. September 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Schlagworte:

Mittelpunkt der Lebensinteressen, Familienbeihilfe, Student, vorübergehender Aufenthalt

Stichworte