VwGH 2007/13/0128

VwGH2007/13/012824.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. September 2007, GZ. RV/1797-W/07, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe ab 1. Juni 2006 (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Getreidemarkt 18/11-12), zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs8 idF 2005/I/100;
FamLAG 1967 §2 Abs8 idF 2005/I/100;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. September 2006 wies das Finanzamt einen Antrag der Mitbeteiligten, einer italienischen Staatsangehörigen, vom 7. Juni 2006 auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Juni 2006 für ihren am 2. August 2005 geborenen Sohn mit der Begründung ab, eine Person, die zu Ausbildungs- bzw. Studienzwecken nach Österreich komme, verfüge "wegen mangelnder Anbindung an Österreich lediglich über einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet für die Zeit des Studiums, unabhängig davon wie lange es letztendlich dauert". Deshalb bestehe für die Beschwerdeführerin und "ihre etwaige Kinder" kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Ausnahmen seien lediglich bei einer intensiven Anbindung an Österreich, die "etwa durch die Heirat mit einem in Österreich lebenden österreichischen Staatsbürger und anschließendem gemeinsamen Existenzaufbau zum Ausdruck kommt, möglich".

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge (der Bescheid erster Instanz betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe wurde unter einem aufgehoben).

Folgende Tatsachen seien - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - für die Entscheidungsfindung, ob der Mitbeteiligten ab 1. Juni 2006 Familienbeihilfe für ihren Sohn zustehe, maßgebend:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 100/2005 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Die Amtsbeschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und bringt dazu in der Hauptsache vor, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken "niemals ein ständiger und von Anfang an als begrenzt zu betrachten" sei und zur Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen "das Vorhandensein von Existenzmitteln und deren Herkunft ein wesentliches Beurteilungskriterium" sei (im Beschwerdefall stammten die "Existenzmittel" der Mitbeteiligten, abgesehen von ihren Einkünften aus - zeitweise - geringfügiger Beschäftigung, aus Unterhaltleistungen der Eltern und freiwilligen Unterhaltsleistungen des Kindesvaters, der seinen Hauptwohnsitz im Ausland habe).

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0325, und vom 18. November 2009, 2008/13/0218, auf deren Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken im Bundesgebiet die Beurteilung nicht ausschließt, der Studierende habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, 2009/16/0114). Dass bei der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits mehrmals zum Ausdruck gebracht (vgl. z.B. das bereits zitierte Erkenntnis vom 18. November 2009, sowie weiters die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1990, 89/14/0054, und vom 20. Jänner 2010, 2007/13/0129).

Der Amtsbeschwerde gelingt es damit schon von daher nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Mitbeteiligte seit 1996 in Österreich lebe (hier auch seit 2004 Erwerbstätigkeiten nachgegangen sei) und der Vater des im Haushalt der Mitbeteiligten lebenden Kindes Österreicher sei und trotz Beschäftigung im Ausland in regelmäßigen Abständen die Wochenenden mit seiner Familie verbringe. Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Herkunftsland Italien beschränke sich auf etwa dreimalige Besuche im Jahr. Weshalb bei dieser Sachlage die persönliche Bindung der Mitbeteiligten an Österreich zweifelhaft sei, "da der Kindesvater sich hauptsächlich in England aufhält und die Eltern in Italien leben", macht die Beschwerde nicht einsichtig. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann in Österreich liegen kann, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 18. November 2009), und sich zudem aus dem Beschwerdevorbringen kein Staat ableiten lässt, zu dem engere Beziehungen der Mitbeteiligten iS des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 bestehen würden als zu Österreich.

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Februar 2010

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