VwGH Ra 2016/02/0245

VwGHRa 2016/02/02457.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revisionen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. September 2016,

1.) Zl. LVwG 30.12-2336/2016-7 (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0245) und 2.) Zl. LVwG 30.12-2338/2016-6 (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0246), jeweils betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bürgermeister der Stadt Graz; mitbeteiligte Parteien: 1. B H, 2. A Z, beide in G, beide vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VStG §21 Abs1;
VStG §45 Abs1 idF 2013/I/033;
VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016020245.L00

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt Graz jeweils vom 14. Juli 2016 wurden die Mitbeteiligten als handelsrechtliche Geschäftsführerinnen der P. GmbH schuldig erkannt, sie hätten zu verantworten, dass, wie am 12. November 2015 anlässlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates in einer näher angeführten Filiale der P. GmbH festgestellt worden sei, der Arbeitgeber für diese Filiale zumindest im Zeitraum 2. Juli 2015 bis 12. November 2015 nicht dafür gesorgt habe, dass ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument vorliege, welches den Mindesterfordernissen der Verordnung über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente entspreche, weil in dem vorhandenen Ordner mit Sicherheitsblättern und Produktinformationen der verwendeten Chemikalien kein Verzeichnis über gefährliche Arbeitsstoffe vorhanden gewesen sei, obwohl unter anderem das als "reizend" eingestufte Reinigungsmittel "A." sowie der als "reizend und leichtentzündlich" eingestufte antibakterielle Reiniger "D."

vorhanden gewesen seien, obwohl Arbeitgeber verpflichtet seien, in einer der Anzahl der Beschäftigten und den Gefahren entsprechenden Weise die Ergebnisse der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sowie die durchzuführenden Maßnahmen zur Gefahrenverhütung schriftlich festzuhalten (Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente). Das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument müsse auch ein Verzeichnis der verwendeten gefährlichen Arbeitsstoffe im Sinne des § 40 ASchG enthalten.

Die Mitbeteiligten hätten dadurch gegen § 130 Abs. 1 Z 7 ASchG i. V.m. § 5 ASchG i.V.m. § 2 Abs. 3 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (DOK-VO) i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG in den jeweilig geltenden Fassungen verstoßen. Über die Mitbeteiligten wurden wegen dieser Übertretung Geldstrafen von jeweils EUR 1.000,-

- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 2 Tage) verhängt.

2 Den dagegen erhobenen Beschwerden der Mitbeteiligten gab das Verwaltungsgericht mit den angefochtenen, im Wesentlichen gleichlautenden Erkenntnissen Folge, sah gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von der Verhängung einer Strafe ab und erteilte den Mitbeteiligten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens eine Ermahnung. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es jeweils für unzulässig. Das Verwaltungsgericht hielt unter anderem fest, es sei mit den jeweiligen Beschwerden gegen die Straferkenntnisse ausdrücklich nur die Höhe der verhängten Strafe bekämpft worden, weshalb der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sei. Da keine Verhandlung beantragt worden sei, habe gemäß § 44 Abs. 3 Z 2 VwGVG von einer Verhandlung abgesehen werden können. Werde in der Beschwerde nur das Strafausmaß bekämpft, habe das zuständige Landesverwaltungsgericht von dem im Straferkenntnis zur Schuldfrage festgestellten Sachverhalt auszugehen.

In weiterer Folge legte das Verwaltungsgericht die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen dar und hielt fest, dass am 12. November 2015 anlässlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates in der näher bezeichneten Filiale der P. GmbH festgestellt worden sei, dass kein Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument vorgelegen sei, welches den Mindesterfordernissen der Verordnung über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten entspreche, weil in dem vorhandenen Ordner mit Sicherheitsblättern und Produktinformationen der verwendeten Chemikalien kein Verzeichnis über gefährliche Arbeitsstoffe vorhanden gewesen sei. Die Mitbeteiligten hätten somit den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs. 1 Z 7 ASchG verwirklicht. Die Verwaltungsübertretung werde von den Mitbeteiligten nicht bestritten.

Zur subjektiven Tatseite, dem Verschulden, sei Folgendes auszuführen: Wie dem glaubhaften Vorbringen der Mitbeteiligten zu entnehmen sei, hätten diese zwar in den Räumlichkeiten der P. GmbH die Reinigungsmittel "A." und "D." aufbewahrt, ohne diese beiden Reinigungsmittel in einem Verzeichnis im Sinne des § 40 ASchG zu führen, hätten aber gleichzeitig glaubhaft machen können, dass diese beiden Reinigungsmittel nur in geringen Mengen (Haushaltsmengen) vorhanden gewesen seien und auch nur in geringen Mengen jede Woche verwendet worden seien. Die Mitbeteiligten hätten somit keinesfalls vorsätzlich gehandelt.

Das Verwaltungsgericht verwies sodann auf § 5 Abs. 1 VStG und führte dazu weiters aus, da zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs. 1 Z 7 i.V.m. § 5 ASchG i. V.m. § 2 Abs. 3 Z 1 DOK-VO weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehöre, und über das Verschulden in der betreffenden Verwaltungsvorschrift keine Bestimmung enthalten sei, handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Bei Ungehorsamsdelikten habe der Beschuldigte die von ihm behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche. Wie dem glaubhaften Vorbringen der Mitbeteiligten zu entnehmen sei, hätten diese lediglich zu verantworten, dass zwei Reinigungsmittel, welche auch im privaten Haushalt durchaus ihre Verwendung fänden, verwendet worden seien. Diese Reinigungsmittel seien nur in Haushaltsmengen verwendet worden und es seien beim Einsatz dieser Produkte die für den Umgang mit Chemikalien gültigen Vorsichtsmaßnahmen wie für sämtliche in privaten Haushalten oder Küchen verwendete Reinigungsmittel anzuwenden. Eine konkrete Gefährdung habe für keinen Mitarbeiter unmittelbar vorgelegen und es sei auch zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für irgendeine Person gekommen. Insgesamt sei nur von einem geringen Grad eines Versehens auszugehen. Zur Strafbemessung hielt das Verwaltungsgericht unter anderem nach näheren Ausführungen zu § 45 Abs. 1 Z 4 VStG fest, dass die Bestimmungen des § 130 Abs. 1 Z 7 ASchG i.V.m. § 5 ASchG i. V.m. § 2 Abs. 3 Z 1 DOK-VO dem Arbeitnehmerschutz dienen würden. Der Arbeitnehmerschutz stelle zwar zweifelsfrei ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut von hoher Bedeutung dar, jedoch dürfe in diesem Fall "nicht übersehen werden, dass im konkreten Anlassfall das hier strafrechtlich geschützte Rechtsgut, nämlich die Dokumentation von Reinigungsmitteln, welche auch in ähnlicher chemischer Zusammensetzung in fast jedem Haushalt zu finden sind, nur untergeordnete Bedeutung zukommt." Jedenfalls sei die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat (Verwendung von Reinigungsmitteln in Haushaltsmengen) als nur gering anzusehen. Somit hätten die Mitbeteiligten nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sogar einen Anspruch darauf, dass von den Bestimmungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG Gebrauch gemacht werde. Da insgesamt betrachtet die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gegeben seien, könne von der Bestrafung der Mitbeteiligten abgesehen werden und eine Ermahnung erteilt werden. Es sei davon auszugehen, dass die nunmehr erfolgte Ermahnung jedenfalls ausreiche, um die Mitbeteiligten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

3 Gegen diese Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die beiden Erkenntnisse gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

4 § 45 Abs. 1 Z 4 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

"§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

(...)

die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und

die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

(...)

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten."

5 § 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) lautet wie folgt:

"Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente

§ 5. Arbeitgeber sind verpflichtet, in einer der Anzahl der Beschäftigten und den Gefahren entsprechenden Weise die Ergebnisse der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sowie die durchzuführenden Maßnahmen zur Gefahrenverhütung schriftlich festzuhalten (Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente). Soweit dies aus Gründen der Gefahrenverhütung erforderlich ist, ist diese Dokumentation arbeitsplatzbezogen vorzunehmen."

6 Gemäß § 130 Abs. 1 Z 7 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 EUR zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente verletzt.

7 Gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (DOK-VO) muss das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument, soweit dies für den Bereich, auf den sich das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument bezieht, zutrifft, unter anderem ein Verzeichnis der verwendeten gefährlichen Arbeitsstoffe im Sinne des § 40 ASchG enthalten.

8 Die Revision führt zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte hg. Entscheidungen aus, die angefochtenen Entscheidungen würden von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, wonach die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraussetze, dass die in dieser Bestimmung genannten Umstände kumulativ vorliegen und die Anwendung dieser Gesetzesstelle schon dann nicht mehr in Betracht komme, wenn auch nur einer dieser Umstände nicht vorliege. Im vorliegenden Fall liege nach Auffassung des Revisionswerbers keiner der drei in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände vor, keinesfalls jedoch würden alle drei vorliegen.

Die angefochtenen Entscheidungen würden von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, wonach von einem geringfügigen Verschulden nur dann die Rede sein könne, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibe, und wonach in Fällen, in denen ein geeignetes Maßnahmen- und Kontrollsystem nicht eingerichtet worden sei, von einem geringfügigen Verschulden nicht mehr gesprochen werden könne. Im vorliegenden Fall sei kein geeignetes Maßnahmen- und Kontrollsystem zur Verhinderung von Verstößen gegen das ASchG eingerichtet gewesen. Die Arbeitgeberin sei außerdem im Vorfeld der Strafanzeige vom Arbeitsinspektorat bereits zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgefordert worden und sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen, weshalb nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem geringfügigen Verschulden im Sinne des früheren § 21 Abs. 1 VStG keine Rede sein könne (Hinweis auf VwGH vom 8. Oktober 1990, 90/19/0290, und vom 29. März 1996, 95/02/0605), sodass das Verschulden keineswegs erheblich hinter der gemäß § 5 Abs. 1 VStG gesetzlich zu vermutenden Fahrlässigkeit zurückgeblieben sei und die Annahme des geringen Verschuldens in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe. Auch die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern) sei nicht als gering zu bewerten.

9 Die vorliegende Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird, bei der Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.

10 Zur Neuregelung des hier gegenständlichen § 45 Abs. 1 Z 4 VStG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, kann auf die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der genannten Novellierung zurückgegriffen werden (vgl. VwGH vom 8. September 2016, Ra 2016/06/0099). So etwa müssen die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - kumulativ vorliegen (vgl. VwGH vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0118, m.w.H.). Fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage (siehe VwGH vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0167).

11 Von geringem Verschulden i.S.d. § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes generell nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. erneut VwGH vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0118, m.w.H.). Die Frage des Verschuldens kann ohne Auseinandersetzung mit der Fahrlässigkeitsvermutung des § 5 Abs. 1 VStG und einem einen Vertreter im Bereich des § 9 VStG entlastenden Kontrollsystem nicht ohne weiteres beantwortet werden (vgl. etwa VwGH vom 20. Juni 2016, Ra 2016/02/0065). Fehlt ein funktionierendes Kontrollsystem zur Verhinderung von Übertretungen, so kann von einem geringfügigen Verschulden nicht mehr gesprochen werden (vgl. etwa VwGH vom 27. Juni 2007, Zl. 2005/03/0166).

12 In den angefochtenen Erkenntnissen hat das Verwaltungsgericht entgegen der zitierten Rechtsprechung eine für die Beurteilung des Verschuldens notwendige nähere Auseinandersetzung mit dem betrieblichen Kontrollsystem der Mitbeteiligten unterlassen, wodurch es von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Darüber hinaus ist auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, dass die Mitbeteiligten im Verfahren ein entsprechendes Vorbringen über ein wirksames Kontrollsystem erstattet hätten.

13 Weiters ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines bloß geringfügigen Verschuldens insbesondere dann auszuschließen, wenn der Beschuldigte durch vorangegangene Beanstandungen von der Rechtswidrigkeit eines Zustandes oder seines Verhaltens Kenntnis erlangen konnte und dennoch keine Änderung herbeiführte (vgl. etwa VwGH vom 18. November 2014, Ra 2014/05/0008).

Nach den im Akt enthaltenen Unterlagen, insbesondere der dem Strafverfahren zugrunde liegenden Strafanzeige des Arbeitsinspektorats sowie einem Schreiben des Arbeitsinspektorats an die P GmbH vom 3. Juni 2015, dürfte die Gesellschaft, als deren zur Vertretung nach außen Berufene die Mitbeteiligten von der Verwaltungsstrafbehörde bestraft wurden, bereits mit dem genannten Schreiben vom 3. Juni 2015 darauf hingewiesen worden sein, dass in der gegenständlichen Arbeitsstätte gefährliche Arbeitsstoffe vorhanden seien, jedoch keine Sicherheitsdatenblätter vorhanden gewesen wären; so habe die Beurteilung der gefährlichen Arbeitsstoffe gefehlt. Nach dem Wortlaut dieses Schreibens wurde der P GmbH darüber hinaus mitgeteilt, dass die Gefahrstoff-Evaluierung zu erstellen sei und für alle vorhandenen Arbeitsstoffe eine Ermittlung und Beurteilung der Gefahren durchzuführen sei. Es sei zu prüfen, ob besonders gefährliche Arbeitsstoffe durch weniger bzw. nicht gefährliche Arbeitsstoffe ersetzt werden könnten. Hierfür wurde den Mitbeteiligten eine Frist bis 29. Mai 2015 eingeräumt.

Das Verwaltungsgericht hat zu diesen - für die Beurteilung des Verschuldens der Mitbeteiligten relevanten - Umständen keine Feststellungen getroffen. Sollte im fortgesetzten Verfahren festgestellt werden, dass das genannte Schreiben der P GmbH zugegangen und die P GmbH damit auf die Rechtswidrigkeit des in der Folge im Verwaltungsstrafverfahren beanstandeten Zustandes aufmerksam gemacht worden ist, könnte nicht mehr von einem bloß geringfügigen Verschulden gesprochen werden.

14 Da das Verwaltungsgericht bereits bei der Beurteilung des Verschuldens der Mitbeteiligten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieses war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 7. April 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte