VwGH Ra 2016/19/0069

VwGHRa 2016/19/006925.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, in der Revisionssache des B M in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Dezember 2015, W212 2117747- 1/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III Art17;
AsylG 2005 §5;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art17;
AsylG 2005 §5;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10. November 2015, womit der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz - weil nach der Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit Bulgariens bestehe - gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurückgewiesen und gegen ihn eine auf § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützte Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wurde, als unbegründet ab.

2 Dagegen brachte der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtsgerichtshof ein. Dieser lehnte mit Beschluss vom 18. Februar 2016, E 150/2016-7, unter Hinweis darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen habe noch ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen seien, die Behandlung der Beschwerde ab. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. März 2016, E 150/2016-9, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Daraufhin wurde die gegenständliche außerordentliche Revision gemäß § 26 Abs. 4 VwGG eingebracht.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es sei in der Rechtsprechung noch nicht beurteilt worden, ob eine Abschiebung auch dann zulässig ist, wenn der Staat, in den die Abschiebung erfolgen soll, systemische Mängel aufweise und der Betroffene an einer schweren Erkrankung leide, sodass er durch diese Kumulierung stark gefährdet wäre. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht - ohne ein fachärztliches Gutachten einzuholen - von sich aus beurteilt, dass die Erkrankung des Revisionswerbers nicht die erforderliche Schwelle des Art. 3 EMRK erreiche, ohne dabei die Zustände im bulgarischen Asylsystem und deren Auswirkungen auf die Psyche des Revisionswerbers zu beachten.

5 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich im Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig macht. Die Asylbehörden müssen daher bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 3 und Art. 8 EMRK berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschriften das im Dublin-System vorgesehene Selbsteintrittsrecht ausüben (vgl. bezogen auf Art. 3 EMRK das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113 bis 0120, sowie den hg. Beschluss vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/19/0221, mwN, und bezogen auf Art. 8 EMRK den hg. Beschluss vom 17. November 2015, Ra 2015/01/0114, mwN).

7 Das Bundesverwaltungsgericht stellte unter Hinweis auf aktuelle Länderberichte zur Lage in Bulgarien fest, dass Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens Anspruch auf Unterbringung und Versorgung hätten, wobei hiervon Unterkunft, Verpflegung, soziale Unterstützung, Krankenversorgung und psychologische Hilfe umfasst seien. Asylwerber hätten dieselben Rechte auf Krankenversorgung wie bulgarische Staatsbürger. Die staatliche Agentur für Flüchtlinge (SAR) sei verpflichtet, zu gewährleisten, dass diese krankenversichert seien. In der Praxis hätten Asylwerber Zugang zu Gesundheitsdiensten. Das Recht auf Krankenversicherung, zugängliche medizinische Grundversorgung und unentgeltliche medizinische Versorgung bestehe für Asylwerber ab dem Zeitpunkt ihrer Registrierung als Schutzsuchende unter den für bulgarische Staatsbürger geltenden Bestimmungen und Bedingungen. Einer auf den Oktober 2014 bezogenen Beurteilung von UNHCR zufolge gebe es in Bulgarien erhebliche Unterbringungs- und Aufnahmekapazitäten. Wenngleich es einzelne Berichte über Misshandlungen von Migranten in Bulgarien gäbe, würden - nach einem Bericht des US Departement of State vom Juni 2015 - selbst einige NGOs bezweifeln, dass es sich um ein systemisches Problem handle. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Länderberichte könne das Bestehen einer konkreten Gefahr für eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung des Revisionswerbers in Bulgarien letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

8 Ausgehend davon trifft schon die Prämisse des Revisionswerbers in seiner Begründung für die Zulässigkeit der Revision, es herrschten in Bulgarien im Bereich der (ua. auch medizinischen) Versorgung von Asylwerbern systemische Mängel, nicht zu. Dass sich die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen auf eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende mangelhafte Verfahrensführung oder Beweiswürdigung gründen würden, legt die die Existenz systemischer Mängel in Bulgarien bloß pauschal und unsubstantiiert behauptende Revision, die zudem - was aber in der Revision selbst eingeräumt wird - auf einen Bericht verweist, der gegenüber jenen, die den Feststellungen zugrunde gelegt wurden, als nicht mehr aktuell anzusehen ist, nicht dar.

9 Der Revisionswerber zeigt mit seinem Vorbringen zu seinem Gesundheitszustand am Boden der Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur medizinischen Versorgungssituation in Bulgarien aber auch nicht auf, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die im Fall seiner Überstellung nach Bulgarien zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würden, unzutreffend wäre. Dass die psychische Erkrankung des Revisionswerbers in Bulgarien nicht behandelbar wäre, wird im Übrigen in der Revision nicht behauptet.

10 In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK hinzuweisen, derzufolge im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. den hg. Beschluss vom 11. November 2015, Ra 2015/20/0196 bis 0198, mwN; sowie die sich ebenfalls mit Bulgarien befassenden hg. Beschlüsse vom 23. Februar 2016, Ra 2015/20/0142, und vom 19. April 2016, Ra 2015/01/0205).

11 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und den Feststellungen zur Situation in Bulgarien ist aber auch nicht zu sehen, inwieweit die in der Revision gerügte Unterlassung der beantragten Einholung eines fachärztlichen Gutachtens im vorliegenden Fall Relevanz für den Verfahrensausgang hätte haben können (vgl. dazu nochmals den bereits erwähnten Beschluss vom 11. November 2015).

12 Abschließend ist anzumerken, dass die Revision in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit nicht behauptet, das Verwaltungsgericht wäre im Rahmen seiner Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK von der Rechtsprechung abgewichen. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG aber nur im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei allerdings im gegebenen Zusammenhang erwähnt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen, wenn sie - was hier gegeben ist - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0249, mwN).

13 Die Revision war daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2016

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