VwGH Ra 2016/06/0088

VwGHRa 2016/06/00882.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. K A, 2. A A, 3. K M, 4. G N, 5. S P, 6. M P, 7. M R, 8. G R, 9. Dr. H T, alle in S, alle vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2016, W113 2120760-1/9E, betreffend Abnahmeprüfung nach dem UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: P GmbH & Co KG in B, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Schottenring 19; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §8;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
UVPG 2000 §20 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §29 Abs1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2013, 2012/06/0092, und den hg. Beschluss vom 19. März 2015, Ra 2015/06/0024, verwiesen.

Demnach erteilte die Steiermärkische Landesregierung (im Folgenden: Behörde) der S GmbH (nunmehr der Mitbeteiligten P GmbH & Co KG) mit Bescheid vom 12. September 2007 die Genehmigung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) für die Errichtung bzw. Erweiterung und den Betrieb des "Vorhabens S NEU" unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen. Diese Bewilligung umfasste unter anderem auch die Errichtung des sogenannten Partnergebäudes.

Mit Eingabe vom 2. Dezember 2010 brachte die Bauwerberin die Fertigstellungsanzeige für die erste Teilrealisierung sowie einen Antrag auf Genehmigung von Abweichungen ein. Anstelle des ursprünglich geplanten und genehmigten Partnergebäudes wurde eine Überlastschüttung entsprechend den geologischen Verhältnissen als voreilende Bodenverbesserungsmaßnahme errichtet, die bis zur Realisierung des ursprünglich geplanten Partnergebäudes erhalten bleiben solle.

Diese Überlastschüttung (der Erdwall) wurde im Zuge des Abnahmeverfahrens als geringfügige Abweichung neben anderen Projektänderungen mit dem Teilabnahmebescheid der Behörde vom 25. Februar 2011 gemäß § 20 Abs. 4 UVP-G 2000 genehmigt, ohne dass diesem Verfahren sämtliche Parteien, die von dieser Änderung betroffen sein könnten, beigezogen worden wären. Mit hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2013, 2012/06/0092, stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass den Beschwerdeführern jenes Verfahrens Parteistellung im Verfahren zur Abnahmeprüfung gemäß § 20 UVP-G 2000 zukommt. Eine Revision gegen das im neuerlich durchgeführten Verfahren betreffend die Genehmigung von Abweichungen ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 7. Jänner 2015 wurde mit hg. Beschluss vom 19. März 2015, Ra 2015/06/0024, zurückgewiesen.

2 Gegenstand des nunmehr anhängigen Verfahrens sind die Fertigstellungsanzeige der Teilrealisierungsstufe 4 vom 4. April 2014 betreffend eine Zwischenbaustufe für den Rohbau der Haupttribüne samt Partnergebäude sowie die Fertigstellungsanzeige der Teilrealisierungsstufe 4a (betreffend insbesondere das Partnergebäude samt Haupttribüne) und ein Antrag auf Genehmigung geringfügiger Abweichungen, beide vom 26. Mai 2014. Die gemeinsam mit Teilrealisierungsstufe 4a beantragten Abweichungen bestehen darin, dass die mit Teilabnahmebescheid 1 vom 25. Februar 2011 genehmigte Überlastschüttung (anstelle eines vollständigen Stahlbetonunterbaus) als Unterbau für die Haupttribüne genutzt werde, die Haupttribüne überdacht werde und zusätzlich eine 4 m hohe Schallschutzwand an der Rückseite der Haupttribüne errichtet werde; im Partnergebäude würden die Ausstellungs- /Veranstaltungshallen im "GO-Vorplatzniveau" reduziert, die Nutzungen würden geringfügig adaptiert und an der Rückseite der Terrassen werde eine 3 m hohe Schallschutzwand errichtet; am Werkstättengebäude werde ein ca. 40 m langer Kopf-Bauteil im ersten Obergeschoß errichtet. Eine eventuelle Änderung der Emissionen oder Immissionen im Bereich Schallschutz gegenüber dem Bescheid vom 12. September 2007 ist nicht Gegenstand des Antrages auf Genehmigung geringfügiger Abweichungen.

3 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens unter Beteiligung u.a. der revisionswerbenden Parteien stellte die Behörde mit Bescheid vom 17. November 2015 fest, dass das Vorhaben - abgesehen von den beantragten Änderungen - entsprechend dem Bescheid vom 12. September 2007 errichtet worden sei, und genehmigte die beantragten geringfügigen Abweichungen.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien vom 17. Dezember 2015 wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des BVwG (vom 18. Mai 2016) abgewiesen und eine Revision für nicht zulässig erklärt.

Begründend führte das BVwG im Wesentlichen - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch relevant - aus, die dem Genehmigungsverfahren zu Grunde gelegten Prognosewerte seien nicht Teil der verfahrensgegenständlichen Bewilligung geringfügiger Abweichungen und daher nicht verbindlich. Gemäß § 20 UVP-G 2000 sei lediglich die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Spruchteil des Bewilligungsbescheides, der Vorhabensbeschreibung als integrierenden Bestandteil des Bescheidspruches sowie den Auflagen und Nebenbestimmungen zu prüfen. Im Rahmen des Abnahmeverfahrens stehe die Genehmigungsfähigkeit des Projektes nicht mehr zur Disposition.

Die revisionswerbenden Parteien seien den Aussagen der Behörde, wonach die Änderungen einen mindestens gleichwertigen, wenn nicht höheren Schallschutz bewirkten, entgegengetreten. Sie hätten auf bereits im Verfahren vor der Behörde vorgelegte eigene Messungen bei Vorhandensein des Erdwalls verwiesen. Dem hielt das BVwG entgegen, ob Zwischenstufen wie der Erdwall, der Gegenstand der Teilrealisierungsstufe 1 gewesen sei, geringere Schallimmissionen gehabt hätten, sei unbeachtlich; der Vergleich sei zum genehmigten Konsens herzustellen.

Die Anzahl der zulässigen Änderungen sei im UVP-G 2000 nicht beschränkt; die Mitbeteiligte habe daher nicht - wie die revisionswerbenden Parteien meinten - ihr Recht auf Änderung des Partnergebäudes bzw. des Erdwalls mit der Teilrealisierungsstufe 1 bereits "konsumiert", weil der Erdwall ausdrücklich als "Zwischenlösung" bis zur Errichtung des ursprünglich vorgesehenen Partnergebäudes genehmigt worden sei.

Aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich bereits, dass die genehmigten Änderungen keine erheblichen Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP-G 2000 hätten, weshalb sie geringfügig seien. Nachteilige Auswirkungen auf die Nachbarn seien nach Angaben der Mitbeteiligten jedenfalls auszuschließen. Das Gutachten der Mitbeteiligten betreffend die Schallimmissionen sei vom schalltechnischen Sachverständigen als schlüssig und nachvollziehbar anerkannt worden. Dem seien die revisionswerbenden Parteien nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten, sie hätten auch keine fachlichen Argumente vorgebracht, die geeignet gewesen wären, das Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens zu erschüttern. Nach den Feststellungen (der Behörde) bewirkten die genehmigten Abweichungen keine im Vergleich zum genehmigten Vorhaben erhöhten Lärmbeeinträchtigungen für die revisionswerbenden Parteien. Die in der "Maximalpegelhäufigkeitstabelle" enthaltenen Werte seien nicht verbindlich, weil sie nicht Teil des Genehmigungsbescheides seien, weshalb ein Vergleich mit ihnen nicht entscheidungsrelevant sei. Da der Sachverhalt ausreichend geklärt gewesen sei und die Frage, welche Immissionswerte verbindlich einzuhalten seien, eine Rechtsfrage darstelle, habe auf die Einholung eines weiteren Gutachtens verzichtet werden können.

Von der Durchführung der - beantragten - mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Angelegenheit habe erwarten lassen. Der Sachverhalt sei von den revisionswerbenden Parteien nicht bestritten worden. Dem Entfall einer Verhandlung stünden weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen. Die entscheidende Frage, welche Immissionswerte anzuwenden seien, sei keine Frage des Sachverhaltes, sondern eine Rechtsfrage.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof solle gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

6 Das Bundesverwaltungsgericht legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und die mitbeteiligte Partei erstatteten Revisionsbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringen die revisionswerbenden Parteien im Wesentlichen vor, der Verweis des BVwG auf das Verfahren betreffend die Teilrealisierungsstufe 1 sei unzulässig, das BVwG hätte gemäß "§ 44 Abs. 1 VwGVG" eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, es bestehe keine höchstgerichtliche Judikatur, ob in Verfahren gemäß § 20 Abs. 3 UVP-G 2000 rechtskräftig bewilligte Änderungen im Rahmen eines weiteren Änderungsverfahrens nochmals geändert werden könnten, und ob Prognosewerte in Gutachten verbindlich seien.

8 Im Hinblick auf das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung - selbst wenn in der Zulässigkeitsbegründung unzutreffend auf § 44 Abs. 1 VwGVG statt auf § 24 leg. cit. verwiesen wurde - ist die Revision zulässig und aus folgenden Gründen auch berechtigt:

9 § 24 Verwaltungsgerichtsbarkeitsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

§§ 19 und 20 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, idF BGBl. I Nr. 77/2012, lauten auszugsweise:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie

Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

1. Nachbarn/Nachbarinnen: Als Nachbarn/Nachbarinnen gelten Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind; hinsichtlich Nachbarn/Nachbarinnen im Ausland gilt für Staaten, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, der Grundsatz der Gegenseitigkeit;

2. ...

Abnahmeprüfung

§ 20. (1) Die Fertigstellung des Vorhabens ist der Behörde vor der Inbetriebnahme vom Projektwerber/von der Projektwerberin anzuzeigen. Sollen Teile des Vorhabens in Betrieb genommen werden (Abs. 3), so ist deren Fertigstellung anzuzeigen.

(2) Die Behörde hat das Vorhaben darauf zu überprüfen, ob es der Genehmigung entspricht und darüber einen Bescheid zu erlassen. Die Behörde hat die in den Verwaltungsvorschriften bestehenden Bestimmungen über Betriebsbewilligungen, Benutzungsbewilligungen, Kollaudierungen und dergleichen anzuwenden. Der Abnahmebescheid ersetzt die nach diesen Verwaltungsvorschriften jeweils vorgesehenen Bescheide. Der Abnahmeprüfung sind die mitwirkenden Behörden und die Parteien gemäß § 19 Abs. 1 Z 3 bis 7 sowie § 19 Abs. 11 beizuziehen.

(3) Sofern dies nach der Art des Vorhabens zweckmäßig ist, kann die Behörde die Abnahmeprüfung in Teilen durchführen. In diesem Fall sind Abnahmebescheide über die entsprechenden Teile des Vorhabens zu erlassen.

(4) Im Abnahmebescheid ist die Beseitigung festgestellter Abweichungen aufzutragen. Die Behörde kann jedoch in Anwendung des § 18 Abs. 3 nachträglich geringfügige Abweichungen genehmigen, sofern den betroffenen Parteien gemäß § 19 Abs. 1 Gelegenheit zur Wahrung ihrer Interessen gegeben wurde.

(5) ..."

10 Zunächst wird angemerkt, dass weder aus dem Bescheid noch dem angefochtenen Erkenntnis oder dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien in ihren diversen Schriftsätzen hervorgeht, welche Ausführungen sich auf die Abnahmeprüfung gemäß § 20 Abs. 2 UVP-G 2000 und welche auf die Genehmigung geringfügiger Abweichungen gemäß Abs. 4 leg. cit. beziehen. Dies ist insofern relevant, als Nachbarn und somit die revisionswerbenden Parteien im Verfahren betreffend die Abnahmeprüfung keine Parteistellung haben (§ 20 Abs. 2 letzter Satz UVP-G 2000) und ein dazu ergangenes Vorbringen schon aus diesem Grund ins Leere geht. Da es sich vorliegend um eine Parteienbeschwerde handelte, hatte das BVwG die Sache nur insoweit zu prüfen, als es um die Frage einer Verletzung von subjektivöffentlichen Rechten der revisionswerbenden Parteien ging (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. März 2016, Ra 2015/06/0033, und vom 26. März 2015, Ra 2014/07/0077, mwN).

11 Die Genehmigung für die Überlastschüttung entsprechend der geologischen Verhältnisse wurde nur bis zur Realisierung des ursprünglich geplanten Partnergebäudes beantragt und mit Bescheid der Behörde vom 25. Februar 2011 erteilt. Daraus geht klar hervor, dass die Genehmigung dieser Änderung nur ein Zwischenschritt war und einer Genehmigung der Endausbaustufe, nämlich des ursprünglich geplanten und auch genehmigten Partnergebäudes (nunmehr in abgeänderter Form), nicht entgegensteht. Da mit der Genehmigung des Erdwalls als Zwischenschritt keine anderen Emissions- oder Immissionsgrenzwerte festgelegt wurden, sind - wie das BVwG zutreffend ausführte - die gegenständlich beantragten Abweichungen betreffend das Partnergebäude samt Haupttribüne gemäß § 20 Abs. 4 UVP-G 2000 im Vergleich zum Bescheid vom 12. September 2007 zu beurteilen. Die vom Erstrevisionswerber durchgeführten Messungen am Immissionspunkt 4b zur Zeit des Erdwalls sind somit nicht entscheidungsrelevant.

12 Der Spruch ist der Kern eines Bescheides, die individuelle Norm, die in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59 Rz 1). Der Begründung eines Bescheides kommt hingegen grundsätzlich keine Rechtskraft zu (vgl. Hengstschläger/Leeb, a.a.O., § 60 Rz 2). Im Rahmen der Begründung hat die Behörde in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzulegen, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen sie bei ihrer Entscheidung ausging, und allenfalls zu begründen, aus welchen Erwägungen sie ein Beweismittel einem anderen vorzog (vgl. Hengstschläger/Leeb, a.a.O., § 60 Rz 19 ff). Daraus ergibt sich bereits denklogisch, dass Inhalte eines Beweismittels -

fallbezogen die Prognosewerte eines Gutachtens ("Maximalpegelhäufigkeiten") -, die weder in den Spruch noch in die Begründung des Bescheides übernommen wurden, keinesfalls in Rechtskraft erwachsen und somit nicht verbindlich sein können.

13 Soweit die revisionswerbenden Parteien vorbringen, der Verweis des BVwG auf das Verfahren betreffend die Teilrealisierungsstufe 1 sei unzulässig, zeigen sie nicht auf, in welchen subjektiv-öffentlichen Rechten sie dadurch verletzt werden könnten.

14 Zum Vorbringen, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren stehen in so engem Zusammenhang mit Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück und dessen Wert bzw. auf den ungestörten Genuss des Eigentums am Nachbargrundstück, dass sie als "civil rights" anzusehen sind (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte - EGMR - vom 25. November 1994, Nr. 12.884/87, Ortenberg/Österreich). Der EGMR legte in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dar, dass der Betroffene im Rahmen des Art. 6 EMRK grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR nahm das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände an, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), führte der EGMR aus, es gebe Verfahren, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne. Jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt vor dem Verwaltungsgericht konkret - und nicht nur allgemein inhaltsleer - bestritten wird, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht ausschließlich rechtliche Fragen zu behandeln hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2015, Ro 2015/05/0004, mwN).

15 Die revisionswerbenden Parteien beantragten in ihrer Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Dieses führte auch selbst aus (siehe Rz 4 dritter Absatz), dass die revisionswerbenden Parteien den Aussagen der Behörde, wonach die Änderungen einen mindestens gleichwertigen, wenn nicht höheren Schallschutz bewirkten, entgegengetreten seien. Angesichts dessen hätte das BVwG eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2015, Ra 2014/06/0033). Entscheidend ist nämlich nicht, ob das Bestreiten des Sachverhaltes erfolgreich ist, sondern nur, dass ein konkretes - und nicht nur allgemeines inhaltsleeres - Vorbringen bezogen auf den Sachverhalt erstattet wurde. Die Begründung des BVwG, von einer mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Angelegenheit habe erwarten lassen und der Sachverhalt von den revisionswerbenden Parteien nicht bestritten worden sei (siehe Rz 4 letzter Absatz), steht somit mit den oben angeführten Ausführungen im Widerspruch.

16 In ihrer Beschwerde rügten die revisionswerbenden Parteien Mängel des schalltechnischen Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen Ing. W und unter anderem einen Widerspruch betreffend die Zunahme der Schallimmissionen an der Südseite der Tribünen (+ 9 dB) bei gleichzeitiger Abnahme der Schallimmissionen (bis - 6 dB) an den südlich der Rennstrecke gelegenen Grundstücken, den Ing. W nicht aufgeklärt und die Behörde nicht aufgegriffen habe. Wenn das BVwG den revisionswerbenden Parteien entgegenhält, sie seien dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, übersieht es, dass einem Vorbringen betreffend die Schlüssigkeit von Gutachten - etwa der Darlegung von Widersprüchen oder das Aufzeigen von Mängeln - auch dann Gewicht zukommt, wenn es nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, a.a.O., § 52 Rz 64, sowie Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2 (1998) AVG § 52 E 249 ff). Darüber hinaus führt das BVwG (auf Seite 10 des angefochtenen Erkenntnisses) zu dem gerügten Widerspruch aus, "der genannten Schallemission von 9 dB (liegt) nach den plausiblen Ausführungen der Projektinhaberin in einer Stellungnahme vom 13.03.2015 ein falscher Berechnungsansatz zu Grunde." Das BVwG führt damit selbst aus, das Gutachten sei mangelhaft (diese Aussage ist für den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht nachvollziehbar, beziehen sich die diesbezüglichen Aussagen der B GmbHG B in der Stellungnahme vom 13. März 2015 doch auf eine Eingabe des Erstrevisionswerbers vom 5. März 2015 und nicht auf die Aussagen des schalltechnischen Sachverständigen).

Das Aufzeigen eines Mangels oder von Widersprüchen in Gutachten ist jedenfalls geeignet, die Tatsachenfeststellungen der Behörde substantiiert zu bestreiten, sofern die Behörde - wie im gegenständlichen Fall - ihre Entscheidung auch auf diese Gutachten stützt.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits wegen des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ohne nähere Prüfung der Relevanz dieses Verfahrensmangels (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2015/06/0089) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

18 Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am 2. November 2016

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