VwGH Ra 2016/06/0099

VwGHRa 2016/06/00998.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Lehner, über die Revision des Dipl. Ing. H H in S, vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 18. Mai 2016, Zl. 405- 4/57/1/5-2016, betreffend Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft S; weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VStG §21 Abs1;
VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016060099.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 15. Dezember 2015 wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe zu einem näher angegebenen Zeitpunkt am 14. März 2015 in H auf der Westautobahn A1 in Fahrtrichtung Wien ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Es sei am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht gewesen, welche nicht die erforderlichen Sicherheitsmerkmale der Vignette aufgewiesen habe (Schriftzug UNGÜLTIG bzw. beschädigte oder fehlende Elemente der Sicherheitsstanzung auf der Vignette). Dadurch habe der Revisionswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) und Punkt 7.1 der Mautordnung der ASFINAG, Teil A I begangen. Deshalb werde über ihn eine Verwaltungsstrafe gemäß § 20 Abs. 1 BStMG in Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.

2 Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (LVwG) vom 18. Mai 2016 als unbegründet abgewiesen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

8 Zur Zulässigkeit der ao. Revision bringt der Revisionswerber vor, gemäß

9 § 45 Abs. 1 Z 4 VStG idF der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 habe die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering seien. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspreche diese Bestimmung im Wesentlichen § 21 VStG aF, weshalb auf die zu § 21 VStG aF ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden könne. Das Verschulden iSd § 45 Abs. 1 VStG (§ 21 VStG aF) sei geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibe (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, 2001/03/0175). Auf die Anwendung des § 21 VStG bestehe bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch (Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2007, 2007/09/0229, und vom 14. Oktober 2005, 2004/05/0221).

Das LVwG habe trotz des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen § 45 Abs. 1 Z 4 (bzw. § 21 aF) VStG nicht angewendet und sei damit von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Darüber hinaus liege eine grobe Fehlbeurteilung vor, die im Interesse der Rechtssicherheit jedenfalls aufzugreifen sei.

10 Zutreffend weist der Revisionswerber darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Neuregelung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, auf die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der genannten Novellierung zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa den Beschluss vom 17. April 2015, Ra 2015/02/0044, mwN).

11 Mit seinem Vorbringen zu § 45 VStG wirft der Revisionswerber jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen auf (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2015, Ra 2015/02/0172, mwN), denen in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 22. September 2015, Ra 2015/04/0070, und das hg. Erkenntnis vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0167, jeweils mwN).

12 Diese Wertungsfragen wurden vom LVwG in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beantwortet.

So tritt der Revisionswerber den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen, dass auf den vom Revisionswerber vorgelegten Lichtbildern betreffend die in Rede stehende Vignette die Sicherheitsmerkmale (UNGÜLTIG, INVALID und verschobene Zahl 5) sichtbar gewesen seien, nicht entgegen. Darauf gestützt und unter Hinweis auf von der ASFINAG ausgeführte Erläuterungen, wonach ein Fehler in der Handhabung vorliege, folgte das LVwG zutreffend nicht der Behauptung des Revisionswerbers, dass er die Vignette ordnungsgemäß angebracht habe, auch wenn dies ohne Manipulationsabsicht erfolgt sei. Dem Revisionswerber ist daher zumindest fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs. 1 VStG vorzuwerfen. Ferner befasste sich das LVwG - unter gleichzeitigem Hinweis, dass von der belangten Behörde ohnehin die Hälfte des Mindestbetrages der gesetzlich vorgesehenen Geldstrafe verhängt worden sei - nachvollziehbar mit den in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG normierten Voraussetzungen und legte in rechtlich unbedenklicher Weise dar, dass weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich die Ermöglichung der Finanzierung und Aufrechterhaltung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich, noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat als gering anzusehen seien, zumal die Vignette nicht ordnungsgemäß aufgeklebt gewesen und sie dadurch ungültig geworden sei.

13 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers ist das LVwG nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das zu einem vergleichbaren Fall einer nicht ordnungsgemäßen Anbringung einer GO-Box im Kraftfahrzeug zur elektronischen Entrichtung der Maut ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, 2012/06/0016).

14 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2016

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