VwGH Ra 2016/06/0066

VwGHRa 2016/06/006629.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. F G (zu Zl. Ra 2016/06/0066) und

2. E G (zu Zl. Ra 2016/06/0067), beide in M, beide vertreten durch Dr. Franz Riess, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Friedrich-Thurner-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 14. Oktober 2015, Zl. LVwG-150644/4/RK/WP - 150645/2, betreffend Enteignung in einer Angelegenheit nach dem Oö. Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung, Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Geoinformation und Liegenschaft, Bahnhofplatz 1, 4021 Linz; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oö. Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art139 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1 Z1;
EisbEG 1954;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art139 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1 Z1;
EisbEG 1954;
LStG OÖ 1991 §36 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 12. März 2015 wurde dem Enteignungsantrag der mitbeteiligten Partei betreffend näher genannte, im Eigentum der revisionswerbenden Parteien stehenden Grundstücksteile (zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens "Umfahrung M-M, Abschnitt 1"; vgl. zur dazu ergangenen Bewilligung nach dem Oö. Straßengesetz 1991 den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2016/06/0068) stattgegeben.

In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die Entschädigung für die Grundinanspruchnahme festgesetzt. Unter Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass die Inbesitznahme der enteigneten Grundflächen durch die mitbeteiligte Partei von den revisionswerbenden Parteien nach Rechtskraft des Bescheides und Auszahlung bzw. gerichtlicher Hinterlegung der Entschädigung jederzeit zu dulden sei. Spruchpunkt IV. enthält eine Kostenentscheidung, mit Spruchpunkt V. wurden weitere Anträge abgewiesen.

2 Über die gegen diesen Bescheid von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde entschied das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) im angefochtenen Erkenntnis vom 14. Oktober 2015 wie folgt:

"I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß §§ 41 Abs 1 Oö. Straßengesetz 1991 idF der Oö. Straßengesetz-Novelle 2015, LGBl 42, iVm 7 Abs 3 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz idF BGBl I 2010/111, werden die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer mit gesamt EUR 1.000,00 (je EUR 500,00) bestimmt.

Dem Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung, wird gemäß §§ 41 Abs 1 Oö. Straßengesetz 1991 iVm 44 Abs 1 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz aufgetragen, den Beschwerdeführern zH ihres rechtsfreundlichen Vertreters, Rechtsanwalt (...), den Betrag von gesamt EUR 1.000,00 (je EUR 500,00) als Kostenersatz für die rechtsfreundliche Vertretung im Enteignungsverfahren binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution auszubezahlen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig."

3 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 8. März 2016, E 2476/2015, die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien gegen das Erkenntnis des LVwG vom 14. Oktober 2015 erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4 Gegen das Erkenntnis des LVwG vom 14. Oktober 2015 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision unter Bezugnahme auf Judikatur des EuGH zunächst ausgeführt, es liege eine Rechtsfrage von wesentlicher Bedeutung vor, nämlich die Frage, inwieweit in einem Straßenprojekt bestehende Straßen und im Zuge der Neuprojektierung entstehende Nebenwege bei der Beurteilung der Schwellenwerte zu berücksichtigen seien und ob in diesem Zusammenhang insbesondere die österreichische Rechtslage der europarechtlichen Vorgabe (Umweltverträglichkeitsrichtlinie) entspreche.

Eine derartige Entscheidung in Bezug auf Straßen gebe es von Seiten des Verwaltungsgerichtshofes bislang nicht. Sei für das der Enteignung zu Grunde liegende Straßenprojekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so sei der straßenrechtliche Bewilligungsbescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Dieser wäre aufzuheben und fiele damit die Rechtsgrundlage für eine Enteignung weg.

10 Dieses Vorbringen, mit dem im Übrigen - wie die revisionswerbenden Parteien selbst ausführen - die Unzuständigkeit der Behörde im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren behauptet wird, gleicht jenem Vorbringen, mit dem im diesbezüglichen hg. Verfahren zu Ra 2016/06/0068 die Zulässigkeit der ao. Revision behauptet wurde. Es erweist sich aus den im hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2016/06/0068, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, als nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Ferner bringen die revisionswerbenden Parteien zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision vor, die Kostenentscheidung "der belangten Behörde" (gemeint wohl: des LVwG) "im angefochtenen Bescheid" werde vom Enteignungswerber dahingehend interpretiert, dass damit nicht über die Kosten des Verfahrens "bei der belangten Behörde" abgesprochen werde, sondern über die Kosten des gesamten Enteignungsverfahrens. Die Begründung "der belangten Behörde" zur Kostenentscheidung lasse eine Interpretation in beide Richtungen zu. Es fehle bislang Rechtsprechung dazu, inwieweit in einem Enteignungsverfahren ein Landesverwaltungsgericht für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht eine eigenständige Kostenentscheidung zu fällen habe oder der Kostenersatz gemäß der Rechtslage sowohl das Verfahren erster Instanz als auch das Verfahren bei einem Landesverwaltungsgericht einschließe.

11 Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die behauptete Unklarheit im angefochtenen Erkenntnis nicht vorliegt. Das LVwG hat in Spruchpunkt II. seines Erkenntnisses den revisionswerbenden Parteien ausdrücklich Kostenersatz für die rechtsfreundliche Vertretung "im Enteignungsverfahren" (und nicht beschränkt auf die entsprechenden Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) zuerkannt.

12 Entgegen der von den revisionswerbenden Parteien vertretenen Ansicht erweist sich diesbezüglich auch die - im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehende - Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht als mehrdeutig. So hat das LVwG zutreffend dargelegt, dass es (grundsätzlich) in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, Ra 2015/03/0015, mwN), somit die "Sache" des Verfahrens mit seiner Entscheidung endgültig zu erledigen hat. Es verwies ebenso richtig darauf, dass die Kostenentscheidung zur Entscheidung in der Hauptsache akzessorisch ist (vgl. zu einem Enteignungsverfahren nach dem Oö. Straßengesetz 1991 das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2006, 2005/05/0065). Durch die Verpflichtung zur Erledigung in der Hauptsache war auch die akzessorische Kostenentscheidung mit zu erledigen.

13 Überdies hob das LVwG sodann hervor, dass eine die Kostenentscheidung betreffende, im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingetretene Änderung der Rechtslage "eine Abänderung hinsichtlich des Kostenersatzes erforderlich" gemacht habe. Damit ist zweifelsfrei klargestellt, dass das LVwG eine die diesbezügliche Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde abändernde Entscheidung getroffen hat, die den den revisionswerbenden Parteien für das gesamte Enteignungsverfahren gebührenden Kostenersatz umfasst.

14 Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der hg. Judikatur zur Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte. Dass sich aus den in Rede stehenden, nachfolgend zitierten Bestimmungen Gegenteiliges ergäbe und die Kognitionsbefugnis des LVwG im Zusammenhang mit dem Kostenersatz auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren beschränkt wäre, wird auch in der Zulassungsbegründung der Revision nicht konkret behauptet.

15 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nicht vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. den hg. Beschluss vom 29. September 2016, Ra 2016/05/0091, mwN). Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage eindeutig:

16 Nach § 41 Oö. Straßengesetz 1991 in der am 30. April 2015 in Kraft getretenen Fassung LGBl. Nr. 42/2015 ist, soweit in diesem Landesgesetz auf das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG), BGBl. Nr. 71/1954, verwiesen wird, dieses in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, anzuwenden.

Eine Übergangsbestimmung, etwa für im Zeitpunkt des Inkrafttretens der zitierten Novelle anhängige Verfahren, hat der Gesetzgeber dazu nicht normiert.

17 Gemäß § 7 Abs. 3 EisbEG, BGBl. Nr. 71/1954, hat im Enteignungsverfahren der Enteignungsgegner Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung. Dem Enteignungsgegner gebührt voller Kostenersatz, soweit der Enteignungsantrag ab- oder zurückgewiesen oder in einem nicht nur geringfügigen Umfang zurückgezogen wird. In allen anderen Fällen gebührt dem Enteignungsgegner eine Pauschalvergütung in Höhe von 1,5 vH der festgesetzten Enteignungsentschädigung, mindestens aber 500 Euro und höchstens 7 500 Euro.

18 Die Erläuternden Bemerkungen (981 Blg. XXIV. GP, S. 53 ff.) zu § 7 Abs. 3 EisbEG in der hier maßgeblichen Fassung führen damit übereinstimmend u.a. aus:

"Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass der Enteignungsgegner im Enteignungsverfahren Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung hat.

Dem Enteignungsgegner gebührt voller Kostenersatz, soweit der Enteignungsantrag ab- oder zurückgewiesen oder in einem nicht nur geringfügigen Umfang zurückgezogen wird. In allen anderen Fällen gebührt dem Enteignungsgegner eine Pauschalvergütung in Höhe von 1,5 vH der festgesetzten Enteignungsentschädigung, mindestens aber 500 Euro und höchstens 7 500 Euro."

19 § 7 Abs. 3 EisbEG regelt somit den Kostenersatz für das (gesamte) Enteignungsverfahren. Eine entsprechende Entscheidung wurde im angefochtenen Erkenntnis des LVwG getroffen.

20 Das LVwG hat den revisionswerbenden Parteien, denen für die in Anspruch genommenen Grundstücksflächen eine Entschädigungssumme in der Höhe von zusammen EUR 57.303,- (je EUR 28.651,50) zugesprochen wurde, je einen Kostenersatz in der Höhe des Mindestbetrages von EUR 500,00 zuerkannt, weil 1,5 vH der Entschädigungssumme je revisionswerbende Partei einen Betrag von EUR 429,80 ergibt.

21 Dass diese Berechnung des LVwG unzutreffend wäre, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht vorgebracht. Sie machen jedoch in ihrer Zulässigkeitsbegründung geltend, dass die im laufenden Verfahren in Kraft getretene aktuelle Rechtslage für sie nachteilig sei, weil bereits Kostenaufwand entstanden sei, der auch als zweckmäßig und notwendig anerkannt worden sei, der aber nunmehr nur mehr eingeschränkt ersetzt werden solle. Demgemäß sei eine Prüfung der neuen Rechtslage auf ihre Verfassungsmäßigkeit angebracht.

22 Die Zulässigkeit einer Revision kann aber mit der Frage der Rechtmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit oder Verfassungskonformität) genereller Rechtsnormen nicht begründet werden, weil diese Frage selbst als Rechtsfrage nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache "zu lösen" ist. Dafür ist der Verfassungsgerichtshof und nicht der Verwaltungsgerichtshof zuständig (vgl. den hg. Beschluss vom 3. August 2016, Ra 2016/07/0050, mwN).

23 Die Revision war daher zurückzuweisen.

24 Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Anregung der revisionswerbenden Parteien auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage der Auslegung des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. Ebenso erübrigt es sich, einen Antrag auf Gesetzesprüfung hinsichtlich der mit der Straßengesetz-Novelle 2015, LGBl. Nr. 42/2015, geänderten Regelungen betreffend Kostenersatz im Enteignungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

25 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 29. November 2016

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